Kultur

Lena Dunham über „Too Much“ und „Girls“ | ABC-Z

Frau Dunham, genau wie die Protago­nistin Ihrer neuen Serie „Too Much“ sind auch Sie vor einigen Jahren von New York nach London gezogen und haben dort Ihre große Liebe getroffen. Wann war ­Ihnen klar, dass diese Erfahrungen das Zeug zu einer Geschichte hat?

Anders als meine Protagonistin Jessica lebte ich schon zwei Jahre in London, ­bevor ich meinen späteren Ehemann traf. Aber von Anfang an war ich fasziniert ­davon, dass wir Amerikaner und die ­Briten zwar die gleiche Sprache sprechen, aber doch ganz andere Konversationen führen. Da dachte ich sehr schnell darüber nach, etwas über eine Amerikanerin zu machen, die mit ihren Jane-Austen-Phantasien nach England kommt und dann überrumpelt ist davon, dass sich ihr in den kulturellen Unterschieden eine vollkommen andere Realität zeigt. Als ich Luis kennenlernte, wurde mir klar, dass eine trans­atlan­tische Liebesgeschichte der beste Weg sein könnte, sich dieses Themas anzunehmen.

Sie und Ihr Mann Luis Felber waren die Blaupausen für die Figuren in der Serie?

Nein, so einfach ist es nicht. Für Jessica ­habe ich viele meiner Freunde zu einer Person verschmolzen, weibliche, aber auch queere männliche Freunde, die in ihren Dreißigern sind und versuchen, die Partnersuche und das Erwachsensein ­irgendwie auf die Reihe zu bekommen. Das war ein großer Spaß für mich. Auch Felix ist nicht einfach nur eine Version von meinem Mann Luis, sondern eine Kom­bination aus ­vielen Männern, die mir am Herzen liegen.

Ihre erfolgreiche Serie „Girls“ war ebenfalls autobiographisch inspiriert. Anders als damals spielen Sie nun aber nicht die Hauptrolle. Hat Sie die Schauspielerei womöglich nie so sehr interessiert wie ­andere Aspekte des Filme­machens?

Das stimmt. Schon bei „Girls“ habe ich immer einen Unterschied erkannt zwischen dem, was die anderen Schauspieler gemacht haben, und mir. Ich bin ganz gut darin, die Sätze zu sagen, die ich geschrieben habe. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, die Hauptrolle im Film „Treasure“ der deutschen Regisseurin Julia von Heinz war etwas, worauf ich große Lust hatte. Doch was mich wirklich begeistert, ist anderes: schreiben, inszenieren, die visuelle Gestaltung meiner Ideen. Das hat mich schon als Kind an der Filmarbeit fasziniert.

Mit Megan Stalter, die viele aus der Serie „Hacks“ kennen, haben Sie für „Too Much“ würdigen Ersatz gefunden.

Ich hatte Megan schon beim Schreiben im Kopf. Aber ich konnte nicht ahnen, welche wunderbare Freundschaft zwischen ihr und Will Sharpe, dem männlichen Hauptdarsteller, entstehen würde. Chemie ist ja nicht etwas, das man künstlich herstellen oder garantieren kann, selbst wenn man vorab die Schauspieler gemeinsam bei Probeaufnahmen testet.

Verglichen mit „Girls“ wirkt Ihr Blick auf amouröse Beziehungen diesmal positiver und hoffnungsvoller.

Es freut mich, dass sich das zu übertragen scheint. Damals war mein Blick auf das Thema vor allem von Skepsis und Ernüchterung geprägt. Heute stehe ich an einem anderen Punkt in meiner eigenen Entwicklung. Zudem erinnerte mich Megan kürzlich daran, dass es bei „Girls“ vor allem um Sex ging, während in „Too Much“ nun die Liebe das Thema ist. Wir leben in einer Zeit, in der es mir wichtig ist, echte Freude zu verbreiten und dabei zu helfen, wirkliche Verbindungen zwischen Menschen herzustellen. Die romantische Komödie erschien mir da das ideale Vehikel, nicht zuletzt weil sie generationsübergreifend so gut funktioniert. Also habe ich versucht, sie mit der bei mir üblichen Dosis Schrägheit zu vermengen.

Damals haben Sie willentlich in Kauf ­genommen, dass die Figuren in Ihrer Serie das Publikum auch vor den Kopf ­stoßen.

Absolut. In meiner Familie gab es Leute, die gefragt haben, warum sie sich eine ­Serie anschauen sollen, in der es vor nervigen Idioten nur so wimmelt. Aber was soll ich sagen? Mir lagen die Figuren in „Girls“ immer am Herzen, schon allein weil sie alle auf Menschen basierten, die ich sehr liebe und die wichtige Bestand­teile meines ­Lebens waren. In „Too Much“ gibt es auch Leute, die unglaublich kompliziert sind, sich danebenbenehmen oder sich auch richtig mies verhalten. Aber sie alle ver­suchen ihr Bestes und haben keine bösen Absichten. Das kann ich nicht verurteilen.

Lena Dunham im Jahr 2015
Lena Dunham im Jahr 2015AP

Schauen Sie sich Ihre alten Arbeiten manchmal noch an?

Ich schaue lieber nach vorne. Außerdem habe ich jede Folge „Girls“ allein im Schnitt mindestens zwanzigmal gesehen. Aber ich freue mich immer, wenn ich mitbekomme, dass auf Tiktok Clips aus der Serie geteilt werden oder jetzt eine ganz neue Generation sie für sich entdeckt.

Würden Sie sagen, dass Sie einfach zu jung waren? Für den Erfolg, aber auch für die Anfeindungen, die die Serie mit sich brachte?

Ich war 23 Jahre alt, als ich meinen ersten Film, „Tiny Furniture“, gedreht habe, und im Jahr darauf folgte schon die Pilotfolge von „Girls“. Es gab Zeiten, in denen ich mir wünschte, ich hätte all das etwas ­später im Leben durchgemacht. Doch auf die großen Einschnitte im Leben ist man nie wirklich vorbereitet. Ich kenne Per­sonen, die erst in ihren Vierzigern berühmt wurden und kein bisschen weniger überwältigt waren. Künstler träumen davon, dass ihre Arbeit von vielen Personen gesehen und ver­standen wird. Doch für die kulturelle Konversation, die sich an die Rezeption anschließt, ist man selten im vollen Umfang gewappnet.

Eine Auszeit haben Sie sich kaum gegönnt, selbst als bei Ihnen eine fortschreitende Bindegewebsstörung diagnostiziert wurde.

In Genesung befindlicher Workaholic, so beschreibe ich mich gerne. Wobei das ­womöglich allzu hoffnungsvoll ist. Ich ­mache diese Arbeit jetzt seit mehr als 15 Jahren, und ich liebe sie einfach. Ich komme aus einer Familie von Künstlern und weiß mich nicht anders auszudrücken oder auszuleben. In anderen Familien dreht sich alles um Sport oder um Religion, bei uns war es immer Kunst in allen Formen. Deswegen kann ich mein Glück nicht fassen, dass ich damit meinen ­Lebensunterhalt verdienen kann. Überdruss kenne ich bislang nicht, im Gegenteil. Ich liebe es, dass mich nach all den Jahren bei jedem neuen Projekt am ersten Tag die Nervosität packt.

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