Wohnen

Usinger Schafferei erprobt Konzept gegen Leerstand in Innenstadt | ABC-Z

Die Teilnehmer der Bunten Werkstatt haben schon einiges geschafft: Aus Dutzenden ausrangierten Holzstühlen haben sie farbenfrohe Kunstwerke geschaffen. So soll es sein. Denn Dinge zu schaffen, ist die Aufgabe der Schafferei, in der sich die Bunte Werkstatt befindet. Genauer gesagt, handelt es sich um die Usinger Schafferei, denn die Mieterin des gut 400 Quadratmeter großen Raums ist die Stadt Usingen im Hochtaunuskreis. Der Sinn der Sache: In einem Ladenlokal, das ansonsten leer stünde, sollen Einwohner aller Generationen zusammenkommen – und damit auch die Innenstadt beleben.

Die jüngste Generation greift auf Krabbeldecken nach Rasseln und Plastikringen. Ältere Generationen singen dazu „Aram sam sam, aram sam sam, gulli gulli gulli gulli gulli ram sam sam“. Die Eltern-Kind-Gruppe ist an diesem Vormittag eine Mutter-Großmutter-Kind-Gruppe. Sie kommt immer dienstags in der Schafferei zusammen.

Ein soziales, offenes Begegnungszentrum

Die Pinsel und Farben der Bunten Werkstatt stehen ganz hinten in dem offenen Raum. Davor verteilen sich die Stühle. Lehnen und Beine leuchten in kräftigen Farben, die Sitzflächen zieren Muster. Nadine Fork, Ute Harmel und Steffen Wernard nehmen Platz. Der CDU-Bürgermeister und die Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung wollen von der Schafferei berichten. Ein soziales, offenes Begegnungszentrum solle sie sein, sagt Fork, zu deren Aufgaben die Ehrenamtsförderung gehört. Die meisten Angebote in der Schafferei kämen von Usingern, die sich engagieren wollten.

Der Jugendtreff ist dagegen städtisch. Mit einem Vorhang hat Fork einen Extraraum mit Sofas abgetrennt – „Jugendliche mögen es gern höhlig“, haben die Organisatorinnen gelernt. Auf einem Stück Kunstrasen, das beim Modernisieren eines Sportplatzes übrig geblieben ist, steht ein Tischkicker. Vieles in der Schafferei stammt von Spendern, auch die Stühle für die Malgruppe. Die Jugendpflegerinnen, die bei den Treffen dabei sind, wollen noch eine Playstation und einen Fernseher organisieren.

Ute Harmel kümmert sich in der Stadt mit gut 15.000 Einwohnern um die Wirtschaftsförderung. Wer heute eine Innenstadt beleben wolle, lege den Fokus nicht mehr ausschließlich darauf, Handel und Gewerbe in das Zentrum zu holen. Vielmehr sei der Leitgedanke die demokratische Bildung. Wenn es der Schafferei gelinge, Usinger zusammenzubringen, diene das genauso der Nachhaltigkeit wie ein ökologischer und klimaangepasster Umbau des Stadtkerns.

Zugleich könnten die Angebote der Schafferei den Läden in der Nähe Laufkundschaft bringen: Dann geht die ältere Generation nach Kaffee und Kuchen beim Seniorentreff vielleicht noch zum Friseur oder in den Blumenladen. Direkt gegenüber an der Scheunengasse liegen auch ein Café und ein Thai-Massage-Studio.

Umgekehrt hat sich der Einzelhandel mit einer Modenschau an der Eröffnungsfeier der Schafferei beteiligt. Seit Mai mietet die Stadt die Fläche für einen moderaten Preis, wie Bürgermeister Wernard sagt. Den Kontakt zur Eigentümerin konnte die Stadt mit einem doppelten finanziellen Polster aufnehmen. Im aktuellen Haushaltsplan sind unter dem Stichwort „Gemeinschaf(f)t Usingen“ 10.000 Euro für das Vorhaben eingestellt. Außerdem hat Usingen im April beim hessischen Landeswettbewerb „Ab in die Mitte“ 15.000 Euro gewonnen. Ute Harmel zeigt das Bewerbungsvideo auf dem Handy. Darin ist zu sehen, dass die bemalten Stühle bald in der Innenstadt zum Verweilen und Kontakteknüpfen einladen sollen.

„Wie beim Airbnb“

Zuvor war ein Möbelgeschäft in dem Laden, noch früher eine Drogerie – und zu Urzeiten auch einmal ein HL-Supermarkt, wie Ute Harmel zu berichten weiß. Jetzt bietet etwa eine Künstlerin ihre Gemälde darin an. Nicht weit von den Staffeleien entfernt hat die Stadt Regale mit Büchern und Spielen zum Leihen und Tauschen aufgebaut. Bald soll es in der Schafferei auch Beratung geben – von der Hautanalyse bis zur Schreibwerkstatt. Eine Osteoporosegruppe trifft sich schon jetzt. Abends nutzen etwa Umweltverbände die Schafferei zum Tagen.

Den Schlüssel finden die Anbieter von Kursen und Treffen jeweils in einem Kasten. „Wie beim Airbnb“, sagt Nadine Fork. Die Senioren können hinten in einer Küche Kaffee kochen – und bald vielleicht auch Berufstätige, denn an Co-Working-Plätze haben die Verantwortlichen auch schon gedacht. Die Jugendlichen kommen nur vorübergehend in der Schafferei unter, weil das Jugendhaus sanierungsbedürftig ist. Gerade kauft die Stadt laut Wernard vom Hochtaunuskreis ein Grundstück mit einem alten Haus, um es für junge Leute zu renovieren.

Aber auch die Schafferei ist nicht auf ewige Zeiten auf den Raum an der Scheunengasse festgelegt. Der Mietvertrag mit den guten Konditionen läuft bis Ende September und wird nach Angaben des Bürgermeisters gerade über den Winter verlängert. Aber wenn die Eigentümerin die Fläche wieder an einen Ladenbesitzer vermieten könnte, würde die Schafferei ausziehen. So sei es verabredet. Auch könnten die Heizkosten im Winter in dem großen Raum hoch sein. Die Hoffnung richtet sich daher auf einen anderen, möglichst festen Ort für das Format. Aber noch ist der nächste Haushaltsplan nicht aufgestellt.

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