Demnas letzte Show für Balenciaga in Paris | ABC-Z

Wenn einer Demna sagte, musste er auch Balenciaga sagen, so untrennbar waren der Designer und das Modehaus verbunden. In seinem Jahrzehnt dort hat Demna Gvasalia die Modewelt auf den Kopf gestellt, hat sich der Mann in Hoodie und Baseball-Kappe über diese Welt lustig gemacht. Wenn er übergroße Sneaker entwarf, Models Ikea-Shopper über die Schultern hängte oder den ohnehin hässlichen Crocs Absätze verpasste. Zehn Jahre lang stellte er anhand seiner Entwürfe infrage, was Schönheit bedeutet – womit er zahlreiche Fans für sich gewann und viele Kritiker erzürnte. All das spielte sich auch und vor allem im Internet ab, das wenige so geschickt für sich zu nutzen wissen. Irgendwann reichte es, Demna zu sagen und seinen Nachnamen wegzulassen.
Diese Ära endete am Mittwoch während der Haute-Couture-Woche in Paris mit seiner letzten Schau. Dafür studierte der Designer, der sich immer wieder mit Themen wie Freiheit, Unterdrückung und Macht beschäftigt, „La Bourgeoisie“. Neun Anzüge ohne Schulterpolster gehören zur Kollektion, die ursprünglich einem Bodybuilder auf den Leib geschneidert wurden, später dann an Models präsentiert wurden. Glamouröse Abendkleider, die an die goldenen Zeiten Hollywoods erinnerten, wobei Kim Kardashian als Model im Fake-Fur-Mantel versuchte, Elizabeth Taylor zu imitieren.
Immer wieder waren Referenzen zu früheren Demna-Kollektionen zu sehen. Auch an Cristóbal Balenciagas Silhouetten und Formen habe er sich orientiert, schrieb er über seine Kollektion. Durch dessen frühere Wohnung schickte Demna seine Models über den Laufsteg, darunter auch seine Langzeitmuse Isabelle Huppert, die einen schwarzen Hosenanzug samt langem Rollkragen trug. Eine letzte Ode an Balenciaga, aber auch an Paris, bevor der Designer nach Mailand zieht, um seine Karriere bei Gucci fortzusetzen. Seine Fußstapfen wiederum wird künftig Pierpaolo Piccioli füllen, der zuvor für Valentino tätig war.
Von mittelalterlicher flämischer Architektur inspiriert
Mit Willkommen und Abschied in Paris fing es schon am Sonntag vor der Couture-Woche an. Als Nachfolger von Hedi Slimane präsentierte Michael Rider seine Debütkollektion für Celine im Hauptquartier an der Rue Vivienne – und überzeugte die meisten Kritiker. Der amerikanische Designer, der zuvor für Polo Ralph Lauren tätig war, zeigte seine Interpretation der Celine-T-Shirts mit zum Teil plakativen Schriftzügen, bestickte Jeans, Bundfaltenhosen, Polohemden, die bis zu den Knien reichen, Oversized-Pullover und Ledertaschen in Übergröße. Auch hat er ein bisschen Preppy-Stil von Ralph Lauren nach Paris importiert. Celine, bekannt für Minimalismus, bekennt nun auch Farbe.
Gespannt erwartet wurde Glenn Martens’ Debüt für Maison Margiela. Denn auch der belgische Designer folgt auf einen großen Vorgänger, John Galliano. Einer Kunstinstallation glich der Keller des Kulturzentrums Le Centquatre im 19. Arrondissement, dessen Wände mit zerknitterten Papiercollagen überzogen waren. Seine Kollektion ist von mittelalterlicher flämischer Architektur inspiriert: Opulente Kleider aus metallisch glänzendem Stoff, aus Federn und Organza dominieren die 49 Entwürfe sowie ein Spiel mit Formen und Silhouetten, das die Models Skulpturen gleichen ließ.

Immer wieder griff Martens ein Element auf, das einst der junge Martin Margiela gezeigt hatte: die Maske, aus Metall, Kristallen oder auch halbdurchsichtigem und Federn gleichendem Organza-Stoff. Eine kleine Erinnerung an den Designer Margiela, das gesichtslose Phantom, dem der Wirbel um seine Person lästig war und der lieber seine Entwürfe für sich sprechen ließ. Auch der erste gezeigte Entwurf, ein schulterfreies Kleid aus durchsichtigem Plastik, ist als Hommage an den Gründer des Hauses zu verstehen, der wie Martens an der Koninklijke Academie voor Schone Kunsten van Antwerpen studierte.
Auf unbekanntem Terrain bewegt sich Martens nicht: Als Kreativdirektor für Diesel arbeitete er schon zuvor für die italienische OTB-Gruppe, zu der auch Margiela gehört. Während dieser Zeit schaffte er es auch mithilfe des Y2K-Trends, das Label Diesel bei der jungen Zielgruppe beliebt zu machen – etwa mit der handlichen 1DR-Tasche, die sich die Generation Z um den Körper schwingt. Ganz in deren Sinne war auch das Meer aus Luftballons, das auf die Gäste nach der Schau wartete. Nicht in Weiß, der Margiela-Farbe, sondern in allen Farben des Regenbogens.
Giorgio Armani hat alles per Video beaufsichtigt
Fast vollkommen in Schwarz präsentierten sich hingegen Viktor & Rolf. Die Kollektion mit dem Titel „Angry Birds“ zeigte 15 Paare schwarzer Kleider – jeweils eines aufgeplustert und mit Federn, eines ohne den üppigen Futterstoff und Federbesatz. Auch auf den Köpfen trugen die Models Federn, zu Kronen und Hüten geformt. Die Niederländer Viktor Horsting und Rolf Snoeren taten sich dafür mit dem Hutmacher Stephen Jones zusammen.

Auch Daniel Roseberry zeigte für Schiaparelli eine überwiegend in Schwarz gehaltene Kollektion. Die wenigen roten Entwürfe stachen nicht nur wegen ihrer Farbe hervor: Bei einem bodenlangen Trompe-l’Œil-Abendkleid wird erst auf den zweiten Blick sichtbar, wo vorne und wo hinten ist; an der Kette hängt ein mechanisch pulsierendes Herz, das mit funkelnden Steinen besetzt ist. Der Surrealistin Elsa Schiaparelli hätte es gefallen.
Iris van Herpen steht zwar weiterhin an der kreativen Spitze ihres Modehauses, neu war allerdings der Stoff, dem sie sich für ihre Couture-Schau „Sympoiesis“ erstmals widmete: Mithilfe des Biodesigners Christopher Bellamy entwickelte sie ein Material, in dem biofluoreszierende Algen stecken. Herausgekommen ist ein Kleid, das durch die lebenden Mikroorganismen auf Bewegung und Wärme seiner Trägerin reagiert und leuchtet. Mit ihrer Kollektion drückt van Herpen ihre Liebe zum Ozean aus. Eröffnet wurde ihre Schau von einer Performance, die von Loie Fullers „Serpentine Dance“ inspiriert wurde. Um alle Sinne anzusprechen, beauftragte die niederländische Designerin zudem den Parfümeur Francis Kurkdjian, der den während der Schau versprühten Duft kreierte.
Bei Giorgio Armani Privé dominierte neben dunklen Blautönen vor allem Schwarz die Kollektion für Herbst und Winter 2025, zu sehen waren etwa Zigarettenhosen aus Samt, Smokings und glitzernde Details; Blazer mit spitzen Schultern wurden mit großen Schleifen versehen. Großes Thema aber vor allem: Zum ersten Mal in den 20 Jahren seiner Couture-Linie Privé war Giorgio Armani nicht anwesend. Schon im vergangenen Monat war der Designer aus gesundheitlichen Gründen nicht auf seinen Schauen in Mailand zugegen. Der Designer, der am Freitag 91 Jahre alt wurde, versicherte aber per Mail: „Auch wenn ich nicht in Paris war, habe ich sämtliche Aspekte per Video beaufsichtigt, von den Fittings über den Ablauf bis hin zum Make-up.“ Seine Ärzte hätten ihm empfohlen, sich weiter zu schonen. Er hingegen habe sich für das Reisen bereit gefühlt.
Der Modemacher hatte sich am Donnerstag auch mit einer Zeitungsanzeige in mehreren italienischen Tageszeitungen zurückgemeldet – und eine Rückkehr im September angekündigt. „Es war nicht leicht für mich, Ihren Applaus nicht live zu hören“, hieß es in der Anzeige. In den vergangenen Wochen habe er „die Umarmung derer gespürt, die an mich gedacht haben“. Ausdrücklich bedankte er sich auch für die „Zuneigung der Presse“. Er schloss mit den Worten: „Vielen Dank. Wir sehen uns im September.“