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Energiewende in Grafrath: Bürgerentscheid zu Solaranlage in Mauern – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Anno 2000 beschloss der Kreistag von Fürstenfeldbruck, bis zum Jahr 2030 mögen sich der Landkreis und seine Bewohner komplett aus umweltfreundlichen Energien versorgen. Die eine Hälfte des Bedarfs sollten Sonne, Wind oder Biogas liefern, die andere sollte eingespart werden, so damals der Plan. Statt darüber nachzudenken, wie das bei Zuzug und Wirtschaftswachstum funktionieren soll, schmückten sich die Kommunalpolitiker fortan mit dem Prädikat Musterlandkreis.

Während einige CSU-Bürgermeister den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützten, trotzte ein Teil der Basis. Der Ortsverband Grafrath agitierte 2013 gegen Windräder im Gebiet der Gemeinde sowie im Raum Etterschlag, Wörthsee und Inning im Nachbarlandkreis Starnberg. Die CSU-Gemeinderäte wiesen auf wertvolle Vogel-, Landschafts-, Naturschutz- und Wasserschutzgebiete hin, die gefährdet würden.

Nun will der Landkreis bis 2040 klimaneutral werden. Vor einigen Wochen wurde dazu ein neuer Plan vorgestellt: Demnach sollten Solaranlagen auf 160 Hektar Freiflächen und 26 000 Einfamilienhäusern sowie 42 Windräder installiert werden. Der Landkreis sollte eine Biotonne einführen, dazu müssten Gebäuden saniert, Geothermie angezapft sowie der Energieverbrauch geschrumpft werden.

Mit dem Konflikt um die Solaranlage steht das Örtchen Mauern derzeit als Beispiel für das Dilemma der Energiewende. (Foto: Voxbrunner Carmen)

Wie schwierig das wird, zeigt der aktuelle Konflikt im beschaulichen Mauern. Dort will der CSU-Gemeinderat und Landwirt Max Riepl-Bauer eine Photovoltaikanlage errichten, ursprünglich auf Feldern von insgesamt 33 Hektar zu beiden Seiten der Zufahrtsstraße von Grafrath im Landschaftsschutzgebiet. Das Landratsamt würde für solche Vorhaben „nur in eng begrenzten Fällen“ eine Befreiung erteilen, sagt indes Behördensprecher Sebastian Öl. Aufgrund der Größe und Lage sowie dem „erheblichen Eingriff in die Natur“ könne eine solche in dem Fall nicht erteilt werden.

Daraufhin hat der Eigentümer das Projekt reduziert. Nun soll die Anlage am Waldrand südlich der Straße auf 25 Hektar entstehen. Solar-Paneele würden auf maximal zwölf Hektar aufgestellt, sie sollen bis zu 20 Megawatt Solarstrom liefern, sagt Riepl-Bauer.

Gleichwohl gibt es Unmut. Bürgermeister Markus Kennerknecht (parteifrei) berichtet von etwa 300 Einwendungen, von denen 50 bis 60 positiv seien. Eine Bürgerinitiative will den Bau verhindern. Ihr Sprecher Thorsten Liebold versichert, dass die Gruppe prinzipiell für die Energiewende und Freiflächenanlagen sei. Er moniert jedoch die Platzierung im Landschaftsschutzgebiet, die immer noch beträchtliche Größe und die ungewöhnliche Höhe von 3,80 Meter. Auch das Landratsamt empfiehlt, die Höhe zu reduzieren, um den Eingriff in das Landschaftsbild zu minimieren.

Der Landwirt und CSU-Gemeinderat Max Riepl-Bauer hat mit seinen Plänen für eine Freiflächen-PV-Anlage einen Streit ausgelöst.
Der Landwirt und CSU-Gemeinderat Max Riepl-Bauer hat mit seinen Plänen für eine Freiflächen-PV-Anlage einen Streit ausgelöst. (Foto: Leonhard Simon)

Obendrein sei die Anlage an einer Stelle nur 50 Meter von der Wohnbebauung entfernt, sagt der BI-Sprecher. „Wir finden, der Eigentümer sollte nicht im Schutzgebiet bauen, sondern auf einem seiner vielen anderen Grundstücke, am besten im Südosten von Mauern, direkt neben seinem Betrieb.“ Riepl-Bauer weist darauf hin, dass überall rund um das Dorf Landschaftsschutzgebiet ist. „Nach dem Gutachten der Gemeinde ist das die beste Fläche“, sagt er zum anvisierten Standort.

Die Brucker Gruppe von Fridays for Future wirbt für den Bau, ebenso der Bürgermeister und fast alle Fraktionen im Gemeinderat, bis auf die Bürger für Grafrath (BfG), eine ökologisch orientierte Gruppe. „Eine so hohe Anlage gibt es bislang nicht im Landkreis, das ist überzogen“, argumentiert BfG-Gemeinderat Hartwig Hagenguth. Die BfG sei zwar für eine Freiflächenanlage, betont er, aber auf maximal 20 Hektar. Außerdem müsse ein Feldweg zugänglich bleiben, der von vielen benutzt werde.

Das Sondergebiet bei Mauern zeigt die Fläche, auf der die PV-Anlage nach aktuellen, modifizierten Plänen entstehen soll.
Das Sondergebiet bei Mauern zeigt die Fläche, auf der die PV-Anlage nach aktuellen, modifizierten Plänen entstehen soll. (Foto: C.Altmannshofer)

Der Feldweg soll bleiben oder als Grasweg rund um die Anlage herumführen, sagt Riepl-Bauer. Den Vorwurf der Übergröße weist er zurück. Die Bauleitplanung sehe maximal 3,80 Meter vor, er plane mit 3,30 Meter, die Höhe sei notwendig, um ausreichende Erträge zu erzielen und 3,50 Meter seien durchaus üblich. Der Boden werde nicht versiegelt, zwischen den Paneelen sei viel Abstand, die Fläche werde mit Sträuchern und Blühpflanzen als Lebensraum für Säugetiere, Vögel und Insekten dienen.

Der Energieexperte des bayerischen Bauernverbandes ist aus anderen Gründen skeptisch. Christian Bürger warnt vor einem Überangebot an Solarstrom. Manche Betreiber hätten schon bis zu 30 Prozent weniger Einnahmen; deshalb müsse jetzt der Netzausbau Priorität haben. „Je mehr Anlagen entstehen, desto schlimmer wird es“, warnt Bürger. Außerdem liefen Landwirte Gefahr, dass sie ihre Wiese nach einem Rückbau nicht mehr bewirtschaften können, wenn dort Ausgleichsflächen und Biotope entstanden sind.

Um den Streit zu entscheiden, hat der Gemeinderat auf Antrag der CSU-Fraktion ein Ratsbegehren beschlossen. Man wolle Klarheit darüber, ob das Projekt von einer Mehrheit befürwortet wird, äußerte der CSU-Vorsitzende Gerald Kurz unlängst auf einer Versammlung der Gemeinde. Schriftliche Fragen der SZ zum Projekt beantwortete der Energiereferent des Gemeinderats nicht – auch nicht die, warum die CSU seinerzeit keine Windräder im Landschaftsschutzgebiet mochte, jetzt aber ein großes Solarfeld befürwortet.

Die Grünen verweisen wie Fridays for Future auf die Dringlichkeit der Energiewende. „Es wäre schöner, wenn die Anlage kleiner wäre, aber wir sind nicht mehr in der Lage, in der es darum geht, was schöner ist“, sagt Monika Glammert-Zwölfer, die Klimaschutzreferentin im Gemeinderat. Dem Ratsbegehren haben die Grünen deshalb zugestimmt, allerdings ist Glammert-Zwölfer von dieser Idee der CSU nicht gerade begeistert. Sie fände es besser, die Partei würde sich positionieren, statt so zu tun, als wolle man bloß machen, was der Bürger will. „Wir sind auf jeden Fall dafür“, betont sie.

Der Bürgerentscheid am kommenden Sonntag, 13. Juli, ist für manche Einwohner auch so etwas wie die Wahl zwischen Klima- und Landschaftsschutz.

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