Union will Wahl von SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf verhindern | ABC-Z

Berlin. Frauke Brosius-Gersdorf soll heute ins Bundesverfassungsgericht gewählt werden. Doch die Kritik hält an – und die CDU fordert Konsequenzen.
Der Streit innerhalb der schwarz-roten Koalition um die Besetzung der drei freien Richterposten am Bundesverfassungsgericht scheint zu eskalieren. Wie mehrere Medien, darunter der Tagesspiegel, übereinstimmend berichten, soll die Union die Wahl der umstrittenen SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf heute verhindern wollen. Geplant sei demnach, die Wahl von der Tagesordnung zu nehmen. Das habe Unionsfraktionschef Jens Spahn am Freitagmorgen in einer Sondersitzung seiner Fraktion erklärt.
Die Deutsche Presse-Agentur berichtet derweil, dass CDU und CSU dem Koalitionspartner SPD mit Enthaltung bei der Abstimmung drohe, sollte diese nicht von der Tagesordnung gestrichen werden.
Am heutigen Freitag sollte der Bundestag eigentlich drei neue Richterinnen und Richter in das Bundesverfassungsgericht wählen. Zwei Kandidatinnen, Brosius-Gersdorf und Ann-Kathrin Kaufhold, wurden von der SPD vorgeschlagen, der bisherige Richter am Bundesarbeitsgericht Günter Spinner von der Union.
Kritik an Brosius-Gersdorf: Das steckt dahinter
Brosius-Gersdorf steht als Kandidatin besonders in der Kritik, weil sie vor allem in konservativen Kreisen als „zu links“ gilt. So spricht sie sich für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen aus, nachdem sie 2024 Mitglied einer Regierungskommission zur Reform des Abtreibungsrechts war und in einem Kapitel zum „verfassungsrechtlichen Rahmen“ zu dem Schluss gekommen war, dass eine Entkriminalisierung rechtlich möglich sei. Zudem hatte sich Brosius-Gersdorf während der Corona-Pandemie für eine Impfpflicht ausgesprochen.
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Unterstützer sehen in der anhaltenden Kritik an der Kandidatin dagegen eine Versuch, eine liberale Richterin zu verhindern.
So läuft die Wahl der Bundesverfassungsrichter ab
Für die Wahl der Bundesverfassungsrichterinnen und -richter ist im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit nötig. Sollte sich die Union enthalten, wäre diese nicht zu erreichen. Probleme könnte es auch bei der Wahl von Günter Spinner geben. Denn Union, SPD und Grüne haben zusammen nicht genug Stimmen, um ihn ins Amt zu bringen. Da CDU und CSU Gespräche mit der Linken über eine Zusammenarbeit bei der Abstimmung ablehnen, könnte Spinner der erste Verfassungsrichter werden, der es nur mit Stimmen der AfD ins Amt schafft. Die in Teilen rechtsextreme Partei hat ihren Mitgliedern bereits empfohlen, für den Unionskandidaten zu stimmen.
Wenn die nötige Zweidrittelmehrheit für einen oder mehrere Kandidaten nicht zustande kommt, kann der Bundesrat entscheiden. Dieser darf sowieso über die Hälfte der Richter in jedem Senat des Bundesverfassungsgerichts entscheiden, es kämen dann in diesem Fall noch weitere hinzu. Dazu käme es aber erst am Ende eines längeren Verfahrens mit mehreren Stufen.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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Für die schwarz-rote Koalition wäre das blamabel, wenn sie so wichtige Entscheidungen aus der Hand geben muss. Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte dazu: „Ich hoffe, dass sich der Deutsche Bundestag als entscheidungsfähig erweist.“ Nun scheint allerdings seine eigene Fraktion, die Wahl von Brosius-Gersdorf verhindern zu wollen. Gemunkelt wird, dass man sich bei der Union nicht sicher war, ob man innerhalb der eigenen Abgeordneten genügend Stimmen für die Kandidatin bekomme. Statt die Wahl scheitern zu lassen, wolle man sie nun lieber ganz von der Tagesordnung streichen.