Erding wird “Konzentrationsgericht” für Abschiebeverfahren – Erding | ABC-Z

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich will zum 1. September die gerichtlichen Zuständigkeiten für Freiheitsentzug nach dem Aufenthaltsgesetz bündeln. Bislang ist jedes der 73 Amtsgerichte in Bayern für Abschiebehaft, Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft zuständig, künftig sind es nur noch neun: Hof, Passau, Kempten, Ingolstadt, Rosenheim, Laufen, Weiden, Cham – und Erding. Eisenreich will die Verfahren dadurch beschleunigen.
Die bayerischen Amtsgerichte hatten allein im vergangenen Jahr 3821 Verfahren in sogenannten Freiheitsentziehungen nach dem Aufenthaltsgesetz zu bewältigen. Die Bündelung soll die Abstimmung mit den zuständigen Stellen der Landes- und Bundespolizei sowie der Ausländerbehörden erleichtern.
Nach Auskunft des Justizministeriums hat es in den meisten Amtsgerichten nur wenige derartige Verfahren gegeben, sodass dort wegen fehlender Routine keine Spezialisierung möglich gewesen sei. Für die dortigen Richter bedeute dies stets einen sehr hohen Extraaufwand. An 42 von den bisher 73 Gerichten habe es lediglich zehn oder weniger Verfahren pro Jahr gegeben. Künftig soll es nun „Konzentrationsgerichte“ für Abschiebeverfahren geben, wie es die scheidende Direktorin des Amtsgerichts Erding, Ingrid Kaps, bezeichnete. Ein üblicher Terminus in der Justiz.
Kriterien für die Auswahl der neun Amtsgerichte waren die Nähe zu den Standorten der Abschiebehafteinrichtungen in Hof, Eichstätt und am Flughafen München sowie künftig in Passau, die Grenznähe und die Zahl der Freiheitsentziehungsverfahren nach dem Aufenthaltsgesetz.
Erding gilt, insbesondere durch die Nähe zum Flughafen, als routiniertes Amtsgericht. Im Jahr 2023 wurden dort 285 Verfahren bearbeitet, 2024 waren es 114 Fälle. Das Gefängnis hinter dem Amtsgericht an der Münchner Straße wurde von Februar 2018 bis Sommer 2023 sogar in eine Einrichtung für Abschiebehaft umgewandelt. Seither ist sie mit ihren 24 Haftplätzen wieder eine übliche Justizvollzugsanstalt, und das soll sie auch bleiben: Eine erneute Umwandlung sei nicht geplant, teilte das Justizministerium auf Anfrage mit, es stünden ausreichend Abschiebehaftplätze in Eichstätt und Hof zur Verfügung.
Überraschend ist die Entscheidung zugunsten Erdings allerdings aus einer anderen Perspektive. Denn das Amtsgericht gilt seit Jahren als überlastet. Neben den üblichen Aufgaben eines Amtsgerichts ist Erding zuständig für Fluggastverfahren. 2023 wurden knapp 11 000 Fälle in Bezug auf Fluggastrechte in Erding gemeldet. Generell hat sich nach Angaben des Amtsgerichts eine Tendenz zum massenhaften Einreichen von Kleinstforderungen beispielsweise bei verspäteten Flügen entwickelt. Fluggäste können ihre Rechte mittlerweile online über verschiedene Dienstleister per Mausklicks einklagen. Viele Kanzleien haben sich darauf spezialisiert und reichen Sammelklagen ein.
Eine Aufstockung des Personals ist vorgesehen. Allerdings nur um eine halbe Stelle
Die Justiz hatte daher beim Amtsgericht Erding im zweiten Halbjahr 2024 eine Software zur Unterstützung in Fluggastrechteverfahren getestet. Legal Tech und KI sollten zur Verbesserung der Abläufe und zur Unterstützung der Gerichte und Staatsanwaltschaften führen. Die Software wird aktuell an ein KI-System angebunden, um die Datenverarbeitung zu verbessern. Im vierten Quartal 2025 wird voraussichtlich eine erneute Erprobung am Amtsgericht Erding erfolgen, kündigte das Justizministerium an. Die KI darf die Richter aber lediglich unterstützen, die Entscheidung muss immer ein Mensch treffen.
Aber auch wenn eine KI künftig bei den Fluggastverfahren zur Unterstützung eingesetzt wird, wird die Arbeitsbelastung durch die Abschiebeverfahren steigen. Immerhin kommen von 1. September an alle Fälle aus den Amtsgerichtsbezirken Dachau, Ebersberg, Freising, Fürstenfeldbruck, Landshut und Starnberg hinzu. Eine personelle Aufstockung des Amtsgerichts Erding ist geplant, allerdings nur um eine halbe Stelle. „Sollte sich weiterer personeller Mehrbedarf am Amtsgericht Erding ergeben, wird eine zusätzliche Verstärkung erfolgen“, teilt das Justizministerium mit.