Mbappé trifft auf PSG: Höhepunkt einer langen, schmutzigen Eskalation – Sport | ABC-Z

Die Vendetta ist ein Gericht, das dem Sprichwort zufolge kalt serviert wird. Doch wenn die Vorhersagen der US-Meteorologen stimmen, dürfte es am Mittwochnachmittag nicht so einfach werden, in East Rutherford, New Jersey, kühl zu bleiben. Paris Saint-Germain und Real Madrid treffen im Halbfinale der Klub-WM aufeinander, bei mehr als 30 Grad Celsius und im Zeichen der Rachegelüste.
PSG und Real sind zwei Vereine, die seit Jahren über Kreuz liegen. Nicht nur, aber vor allem wegen eines Mannes, der sich am Samstag mit einem Traumtor gegen Borussia Dortmund zurückmeldete: Kylian Mbappé, 26, einst Stürmer im Dienste der Katar-Niederlassung PSG und nunmehr Angestellter der spanischen Variante eines Staatsklubs, Real Madrid.
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Gut ein Jahr ist es her, dass Mbappé in der spanischen Hauptstadt vorgestellt wurde; es ist nun das erste Mal, dass der beste Torschütze der PSG-Geschichte (256 Treffer in 308 Partien) seinem „Ex“ begegnet. Das allein würde der Partie hinreichend „Morbo“ verleihen, um das Wort zu bemühen, das die spanischen Medien seit Tagen nutzen, weil sie einem Duell entgegenfiebern, das morbide Faszination auslöst.
Mbappé, Weltmeister von 2018, war für die Dauer von sechs Spielzeiten bei PSG; doch just im Jahr nach seinem Abschied schaffte es der Klub erstmals in seiner Geschichte, die Champions League zu gewinnen. Mit Ansage: Trainer Luis Enrique hatte schon vor Jahresfrist gesagt, dass PSG ohne Mbappé stärker sein würde als mit ihm. Doch das ist nur die sportliche Verzweigung der Trennung Mbappés von PSG. Andere führen bis in französische Gerichtssäle.
Mobbing? Erpressung? Diese Klage hat Mbappé wieder zurückgezogen
Vor wenigen Monaten verklagte Mbappé seinen früheren Klub in Paris auf die Zahlung von 55 Millionen Euro, PSG sei ihm Salär und Prämien schuldig geblieben. Am Dienstag bestätigte ein Sprecher Mbappés, dass der Fußballer eine parallel eingereichte Klage wegen angeblichem Mobbing und ebenso angeblicher Erpressung gegen PSG zurückgezogen habe. „Diese Entscheidung spiegelt den Wunsch nach einer Deeskalation wider“, teilte der Sprecher mit. „In den vergangenen Wochen haben sich die Beziehungen zwischen Kylian Mbappé und dem Klubpräsidenten (Nasser al-Khelaïfi; d. Red.) signifikant verbessert.“
Der Zwist, der die Partie überschattet, hat seinen Ursprung im langen Flirt Mbappés mit seinem erklärten Traumklub Real Madrid während seines Paris-Engagements. Er wurde dadurch befeuert, dass sich Real Madrid und PSG zu Antagonisten auf der europäischen Fußballbühne entwickelten. Als Real Madrids Präsident Florentino Pérez im Jahre 2021 die Gründung einer europäischen Super League verkündete, stellte sich al-Khelaïfi auf die Seite der europäischen Fußballunion Uefa. Der PSG-Boss half also tatkräftig dabei mit, Pérez’ Super League in einen Zombie zu verwandeln; die Champions League der Uefa behauptete sich. Doch das war nicht der einzige Faktor, der 2021 für Schlagzeilen sorgte.
2021 war auch das Jahr, in dem Real Madrid ungewöhnlich offen bestätigte, für Mbappé das höchste Gebot abgegeben zu haben, das der Klub je für einen Spieler unterbreitete: 200 Millionen Euro. Eine Antwort auf die Offerte erhielt Real nie – wobei es bei PSG heißt, dass eine belastbare Offerte nie eingegangen und Reals angebliches Angebot bloß ein pyrotechnisches Werk für die Presse gewesen sei, niemals ernst gemeint.
Es soll eine Nebenabsprache gegeben haben, wonach Mbappé PSG zusicherte, den Verein keinesfalls ablösefrei zu verlassen
Und hernach wurde es in der kuriosen Dreiecksbeziehung dann noch komplizierter. Denn die Kontakte zwischen Mbappé und Madrid rissen nie ab. Schon im Folgejahr kokettierte Mbappé mit dem Weißen Haus in Madrid; bis in den Mai des Jahres 2022 hinein. Aber dann stieß er die Madrilenen vor den Kopf. Er tauchte im Pariser Prinzenparkstadion an der Seite von PSG-Boss al-Khelaïfi auf und verkündete seine Vertragsverlängerung. Al-Khelaïfi brachte ein Trikot mit, das mit der aktuellen Jahreszahl beflockt war: „2025“. Das war nicht ganz gelogen, aber auch nicht ganz korrekt. Denn der Vertrag umfasste zwei Jahre, bis 2024, sowie eine Option auf ein drittes. Und: Es soll eine Nebenabsprache gegeben haben, wonach Mbappé PSG zusicherte, den Verein keinesfalls ablösefrei verlassen zu wollen. PSG hatte 2017 für Mbappé immerhin eine Ablöse von insgesamt 180 Millionen Euro an die AS Monaco gezahlt. Klar, dass man nun nicht daran dachte, ihn weiterzuverschenken.
Doch wiederum ein Jahr später, 2023, teilte Mbappé öffentlich mit, dass er das optionale dritte Vertragsjahr in Paris nicht wahrnehmen würde, PSG also im Sommer 2024 verlassen würde. Nach Madrid? Endlich? Dort war der Boss Pérez zwar über Mbappés vorherige Vertragsverlängerung beleidigt, doch der Franzose blieb in seiner Eigenschaft als mutmaßlich bester Fußballer der Welt interessant. In Paris aber folgte die nächste Eskalationsstufe. PSG fühlte sich hintergangen, fürchtete einen ablösefreien, sprich: verlustreichen Abgang – und schloss Mbappé vom Sommertrainingslager in Asien aus. Im ersten Saisonspiel stand er nicht im Kader. Erst nach einem Krisengipfel im August wurde der verschmähte Mbappé rehabilitiert.
Gemäß der Version von PSG habe Mbappé damals zugesichert, dem Verein noch Geld in die Kasse spülen zu wollen. Im Februar 2024 aber erneuerte er, nun schriftlich, seine Absicht, bei PSG ausscheiden zu wollen. Das bedeutete, dass PSG tatsächlich keine Ablöse erhielt – und Mbappé von Real mit einem stattlichen Handgeld belohnt wurde.
PSG reagierte durch die Einstellung von Zahlungen an den Kapitän der französischen Nationalelf. Mbappé wandte sich an Frankreichs Ligaverband, an das Olympische Komitee, an das französische Sportministerium, an die Uefa, schließlich an die Justiz – und erreichte sogar, dass zeitweise 55 Millionen Euro auf den Konten von PSG eingefroren wurden. PSG wiederum steht auf dem Standpunkt, dass Mbappé ausdrücklich auf dieses Geld verzichtet habe. Und argumentiert überdies, dass dem Verein durch Mbappé ein Schaden entstand, weil er sich nicht rechtzeitig um einen Ersatz kümmern konnte. Mbappé wiederum musste – Zufall? – Ende 2024 obskure Vergewaltigungsvorwürfe ertragen, die sich später als komplett haltlos erwiesen. Mbappé selbst deutete damals an, dass es da einen Zusammenhang geben könnte zwischen dem Streit mit PSG und dem offenkundigen Versuch, ihm in der Öffentlichkeit schwer zu schaden.

:Schwedische Justiz entlastet Mbappé
Die Stockholmer Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen Kylian Mbappé wegen angeblicher sexueller Nötigung und Vergewaltigung aufgrund mangelnder Beweise ein. Es ist das Ende einer Affäre, die Frankreich wochenlang beschäftigte.
Die sportliche Ironie der Geschichte: PSG triumphierte national und auf kontinentaler Ebene ohne Mbappé, während der Stürmer in Madrid zwar Torschützenkönig wurde, aber ohne Titel blieb. In Madrid wird von Eifersüchteleien zwischen Mbappé und Vinícius Júnior geraunt; beide bearbeiten als Spieler von Haus aus ein ähnliches Habitat. In Paris wiederum trat Luis Enrique auf den Plan: Der Trainer, der seit seinem Wechsel von Real nach Barcelona 1996 in Madrid verhasst ist, hat den Stürmer Ousmane Dembélé zu einem Kandidaten auf den Ballon d’Or geformt – den Preis für den weltweit besten Fußballer des Jahres, dem Mbappé bislang erfolglos nachjagt.
Auch in diesem Jahr dürfte Mbappé den „Goldenen Ball“ nicht gewinnen, die Klub-WM wird daran nichts ändern. Zumal sie für Mbappé unter einem ungünstigen Stern begann. Kurz nach der Anreise legte ihn eine mysteriöse Gastroenteritis flach; vorsichtshalber wurde er von Reals Ärzten in Florida zur Beobachtung für ein paar Stunden in ein Krankenhaus gebracht. In der Gruppenphase des Turniers blieb er ohne Einsatz, derweil sein Ersatzmann, das Real-Eigengewächs Gonzalo, gleich vier Treffer erzielte. Im Viertelfinale gegen Borussia Dortmund aber schlug Mbappé als Einwechselspieler zu – und erzielte per Seitfallzieher beim 3:2-Sieg das zwischenzeitliche 3:1.
Die Frage ist nun, ob er gegen PSG in der Startelf steht. Und ob dieses Fußballjahr dann doch noch einen Pokal für ihn bereithält. Für ein gutes Omen sorgte schon mal die Fifa: Sie setzte für das Halbfinale in East Rutherford bei New York den Polen Szymon Marciniak als Schiedsrichter an, der sich in seiner Karriere schon ein paar Irrtümer geleistet hat, die Real Madrid in die Karten spielten.