Berlin

Umstrittene Bürotürme in Kreuzberg: Nichts ist im grünen Bereich | ABC-Z

Berlin taz | Bauen, bauen, bauen, egal was, egal wo: Wenn es nach dem schwarz-roten Senat geht, gilt das auch für den beliebten Gleisdreieck-Park in Kreuzberg. Auf einem Gelände nahe des U-Bahnhofs Gleisdreiecks droht das Großbauprojekt „Urbane Mitte“. Die Rede ist von voraussichtlich sieben Bürohochhäusern, die bis zu 90 Meter in den Himmel ragen werden.

Die Planungen für das Bauvorhaben gehen munter voran. Am Dienstag hat der schwarz-rote-Senat den Bebauungsplan für das südliche Teilstück der „Urbanen Mitte“ beschlossen. Dieser muss nun noch dem Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vorgelegt werden. Anders sieht es bei der nördlichen Fläche aus. Die ist an den Bau der neuen S-Bahn-Linie 21 gekoppelt. Ein Teil der Gebäude könnte – Stand jetzt – auf deren zukünftiger Trasse entstehen. Die genaue Trassenführung ist noch unklar. Der Senat will trotzdem schon mal planen lassen.

Wenngleich weder für das Süd- noch das Nordareal zeitnah mit einem Spatenstich zu rechnen ist, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dafür gesorgt, dass die Hoheit über die Planung nun bei ihr liegt – und kurzerhand den eigentlich zuständigen Grünen-dominierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg komplett entmachtet.

Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) scheint sich in der Hinsicht auf den Bezirk eingeschossen zu haben. Auch bei einem Hochhausprojekt an der Warschauer Straße hat Gaeblers Haus im April kurzen Prozess gemacht und Friedrichshain-Kreuzberg die Planungshoheit entzogen. Dazu passt auch, wie die Senatsverwaltung jüngst Bedenken des Bezirks gegen einen Hotelneubau am Ostkreuz direkt neben dem Techno-Club About Blank wegignoriert hat.

Ak­ti­vis­t:in­nen warnen vor Zerstörung des Parks

Im Fall der „Urbanen Mitte“ preist der Senat die „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung“ des Projekts. Von wegen, heißt es von der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck. Die Realisierung des Projektes würde die Zerstörung des Gleisdreieck-Parks bedeuten. „Die eigentliche ‚Urbane Mitte‘ ist der Park“, sagt Norbert Rheinländer, der Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft.

Tatsächlich wurde der Park im städtebaulichen Rahmenvertrag von 2005, auf der auch die „Urbane Mitte“ basiert, als ökologische Ausgleichsfläche für die Bebauung des Potsdamer und Leipziger Platzes festgelegt.

Zugleich wurden hier aber auch vier Flächen für Bauzwecke ausgewiesen – eine davon ist die „Urbane Mitte“. Dass darauf jedoch Hochhäuser wachsen sollen, ist für Norbert Rheinländer aus verschiedenen Gründen nicht hinnehmbar.

Nicht nur überschreite der Bebauungsentwurf die städtebaulich vereinbarte Baumasse – in Volumen und Höhe der Gebäude. Auch und gerade der Klima- und Umweltschutz werde, so Rheinländer auf einer öffentlichen Informationsveranstaltung in dieser Woche, von dem Bauvorhaben „überwälzt“. Für die Aufenthaltsqualität im Park bedeute das nichts Gutes: Verschattung und Hochhausfallwinde würden diese massiv verschlechtern.

Klage des Investors

Seit Jahren sammeln Rheinländers Bürgerinitiative und Mathias Bauer, Verfasser der Texte auf der Website „Gleisdreieck-Blog“, Belege, um das Bauvorhaben doch noch zu stoppen. Das brachte Rheinländer und Bauer im Februar schließlich eine Klage des luxemburgischen Investors hinter der „Urbanen Mitte“ vor dem Landgericht ein.

Bereits vor gut einem Jahr wurde die Aktionsgemeinschaft von dem Investor aufgefordert, bestimmte Formulierungen und Inhalte auf Infomaterialien, auf denen sie sich kritisch gegenüber dem Bauprojekt äußerten, zu unterlassen. Die Initiative weigerte sich. Sollte die Klage gegen Rheinländer und Bauer Erfolg haben, droht den beiden ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro – oder ersatzweise sechs Monate Haft.

Solche Drohungen werden offiziell als strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung („Strategic Lawsuits Against Public Participation“, kurz: SLAPP) bezeichnet, die an erster Stelle Jour­na­lis­t:in­nen und Ak­ti­vis­t:in­nen treffen. Dass es sich hierbei um besorgniserregende Eingriffe in die Meinungsfreiheit handelt, hat auch die EU erkannt und im vergangenen Jahr mit einer Anti-SLAPP-Richtlinie reagiert. Betroffene sollen künftig bei Gericht beantragen können, eine offensichtlich unbegründete Klage zum frühestmöglichen Zeitpunkt abzuweisen.

Rheinländer und Bauer können davon erst mal nicht Gebrauch machen, denn die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht kann bis zu zwei Jahre dauern. Doch einschüchtern lassen wollen sich die Aktivisten nicht – und haben detaillierte Erwiderungen vor Gericht eingereicht. Voraussichtlich im Herbst soll es zu einem Gerichtstermin kommen.

Back to top button