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Torstens Körners Film „Mädchen können kein Fußball spielen“ in der ARD | ABC-Z

Als am 10. November 1982 das erste offizielle Länderspiel der gerade gegründeten bundesdeutschen Frauen-Nationalmannschaft gegen die Schweiz stattfindet, titelt eine Boulevardzeitung: „Heißer Tanz in heißen Höschen“. Die Frauen tragen Trikots der männlichen A-Jugend, die Hosen immerhin wurden extra angefertigt. „Sexy“, kommentiert eine der Fußball-Pionierinnen von damals heute trocken. Und darum ging’s, so meinten die Sportjournalisten, die der Frauen-Nationaltrainer Gero Bisanz vor Spielbeginn aus der Umkleide drängen muss, filmisch festgehalten für die Nachwelt. „Sie gehen ja auch bei den Männern nicht in die Kabine und filmen, wenn die Männer sich umziehen.“

5100 Zuschauer sind im Stadion, um „ein bisschen was zum Lachen zu haben“, manche auch, um „ein richtig schönes Spiel zu sehen“. Das „heute journal“ kommentiert verwundert: „Kaum einer fiebert, kaum einer spricht darüber.“ Das wird sich bald ändern, aber es bleiben Männer, die in der Öffentlichkeit zu Wort kommen. Nach dem 5:1-Sieg der bundesdeutschen Frauen gegen die Schweizerinnen spricht Männer-Bundestrainer Jupp Derwall ins Mikrofon. „Sie waren nicht immer ein Freund des Damenfußballs, hat sich heute Ihre Einstellung geändert?“, wird er gefragt. Derwall redet zunächst nicht übers Sportliche, sondern über die „Wankelmütigkeit“ der Frau: „Nach Maxi kommt Mini.“ Jetzt ist er aber doch beeindruckt von der Konstanz der Entwicklung.

Zur Erinnerung: Wir schreiben die Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Zwischen 1955 und Herbst 1970 hatte der DFB den „Damen“-Fußball auf allen DFB-Plätzen gleich ganz verboten. „Der neueste Schlager im unaufhörlichen Ausverkauf holder Weiblichkeit“, so hieß es. „Mannweiber“, die „nicht richtig ticken“, setzten ihre „Gebärfähigkeit“ aufs Spiel. Die „fürsorglichen“ Funktionäre sahen sich genötigt, solcher unweiblicher Unvernunft einen Riegel vorzuschieben.

Hervorragend ausgewählt und entsprechend geschnitten

Fußballlegenden wie Bärbel Wohlleben erzählen in Torsten Körners Dokumentarfilm „Mädchen können kein Fußball spielen“ in der Retrospektive hochamüsant und damals bitterernst die Geschichte des Frauenfußballs in West- und in Ostdeutschland aus ihrer eigenen Perspektive. Wie in Körners früheren Filmen wie „Schwarze Adler“ (über schwarze Fußballspieler im deutschen Nationaltrikot) oder „Die Unbeugsamen“ (Porträts von Politikerinnen der Bonner Republik und ihr Kampf um Gleichberechtigung), steht auch hier der vorzügliche Umgang mit dem Archivmaterial mit im Mittelpunkt.

Hervorragend ausgewählt und entsprechend geschnitten (Ronald Rist), zeichnet „Mädchen können kein Fußball spielen“ die Geschichte des Frauenfußballs in beiden deutschen Staaten als hochpolitische Kultur- und Gesellschaftsgeschichte nach. Dabei gehört der Film sichtlich den Spielerinnen der ersten Stunde sowie der Spielerinnentrainerlegende Anne Trabant-Haarbach und Hannelore Ratzeburg, die sich als junge Frau durch die Gremien des DFB und der FIFA arbeitete.

Das ist eine dokumentarisch wohl­überlegte Entscheidung (Kamera Knut Schmitz). Während in der Öffentlichkeit Männer über Jahrzehnte die Sportlerinnen lächerlich machten, herabwürdigten und bestenfalls nicht sportlich ernst nahmen, spielten sie unbeirrt Fußball, standen für sie Leistung und Spielfreude im Zentrum. An ihrem Kampf um Gleichberechtigung, während in den Fünfzigern Männer auf den Rängen feixten und in den Siebzigern Sexismus pur den Sport begleitete, lässt sich der gesellschaftliche Zustand der Zeit ablesen. Und auch wenn in der DDR der Frauenfußball nicht verboten war, gab es keine den Männern entsprechende Förderung und statt der Meisterschaft eine verschämte „Besten-Ermittlung“. Übermäßige Konkurrenz liege den Frauen ja nicht.

Haben wir es wirklich weitergebracht? Auch wenn Torsten Körners Film durchweg unterhaltsam ist und voller aufgespießter Kuriositäten steckt, bleibt ein mulmiger Eindruck. Das EM-Halbfinale 1989 gegen Italien in Siegen zeigt der Film nervenzerreißend spannend, von den damaligen Heldinnen in eigenen Worten selbst wiederbelebt (Körner hat zum Thema auch ein Buch mit dem Titel „Wir waren Heldinnen“ veröffentlicht). Es ist das erste Spiel der Frauen, das live im Fernsehen übertragen wird. Die Stimmung im Stadion ist sensationell. Die „Tagesschau“ wird verschoben, wegen Elfmeterschießen. Marion Isbert, die deutsche Torhüterin, die drei Elfmeter hält und selbst einen Strafstoß verwandelt, lässt heute das sportliche Gefühl ahnen, genauso wie die Bodenhaftung der damaligen Elf.

Sie hätten „hammergut Werbung gemacht fürs Endspiel“. Das Deutschland schließlich auch noch gewinnt. Als Prämie bekommen die Frauen je zwei Pakete ins Haus geliefert. Drinnen ein Kaffeeservice von Villeroy & Boch. Zweite Wahl, also mit kleinen Defekten, wie sich die EM-Siegerinnen von 1989 im Film erinnern. Vielen Dank für nichts. Neben Anne Trabant-Haarbach sind Doreen Meier, Bärbel Wohlleben, Christa Kleinhans, Petra Landers, Marion Isbert, Birgit Dahlke, Hannelore Ratzeburg, Sabine Seidel und Heidi Vater Körners Zeitzeuginnen. Das Patriarchat auf dem Platz haben sie besiegt, bis zur vollständigen Gleichstellung ist es aber vor allem in finanzieller Hinsicht noch weit. Mehr Begeisterung für den Sport und eine bessere Werbung für die aktuelle EM, die den DFB-Frauen zum Auftakt wieder den Gegner Schweiz beschert, ist kaum vorstellbar. Ein Werbefilm ist Torsten Körners Dokumentarfilm dabei freilich nicht. Er zeigt deutsche Geschichte.

Mädchen können kein Fußball spielen läuft heute um 23.15 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek.

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