Bildungskürzungen in Brandenburg: Das neue Schuljahr als “Herausforderung” oder “Fiasko”? | ABC-Z

Bildungskürzungen in Brandenburg
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Das neue Schuljahr als “Herausforderung” oder “Fiasko”?
Do 03.07.25 | 20:38 Uhr | Von
An den Schulen in Brandenburg wird gekürzt: Mit dem neuen Landeshaushalt werden 345 Lehrerstellen abgebaut. Außerdem sollen Lehrkräfte eine Stunde mehr pro Woche unterrichten. Was heißt das für das kommende Schuljahr? Von Christoph Hölscher
- Schulleiter berichten von schwierigen Vorbereitungen aufs neue Schuljahr
- CDU befürchtet im Bildungsausschuss angesichts des Stellenabbaus ein “Fiasko”
- Bildungsminister sieht Herausforderung, bestreitet aber massive Einschnitte
An der Grund- und Gesamtschule in Lehnin (Potsdam-Mittelmark) ahnen sie die Auswirkungen schon: Zwei neue Lehrkräfte, die die Schule zu Beginn des neuen Schuljahres dringend brauchen würde, können nun wohl nicht eingestellt werden. Und wenn alle Lehrkräfte ab Februar 2026 eine Stunde mehr pro Woche unterrichten müssen, hätte die Schule rein rechnerisch einen “Überhang” von 90 Unterrichtsstunden. Das heißt, dass dann womöglich drei bis vier der insgesamt 90 Lehrkräfte an andere Schulen versetzt werden.
Auf dem Schulcampus Lehnin, an dem über 1.000 Kinder von der 1. bis zur 13. Klasse unterrichtet werden, befürchtet man Kürzungen bei der Ganztagsbetreuung und beim Förderunterricht. “Das sind Einschnitte, die vor allem die Schwächsten treffen”, kritisiert Schulleiter Dirk Lenius, der sich gegenüber rbb|24 allerdings nur in seiner Funktion als Vorstand des Gesamtschulverbandes äußern will.
Immerhin. Viele Schulleiter wollen auf Anfrage von rbb|24 überhaupt nichts sagen, zumindest nicht namentlich. Begründet wird das mit “Druck von oben” und mit der Angst vor beruflichen Nachteilen. Hinter vorgehaltener Hand berichten viele, dass sie auch an ihren Schulen Einschränkungen bei zusätzlichen Angeboten wie Förder- und Teilungsunterricht, Ganztagsbetreuung oder gemeinsamem Lernen erwarten.
Angespannte Stimmung an den Schulen
Dirk Lenius spricht von “Unruhe” und “angespannter Stimmung” an den Schulen, die im Gesamtschulverband vertreten sind. Man wisse vielerorts nicht, wie man die Einschränkungen durch den neuen Haushalt umsetzen könne, ohne dass “Schaden für unsere Schülerinnen und Schüler” entstehen werde.
Für die Schulleitungen sei vor allem die zusätzliche Unterrichtsstunde ab dem zweiten Halbjahr eine große Herausforderung, so Lenius, auch organisatorisch. Dann müsse “mit großer Wahrscheinlichkeit der gesamte Stundenplan komplett neu aufgesetzt” werden. Gerade bei großen Schulen wie der in Lehnin gleiche das einem “Puzzle” von bis zu 2.000 Stunden, die neu geordnet werden müssten. Abgesehen davon, dass die Versetzung von Lehrkräften drohe und die Stimmung in den Kollegien entsprechend angespannt sei.
CDU: Neues Schuljahr wird ein Fiasko
Angesichts solcher Befürchtungen warnt Kristy Augustin (CDU), bildungspolitische Sprecherin der Brandenburger Landtagsfraktion, im Bildungsausschuss vor einem drohenden “Fiasko” im kommenden Schuljahr. Die Schulen seien überhaupt nicht auf die bevorstehenden Kürzungen vorbereitet, sagt Augustin rbb|24. Sie gehe davon aus, dass künftig noch mehr Unterricht ausfalle, der Krankenstand bei den Lehrern weiter steige und “viele Dinge wegfallen, die sonst am Ort Schule stattfinden”: Ganztagsangebote, Förderunterricht, Projektarbeit. Folge sei, dass “die Kinder keine Qualität mehr erwarten” könnten, so Augustin.
Bildungsminister: Absicherung der Stundentafel hat Vorrang
Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) weist diese Befürchtungen im zuständigen Landtagsausschuss zurück. Er verhehle nicht, dass das kommende Schuljahr “eine Herausforderung” werde, sei aber “zuversichtlich, dass es insgesamt gut gelingen” könne. Es sei noch zu früh, die konkreten Folgen der Einsparungen im Haushalt für die Schulen im Detail zu benennen, so der Minister. Aber er stellt klar: Die “Abdeckung der Stundentafel” – also der reguläre Unterricht in Grundfächern wie Deutsch, Mathematik oder Englisch – habe höchste Priorität.
Bei zusätzlichen Angeboten wie Förder- und Teilungsunterricht werde es durch die Haushaltskürzungen dagegen zu Einschränkungen kommen – aber nur in geringem Maße, so Freiberg. Die konkreten Vorgaben würden gerade in Gesprächen mit den staatlichen Schulämtern erarbeitet. Dass es durch die zusätzliche Unterrichtsstunde ab Februar auch Versetzungen von Lehrkräften geben könnte, bestreitet der Bildungsminister nicht. Wenn eine Schule “ihre Stellen voll besetzt” habe, könne es dazu kommen, dass diese dann Lehrkräfte an andere, schlechter ausgestattete Schulen abgeben müsse.
Freiberg bestreitet Maulkorb für Schulleiter
Dass Schulleitern vom Ministerium oder den Schulämtern ein “Maulkorb” verpasst worden sei, damit sie nicht öffentlich über ihre Ängste und Nöte reden, bestreitet Minister Freiberg vehement. Schulleiter dürften mit der Presse reden und ihre Schulen nach außen vertreten, so Freiberg. Man weise die Schulen allerdings darauf hin, dass man “noch im Planungsprozess” sei und die Zahlen – etwa zur künftigen Ausstattung mit Lehrerstellen – nicht den “abschließenden Stand” wiedergeben würden.
Schulleiter Dirk Lenius vom Schulcampus Lehnin hofft, dass er diese Zahlen bald bekommt. Er würde gerne zügig mit den Planungen für das kommende Schuljahr beginnen – unabhängig davon, ob dieses nun ein “Fiasko” oder nur eine “Herausforderung” wird.