Stil

Womit die Berliner Mode auf der Fashion Week heraussticht | ABC-Z

Endlich sind sie in Berlin angekommen. Das Label Ottolinger, vor zehn Jahren gegründet, hat zwar sein Atelier in Berlin – ihre Mode zeigen Christa Bösch und Cosima Gadient aber meist auf der Modewoche in Paris. Nun sind sie auch auf der Berlin Fashion Week, in der Messe am Funkturm, wo die Schweizerinnen ihre Zwischenkollektion unter dem vielsagenden Namen „Heidi“ präsentieren. Passend zum Anlass unterlegen sie ihre Schau mit dem Lied „Scheiße“, in dem Lady Gaga in einer mit deutschen Wortfetzen gespickten Phantasiesprache singt, später mit dem Titel „Sandstorm“ von Darude, der auch als Meme bekannt wurde.

Die Idee hinter der Kollektion ist eine ältere Schwester, die einen modisch an die Hand nimmt, sagen die beiden nach der Schau. Die Kollektion ist very Ottolinger, sehr avangardistisch und sofort zu erkennen: die Cut-outs, die langen Bänder, die am Körper herabhängen und beim Gehen wippen, die 2000er-Referenzen samt Sneaker Heels – das sind Entwürfe, die internationale Stars lieben und auch die Generation Z. „Für uns ist das hier ein Homerun“, sagen die beiden. Es sei einfacher, ihre Mode in Berlin zu zeigen, schon wegen der Nähe. Es fühle sich leichter an, spielerisch. Ihre nächste Kollektion zeigen sie im September trotzdem in Paris – ganz werden sie also nicht bei der Berlin Fashion Week bleiben. Dabei leuchtet der Funkturm hinter dem Palais fast so schön wie der Eiffelturm in Paris.

Charakteristische Schnüre: OttolingerOttolinger/Finnegan Koichi Godenschweger

Am Mittwochabend ist in der von den Reference Studios organisierten Reihe „Interventions“ auch die Berliner Marke GmbH zu sehen. Das sind gleich zwei gute Nachrichten für die Berlin Fashion Week, die am Donnerstag nach vier Tagen zu Ende gegangen ist. Wegen der Abwesenheit großer Labels können die Veranstalter nicht mit bekannten Namen brillieren. Ottolinger und GmbH sind immerhin Marken, die in Paris einen guten Namen haben – und das ist in der Modeszene entscheidend.

Schau mit Betroffenen

Wie schon bei Kilian Kerner, der Zwangsadoptionen in der DDR zum Thema macht und seine Schau mit Betroffenen erarbeitete, ist auch GmbH in politischer Mission unterwegs. Es sei nun schon die vierte Modesaison, die im Schatten eines Genozids entstehe, schreiben die Designer Benjamin Huseby und Serhat Isik zu ihrer Kollektion in Anspielung auf den israelischen Krieg gegen Gaza. Auf der letzten Seite des zugehörigen Booklets zitieren sie ein Gedicht des palästinensischen Lyrikers Refaat Alareer: „Wenn ich sterben muss, dann musst du leben, um meine Geschichte zu erzählen.“ Den Überfall der Hamas auf Israel erwähnen sie in ihren Ausführungen nicht.

Models zeigen Kreationen des Designers Kilian Kerner bei der Fashionshow "DDR. Die gestohlenen Kinder" für das Frühjahr/Sommer 2026
Models zeigen Kreationen des Designers Kilian Kerner bei der Fashionshow “DDR. Die gestohlenen Kinder” für das Frühjahr/Sommer 2026dpa

Die Kollektion – mit den dominierenden Farben Schwarz, Weiß und Beige – ist laut dem Kreativduo eine Reise durch ihre Kindheit, für die sie sich durch alte Videos und Fotos gewühlt haben. Elemente der dort entdeckten Kleidung nahmen Huseby und Isik in ihren Entwürfen auf. Es ist eine der außergewöhnlichsten Kollektionen der Modewoche, zugleich ist sie tragbar. Und es kommt selten vor, dass Modemacher politische Statements verbreiten – weil sie Angst um das eigene Image und das Geschäft haben.

Politisch sind auch die Versuche, der Verschwendung der Luxusmode mit neuen Ansätzen zu begegnen. Im Upcycling ist Berlin viel weiter als Paris und Mailand. So bezieht Mario Keine („Marke“) seine Stoffe aus „Deadstock“, also überschüssigen Materialien großer Hersteller. Marie Lueder, die ihre Models im Sinne des Heiligen Georg mit mittelalterlichen und Sci-Fi-Versatzstücken gegen aufgeblasene Drachen kämpfen lässt, arbeitet mit der Tintoria Emiliana in Modena zusammen, die weniger Umweltschäden im Färbeprozess verursacht.

William Fan in seinem Pop-up-Store
William Fan in seinem Pop-up-StoreAlfons Kaiser

Auch mit dem Charme der Vintage-Mode kann Berlin überzeugen. Christiane Arp, lange „Vogue“-Chefredakteurin und nun Präsidentin des Fashion Council Germany, hat mit Wiebke Bredehorst und Josepha Rodriguez einen Pop-up-Store für gebrauchte Designermode eröffnet. Das Projekt „Doppelreiher“, an der Torstraße bis zu diesem Samstag geöffnet, soll bald auch in Hamburg aufpoppen. Und wenn es so erfolgreich ist, wie es sich gerade andeutet, könnte aus der vorübergehenden eine dauerhafte Veranstaltung werden.

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Schließlich geht es hier nicht nur um das Thema Nachhaltigkeit – sondern auch um die Preise, die in der Luxusmode teils absurd gestiegen sind. „Viele junge Leute lieben Designermode, können sie sich aber nicht leisten“, sagt Arp. „Eine aufwendig gestaltete Jacke von Jean Paul Gaultier kostet zwar bei uns 1800 Euro, aber es fängt schon mit Teilen für fünf Euro an.“ Auch sie hat aus ihrem Kleiderschrank ein paar Kleider und Hemden beigesteuert. Das Motto: „Stil hat kein Verfallsdatum.“

Das wäre auch ein schönes Motto für den Pop-up-Store von William Fan im Château Royal. Der Designer hat sich ein eigenes kleines Universum geschaffen, das er sich schön eingerichtet hat. Das jadefarbene Eis wird in Bechern gereicht, die als Anspielung auf seine Herkunft mit chinesischen Porzellanmustern bedruckt sind. Die Sonnenbrillen hängen auf Stahlständern, die er für USM Haller gestaltet hat. Einige seiner teuersten Mode-Entwürfe sind schon verkauft. An einer Wand Postkarten aus seiner Urlaubssammlung, die jetzt die Kunden verschicken können. Wer in einem Glückskeks ein Gewinnerlos findet, darf sich einen Handschmeichler (und Taschenanhänger) aus naturgegerbtem Leder aussuchen. Und wer sind die älteren Models auf den riesigen Postern, die für seine Marke werben? „Meine Eltern.“ Auch das macht der Berliner Mode niemand nach: Hier steht noch hinter dem größten Luxus die Familie.

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