Zum Start der Fußball-EM in der Schweiz: DFB-Frauen ziehen ins Teamhotel ein – Sport | ABC-Z

Erst mal musste noch gründlich mit einem Lappen geputzt werden, alles sollte blitzen bis zur Ankunft des Nationalteams, auch die Dekoration. Vor dem Eingang des Hotels hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ein Auto seines Hauptsponsors geparkt, rot lackiert im Design des Auswärtstrikots, gelb bedruckt mit dem Verbandslogo und zwei Sternen – was unwissende Gäste im Vorbeigehen zu falschen Schlüssen verleitet haben mag. Dieses Auto stand dort ja nicht anlässlich einer Welt-, sondern einer Europameisterschaft. Die WM haben die DFB-Frauen 2003 und 2007 gewonnen, die EM dagegen bereits achtmal. In diesem Sommer soll Titel Nummer neun dazukommen, da kann Glanz bei der Ankunft nicht schaden – wobei dafür auch ohne Last-Minute-Wisch gesorgt ist.
Während der am 2. Juli beginnenden EM in der Schweiz residiert das deutsche Nationalteam im Five am Uetliberg, von Grünflächen umgeben, im Rücken den Wald, den Blick auf Zürich und den See gerichtet. Das Fünf-Sterne-Hotel beschreibt sich mit seinem Gebäude in Y-Form selbstbewusst als „immersiver Luxusspielplatz“: Dachterrasse, Nachtclub, Restaurants und Bars, Wellnessbereich, Innen- und Außenpool, allein 45 Luxussuiten. Dazu Kunst wie eine handgefertigte Skulptur von ineinander verschlungenen meterhohen Alphörnern, für die Betreiber „die ideale Insta-Kulisse“.
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Vorn wirbeln Schüller, Brand und Bühl – hinten haben die DFB-Fußballerinnen Probleme: Vor dem Start der EM in der Schweiz wird klar, wie die Wück-Elf aussehen könnte. Und was dieses Team charakterlich ausmacht.
In den Siebziger- und Achtzigerjahren übernachteten hier Prominente wie Freddie Mercury und Muhammad Ali, später kamen auch Elton John, Grace Jones und Rihanna. Ein Graffito erinnert an diese Zeit. 2004 ging das damalige Hotel Atlantis in Konkurs. Temporär diente es als Asylunterkunft, wurde ein paar Wochen besetzt und später als Wohnraum für Studierende genutzt. Ehe 2012 eine katarische Investorengruppe das Hotel übernahm und mit viel Geld renovierte. Für den früheren Emir von Katar, Scheich Khalifa bin Hamad Al Thani, so schreibt es die NZZ, wurde eine 2000 Quadratmeter große Suite eingerichtet. Bevor er zwischen Marmor und Gold wohnen konnte, starb er. 2020 verkaufte die katarische Königsfamilie das Hotel an den indischen Unternehmer Kabir Mulchandani. In der umfunktionierten Königssuite können nun auch Nationalspielerinnen essen und trinken.
„Es liegt dann an uns, wie die EM verläuft“, sagt Bundestrainer Christian Wück
Mit etwas Verspätung kam der Mannschaftsbus vom Züricher Flughafen am Montagvormittag hierher gerollt. Als einer der ersten Passagiere stieg Bundestrainer Christian Wück aus und lief zielstrebig zum Eingang. Kurz musste er abbiegen für ein Willkommensgeschenk an ihn und Sportdirektorin Nia Künzer, eine Art Kunstschnitt mit Zürcher Motiven. Dann aber verschwand er schnell, bloß keine Zeit verlieren, die Spielerinnen hinterher. Nur Linda Dallmann und Rebekka Knaak mussten noch auf dem Rondell unter dem Vordach bleiben. Fans oder Schaulustige waren die Auffahrt nicht hochgekommen, Mikrofone und Kameras gab es dafür jede Menge. Dallmann sagte den super Satz: „Auf einmal war man wach und auf einmal war man hier“. Mit dieser Beschreibung der kurzen Anreise ins Nachbarland war im Prinzip alles zum Motto der Quartierwahl ausgesprochen.
Denn viel wichtiger als gute Hintergründe für Instagram-Fotos waren dem Team: kurze Wege. Zu den Trainingsplätzen des Sportzentrums Buchlern ist es nur eine kurze Autofahrt. Vor allem aber sind es ins Zentrum und an den See nur etwa fünf Kilometer, ein paar Leihräder standen schon bereit. Und dabei liegt das Hotel etwas außerhalb der Stadt. Der ungebetene Gast Lagerkoller dürfte es hier schwer haben. Damit ist ein deutlicher Kontrastpunkt gesetzt zur Unterkunft bei der WM in Australien im 4500-Einwohner-Ort Wyong, wo aus dem Vorteil der Ruhe der Nachteil der Abgeschiedenheit wurde. Damals waren die DFB-Frauen historisch früh in der Gruppenphase raus. So abgeschottet wollten die Spielerinnen nicht mehr sein. „Ich glaube, es ist immer gut, wenn man auch ein paar Anschlussmöglichkeiten hat“, sagte Dallmann: „Auch mit der Mannschaft mal rauszugehen, das ist ganz wichtig.“

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Dass Familien und Freunde wie Freundinnen am Tag nach den Spielen ins Basecamp eingeladen werden sollen, dürfte zur ohnehin guten Stimmung beitragen. Der Zusammenhalt, hatte Stürmerin Lea Schüller während der Vorbereitung gesagt, sei „besonders stark. Das ist wirklich unglaublich – so habe ich das noch nicht erlebt“. Was auch jener Abend zeigte, als bei der angekündigten Karaoke-Runde plötzlich Wolfgang Petry auf die Terrasse im Trainingslager gelaufen kam. Die Spielerinnen hatten den Schlagersänger per Videobotschaft um einen Auftritt in Herzogenaurach gebeten, um die Trainer und den Betreuerstab zu überraschen.
Nach zwei Wochen aber habe das Team, wie Dallmann vor dem Five noch erzählte, „ewig auf den Moment gewartet“, endlich ins Basecamp einziehen zu können. Dabei war dieses Hotel nur die zweite Wahl. Noch besser auf die Auswahlkriterien hätte das Campus Hotel Hertenstein in Weggis direkt am Vierwaldstättersee gepasst. Beim Losverfahren zur Reihenfolge der Quartierauslese konnten die Deutschen jedoch erst an sechster Stelle zugreifen. Da hatten sich die Italienerinnen schon ihren Favoriten weggeschnappt, bei denen sie sich nicht mal direkt revanchieren können, Italien ist in Gruppe B, Deutschland in Gruppe C mit dem Auftaktgegner Polen am Freitag (21 Uhr, ARD) in St. Gallen. Danach folgen Dänemark (8. Juli) und Schweden (12. Juli).
Ein Unterschied zu Australien ist auch, dass der DFB das Hotel diesmal nicht exklusiv für sich oder wie bei der EM 2022 in England einen abgesperrten Gebäudekomplex hat. Am Pool könnten sich also auch andere Gäste auf die Sonnenliege neben die Spielerinnen legen. Wobei sie dort nicht sonderlich oft anzutreffen sein dürften. „Wir wollen in Anführungsstrichen eine Wohlfühloase. Aber wir wollen dann natürlich auch die Topleistungen der Spielerinnen haben“, hatte Bundestrainer Christian Wück vor der Abreise aus Herzogenaurach gesagt. Der Trainingsplatz in Zürich sei in einem Topzustand: „Deshalb wird es keine Ausreden geben. Es liegt dann an uns, wie die EM verläuft.“