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Was Deutschlands Rentenpläne für drei Generationen bedeuten | ABC-Z

Stand: 01.07.2025 05:51 Uhr

Heute steigt die Rente um 3,74 Prozent. Wie sie sich in Zukunft entwickelt, hängt von der neuen Regierung ab. Ein Experte kritisiert die bisherigen Pläne scharf: Die Leistungen müssten heruntergefahren werden.

Drei Wochen bleiben der Firma Baumstark, um nach der Komplettsanierung die Baustelle in der Wiesbadener Innenstadt als schicke Altbauwohnung zu übergeben. Den Zeitdruck haben die drei Kollegen gemeinsam, doch ihr Blick auf die Rente ist höchst unterschiedlich. Einer verabschiedet sich schon bald, nämlich 2029 aus dem Arbeitsleben, ein anderer muss deutlich länger, bis 2041 warten. Und ob der junge Geselle tatsächlich 2070 in Rente gehen wird, weiß heute niemand.

Entsprechend unterschiedlich bewerten die drei Handwerker die Zeit nach der Arbeit. Maler Michael Klee hat die 45 Beitragsjahre bald voll und wird mit 64 Jahren und zehn Monaten in Rente gehen. Er kämpft mit kaputten Knien und der Bandscheibe. “Nach so einer langen Zeit auf dem Bau reicht es einfach”, so Klee. Genau für Beschäftigte wie ihn ist 2014 die abschlagsfreie Rente eingeführt worden, damals als Rente mit 63.

Aktivrente statt Rente mit 63?

Die SPD will unbedingt an diesem früheren Renteneintritt festhalten. Die Union dagegen will längeres Arbeiten fördern, dazu soll die so genannte Aktivrente eingeführt werden. Damit können sich Rentner künftig monatlich 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen. Für den Freiburger Rentenexperten Bernd Raffelhüschen ist das die “Quadratur des Kreises”. Denn so werde in Zukunft sowohl ein kürzeres als auch ein längeres Arbeiten subventioniert.

Diese Sicht wird im Bundesfinanzministerium, das für die Umsetzung der Aktivrente zuständig ist, nicht geteilt. Auf die Anfrage von Plusminus heißt es: “Die von Ihnen genannten bestehenden und geplanten Maßnahmen richten sich an unterschiedliche Zielgruppen.”

Das deutsche Rentensystem, das immerhin zwei Weltkriege überstanden hat, kommt wegen des demographischen Wandels immer mehr unter Druck. Seit der Einführung unter Reichskanzler Otto von Bismarck 1889 gilt das so genannte Umlageprinzip: Die jeweils aktuell Beschäftigten zahlen mit ihren Beiträgen für die aktuellen Rentner.

Schieflage beim Rentensystem

Längere Ausbildung und vor allem eine höhere Lebenserwartung bringen das System in Schieflage. Es kommen immer weniger Beschäftigte auf einen Rentner. 1990 haben noch fünf Beschäftigte einen Rentner bezahlt, 2021 dann noch drei. 2035 müssen zwei Beschäftigte für einen Rentner aufkommen.

Eine andere Rechnung verstärkt diesen Eindruck: Die Deutschen zahlten 1960 im Durchschnitt 45 Jahre in die Rentenkasse, 2020 wegen längerer Ausbildung nur noch 40 und 2040 geschätzt 38 Jahre. Im selben Zeitraum steigt der Rentenbezug wegen höherer Lebenserwartung. Bedeutet: 1960 stand ein Jahr Rentenbezug 4,5 Jahren Arbeit gegenüber. 2040 nur noch 1,7 Jahre Arbeit für ein Jahr Rente. Das kann durch einen höheren Zuschuss aus dem Bundeshaushalt oder durch höhere Rentenbeiträge ausgeglichen werden.

Genau das befürchtet André Stolz, der 2041 in Rente gehen wird. Der Maler- und Fliesenlegermeister müsste sich einschränken, wenn ihm netto weniger bleibt. “Ich habe Bauchschmerzen, ob ich die Kosten abdecken kann mit dem, was mir später als Rente ausgezahlt wird.”

Leistungen senken, halten oder erhöhen?

Wenn die Politik nicht eingreift, wird der Rentenbeitrag von aktuell 18,6 Prozent um ein Fünftel auf 22,3 Prozent im Jahr 2045 ansteigen, errechnete noch die alte Bundesregierung. Genau ein solcher Anstieg muss aus Sicht des Rentenexperten Raffelhüschen verhindert werden: “Wir müssen den Jungen garantieren, dass sie die gleichen Beiträge zahlen wie ihre Eltern und Großeltern.” Das könne nur gelingen, wenn die Leistungen “heruntergefahren” werden.

“Das Rentenzugangsalter wird nicht diskutiert, es müsste erhöht werden. Das Rentenniveau wird gehalten, es müsste gesenkt werden, damit die Beiträge stabil bleiben”, so Raffelhüschen. Die Mütterrente dürfte nicht erhöht werden. “Denn wir können uns die Leistungen von heute nicht leisten und packen neue Leistungen dazu. Also alles, was man falsch machen kann, ist falsch gemacht worden.”

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales entgegnet gegenüber Plusminus: “Das Rentensystem ist weiterhin stabil aufgestellt. (…) Dafür ist vor allem ein hohes Maß an Beschäftigung und eine gute wirtschaftliche Entwicklung zentral. Auch daran arbeitet die Bundesregierung mit Nachdruck.”

Private Vorsorge wichtiger denn je

In dieser Situation ist private Vorsorge umso wichtiger. Das weiß zwar der 22-jährige Anlagenmechaniker Deniss Kvaks aber kümmert sich dennoch nicht. “Klar, gehört habe ich das schon. Aber für mich ist erst einmal wichtiger: Motorrad-Führerschein, Motorrad holen, Urlaub machen”, so der junge Handwerker. In seinem Freundes- und Bekanntenkreis mache das jeder so.

Anders sieht es bei seinem Kollegen und Bald-Rentner Michael Klee aus. Er erhält bald 450 Euro aus der privaten Altersvorsorge plus 1.500 Euro von der gesetzlichen Rente. Das summiert sich auf knapp 2.000 Euro, was seinem aktuellen Nettogehalt entspricht. “Wir haben dann nicht weniger als jetzt. Auch meine Frau kriegt dann noch ein bisschen Rente. Also finanziell kommen wir da ganz gut zurecht”, so Klee.

Entsprechend wirbt auch Rentenexperte Raffelhüschen dafür, möglichst früh mit der privaten Vorsorge zu beginnen und dann durchzuhalten. Trotz scharfer Kritik an der aktuellen Rentenpolitik gönnt er jedem Einzelnen seine Rente und auch einen frühen Rentenstart. Das sei “natürlich nichts Ehrenrühriges”, auch wenn der demographische Wandel anderes verlange. “Doch es ist falsch, solche Anreize politisch zu setzen.”

Die Bundesregierung will eine neue Rentenkommission einsetzen. So ist und bleibt die Rente eine politische Dauerbaustelle.

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