Frauenfußball: Frauen müssen Männer nicht besiegen | ABC-Z

In
unserer Kolumne “Grünfläche” schreiben abwechselnd Oliver Fritsch,
Christof Siemes und Stephan Reich über die Fußballwelt und die Welt des
Fußballs. Dieser Artikel ist Teil von ZEIT am Wochenende, Ausgabe 26/2025.
Ich war Trainer der B-Jugend des FC Großen-Buseck, das waren ungefähr 15-jährige Jungs auf gutem Bezirksliga-Niveau. Wir hatten, 2002 muss es gewesen sein, ein Testspiel gegen die hessische Landesauswahl der weiblichen U21, in dem Team waren Bundesligaspielerinnen aus Frankfurt.
Als das Spiel begann, die Frauen Ball und uns laufen ließen, war mein erster Eindruck am Seitenrand: Heute gibt es für uns auf die Mütze. Doch dann gewannen meine Spieler die ersten Zweikämpfe und Laufduelle, und anschließend so gut wie alle. Ihre technische und taktische Überlegenheit nutzte den Frauen wenig, im Nahkampf waren sie praktisch chancenlos, in den entscheidenden Momenten waren die Jungs schneller, härter, kräftiger. Am Ende gewannen wir 7:3 oder 8:3.
Meine Jungs hielten sich, wie mir schien, irgendwann sogar mit der letzten Konsequenz und weiteren Toren zurück. Es störte offenbar ihr Gerechtigkeitsgefühl, dass sie von einem Wettbewerbsvorteil profitierten, der nichts mit Können, Fleiß oder Talent zu hatte. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Testosteron. Ein unverdienter Kantersieg – kann’s so was geben? Mein Team schien damals zumindest zu spüren, dass der Bessere verlor.
An diese Begebenheit musste ich denken, als ich die Tage las, dass die Schweizer Frauen, die ab nächster Woche Gastgeberinnen einer Europameisterschaft sein werden, 1:7 gegen eine männliche U15-Mannschaft verlor. Überrascht hat mich das Ergebnis nicht, solche Spiele gehen oft so aus. Dennoch nahmen es die Kritiker des Frauenfußballs als Munition für ihren Kultur- und Geschlechterkampf.
“Was taugt der Frauenfußball?”, fragt ein Kolumnist der Schweizer Weltwoche auf LinkedIn und gibt zu verstehen, dass er dafür kein TV-Gebührengeld verschwendet sehen möchte. Und die Schweizer Starspielerin Alisha Lehmann bekam auf Facebook die Häme der Hater ab. Reihenweise posteten User “1:7” und abfällige Kommentare auf ihrer Seite.
Man muss es bei jedem Turnier noch mal schreiben: Männer haben gegenüber Frauen einen physischen Vorteil. Das Gewebe ist fester, die Muskeln sind härter, Hormone sind auch noch im Spiel. Es ist keine große Leistung als Mann, eine Frau im Sport zu besiegen.
Beispiele aus anderen Sportarten: Regina Halmich mag Stefan Raab bezwingen, aber keinen Amateurboxer von Format. Wenn der Typ 30 Kilo schwerer und 20 Zentimeter größer ist, liegt sie nach einem Schlag, der sitzt, auf den Brettern.
Im Vorjahr lief ein 15-Jähriger die 100 Meter in 10,3 Sekunden, also deutlich schneller als der Weltrekord der Frauen (10,54), den Florence Griffith-Joyner vor vielen Jahren (noch zudem sicher mit chemischer Hilfe) rannte. Ist es deswegen weniger wert, die schnellste Frau der Welt zu sein? Nein!
Deswegen – sorry für diese Banalität – trennt man die Geschlechter in fast allen Sportdisziplinen. Frauen müssen nicht Männer schlagen. Wenn sie 1:7 verlieren, heißt das nicht mal, dass sie die schlechteren Fußballer sind. Dass man das immer wiederholen muss, lässt mich stöhnen. Die Hohlheit der Leute, denen man das einhämmern muss, ist der Grund, weswegen diese gemischten Duelle zwischen Frauen und Jungs fast immer heimlich ausgetragen werden.
Noch mehr regt es mich auf, wenn es ans Geld geht. “Wir wollen genauso viel verdienen wie die Männer”, höhnt ein Facebook-User auf Alisha Lehmanns Seite. Sie spricht sich für Equal Pay aus. Er nimmt das 7:1, um sich über diese Forderung lustig zu machen.
Dabei verlangen viele Frauen zu Recht das Gleiche. Nicht im Verein, das ist angesichts der irren Summen bei den Männern weder möglich noch wünschenswert. Aber der Nationalverband dürfte gerne die gleichen Prämien zahlen.
Warum? Weil Frauen dort das Gleiche oder mehr leisten wie Männer. Das letzte EM-Endspiel 2022 gegen England war in Deutschland das Ereignis mit der höchsten Einschaltquote des Jahres. Kein Wunder, es war die einzige deutsche Finalteilnahme, ob männlich oder weiblich, bei einer EM oder WM in den vergangenen zehn Jahren.
Dass der DFB dennoch und entgegen dem Wunsch der Vizepräsidentin Celia Šašić den Männern eine mehr als dreifache Titelprämie zusagt als den Frauen (400.000 zu 120.000), kann ich daher nicht verstehen. Übrigens auch nicht, dass die deutschen Spielerinnen sich damit zufriedengeben.
Der DFB hätte sogar allen Grund, den Frauen mehr zu geben als den Männern. Er hat eine historische Schuld gutzumachen. Bis 1970 untersagte er Frauenfußball. “Erst wird den Frauen der Fußball jahrelang verboten, und dann kommen Beschwerden, dass der Frauenfußball nicht so gut sei”, sagt die frühere Sportmoderatorin Carmen Thomas im aktuellen ZEITmagazin. “Das ähnelt dem, dass Frauen unschuldig in die Ehe gehen, aber dann super im Bett sein sollten.”