Förder-Aus für Nextbike in Berlin: Radlos am Stadtrand | ABC-Z

Dabei hatte sich in den vergangenen Jahren die politische Debatte eher um gegenteilige Überlegungen gedreht. Wobei die Forderung der Linken, den Bestand von rund 6.500 Rädern nicht nur aufzustocken, sondern auch gratis zur Verfügung zu stellen, ins Leere gelaufen war. Für die VerfechterInnen einer Mobilitätswende, in deren Rahmen ein Leihradsystem ein wichtiges Element ist, ist die jetzige Entwicklung ein Desaster.
„Das Leihrad-Angebot wurde gut angenommen“, sagt Marlene Alber. Die politische Referentin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Berlin verweist dabei auf den jüngsten „Fahrradklima-Test“ ihres Verbands. Hier sei das Nextbike-System „der einzig positive Leuchtturm im Berliner Fahrradklima“. Das Ende der Förderung sei ein „bitteres Zeugnis der aktuellen Verkehrspolitik“, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigehe.
Christian Linow vom Fahrgastverband IGEB verweist darauf, dass von Paris bis Helsinki „jede Stadt, die in Sachen Mobilität in der Gegenwart angekommen und in die Zukunft unterwegs ist“, ein eigenes Bike-Sharing unterhalte. Der Senat katapultiere mit seiner Entscheidung „die deutsche Hauptstadt in die Provinz“.
Kein Geld für neues Vergabeverfahren eingestellt
Zusammen mit dem Verkehrsclub Deutschland Nordost (VCD) fordern die beiden Organisationen Schwarz-Rot auf, schleunigst zu einer „konsequenten Fahrrad-Sharing-Strategie“ zurückzukehren. Und gleichzeitig für einen besseren Zusammenschluss von Radverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln zu sorgen. Denn das habe Zukunft: Die Zahl der BerlinerInnen, die in der Kombination aus Rad und ÖPNV unterwegs sind, sei in den vergangenen fünf Jahren von 16 auf 19 Prozent gestiegen.
Eigentlich hatte es zwischenzeitlich so ausgesehen, als könnte die Förderung doch noch beibehalten werden. Zuerst strich der Senat zwar die entsprechenden Mittel aus dem Haushaltsentwurf, dann wurden sie für das laufende Jahr aber wieder eingestellt. Allerdings sind die Betriebsjahre des Fahrradverleihsystems um ein halbes Jahr verschoben, weswegen die Förderung jetzt ende, erklärt Michael Herden, Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung. Und: „Dazu kommt, dass die bestehende Konzession nur begrenzt verlängert werden kann, ohne in erhebliche rechtliche Risiken zu laufen.“ Dieser Rahmen sei mit der letzten Verlängerung ausgeschöpft gewesen.
Seit Beginn des Vergabeverfahrens 2015 sei klar gewesen, „dass der Auftrag ‚endlich‘ ist“, sagt Herden. Darum habe man eigentlich geplant, eine erneute wettbewerbliche Vergabe durchzuführen. Aber „hierfür bestehen aktuell die haushaltseitigen Voraussetzungen nicht“. Sprich: Das Geld ist alle.
Ohne die Förderung werde sich das Angebot „verändern, nach aktueller Erwartung gegenüber dem bisherigen Zustand auch verschlechtern“, räumt der Sprecher von CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde ein. Denn mit den Landesmitteln fielen eben auch die vertraglichen Steuerungsoptionen in Bezug auf Preise und Verfügbarkeit weg. Man müsse nun abwarten, wie sich das Angebot entwickle, so Herden.
Rund ein Viertel weniger Leihräder geplant
Dazu gibt Nextbike immerhin Hinweise: 5.000 Räder werde man weiterhin anbieten, sagt Sprecherin Karoline Keybe der taz. Das wäre eine Reduzierung um rund ein Viertel. Die 265 Stationen, die in den vergangenen Jahren nach und nach vor allem auf vormaligen Parkplätzen am Straßenrand aufgebaut wurden, müssen innerhalb von drei Monaten verschwinden. Es wird dann nur noch „virtuelle Stationen“ geben, neben der Möglichkeit, die Räder irgendwo im Geschäftsgebiet abzustellen, was aber mit einem Aufschlag verbunden ist.
Dass das Geschäftsgebiet schrumpfen wird, ist zu erwarten – vor allem außerhalb des S-Bahn-Rings, wo die Nachfrage und somit die Gewinnspanne für das Unternehmen geringer ausfällt. Zu den konkreten Plänen will sich Nextbike allerdings noch nicht äußern. Die KundInnen würden über die App rechtzeitig informiert, sagt Keybe.
Besonders bitter für regelmäßige NutzerInnen ist aber die Preisanpassung zum 1. Juli. Das günstige Jahresabo – für insgesamt 60 Euro waren die ersten 30 Minuten jeder Fahrt gebührenfrei – fällt weg. Übrig bleibt das Monatsabo für 10 Euro. Wer kein Abo abschließt, zahlt künftig 1,50 statt 1 Euro für die erste Viertelstunde und 1,20 Euro für die zweite. Erst dann kostet jede weitere Viertelstunde wie gehabt 1 Euro. Eine halbe Stunde Radeln wird damit im Vergleich zu heute um 35 Prozent teurer.