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Aussichten fürs dritte Quartal: Wall Street und Co. – wie stark schadet Trump? | ABC-Z

Die Aktienmärkte sind in bester Stimmung: Der Zollkrieg der USA scheint auszubleiben, eine Rezession in den USA ebenfalls und die amerikanische Staatsverschuldung interessiert nur die Rentenmärkte. ntv.de hat mit drei Experten über die Aussichten an den Finanzmärkten diskutiert.

ntv.de: Durch den Krieg im Nahen Osten ist der Ölpreis deutlich gestiegen. Wie gefährlich ist das für die weltweite Konjunktur und die Aktienmärkte?

Michael Wittek leitet das Portfoliomanagement bei Albrecht, Kitta & Co. und ist für die Anlagestrategie der Vermögensverwaltung verantwortlich.

Michael Wittek leitet das Portfoliomanagement bei Albrecht, Kitta & Co. und ist für die Anlagestrategie der Vermögensverwaltung verantwortlich.

Michael Wittek: Aktuell sehe ich hier noch keine großen negativen Einflüsse. Der Ölpreis ist ja zuvor monatelang deutlich gefallen.

Reinhard Pfingsten: Das sehe ich ganz ähnlich. Zwar ist jetzt der zuletzt vom Ölpreis ausgehende inflationssenkende Effekt verloren gegangen, aber dieser sollte, sofern wir nicht noch eine weitere Eskalation des Konflikts sehen, für die Notenbanken händelbar sein.

Nietho Bruhn: In der Vergangenheit haben sich Ölpreise, wenn sie deutlich über die 80-Dollar-Marke gestiegen sind, häufiger als bremsend für die Konjunktur- und die Börsenentwicklung gezeigt. Mit aktuell rund 75 Dollar pro Barrel dürften sich die Auswirkungen also noch sehr stark in Grenzen halten.

Die Aktienmärkte preisen ein, dass es nicht zu einem Zollkrieg kommt. Ist das Thema tatsächlich schon vom Tisch?

Reinhard Pfingsten arbeitet seit September 2023 als Chief Investment Officer bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. Diese Funktion übte der studierte Mathematiker bereits zuvor bei der Bethmann Bank und Hauck & Aufhäuser Privatbankiers aus. Reinhard Pfingsten arbeitet seit September 2023 als Chief Investment Officer bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. Diese Funktion übte der studierte Mathematiker bereits zuvor bei der Bethmann Bank und Hauck & Aufhäuser Privatbankiers aus.

Reinhard Pfingsten arbeitet seit September 2023 als Chief Investment Officer bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank. Diese Funktion übte der studierte Mathematiker bereits zuvor bei der Bethmann Bank und Hauck & Aufhäuser Privatbankiers aus.

Pfingsten: Aus unserer Sicht haben die Aktienmärkte zwar das Worstcase-Szenario des Handelskriegs wieder weitgehend ausgepreist, aber nicht komplett.

Bruhn: Es ist davon auszugehen, dass es einen Kompromiss geben wird, bei dem beide Seiten ihr Gesicht wahren.

Wittek: Das Thema wird uns wohl noch mindestens die nächsten dreieinhalb Jahre mehr oder weniger stark begleiten.

Bislang haben die USA ein Handelsabkommen mit Großbritannien und China geschlossen. Wie schätzen Sie die ein?

Nietho Bruhn ist seit Oktober 2022 als Seniorberater bei der Qcoon-Invest tätig. Zuvor war er bei der Bethmann Bank für die Begleitung vermögender Privatpersonen und Unternehmen verantwortlich. Nietho Bruhn ist seit Oktober 2022 als Seniorberater bei der Qcoon-Invest tätig. Zuvor war er bei der Bethmann Bank für die Begleitung vermögender Privatpersonen und Unternehmen verantwortlich.

Nietho Bruhn ist seit Oktober 2022 als Seniorberater bei der Qcoon-Invest tätig. Zuvor war er bei der Bethmann Bank für die Begleitung vermögender Privatpersonen und Unternehmen verantwortlich.

Bruhn: Beide Handelsabkommen decken nur einen Bruchteil der betroffenen Warenströme ab, sind aber immerhin ein “Deal”. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es Donald Trump eher um einen “Deal” geht als um die konkreten Inhalte.

Wittek: Das Abkommen mit den Briten ist wohl eher als Feigenblatt zu werten. Großbritannien ist lediglich auf Platz neun der wichtigsten Handelspartner der USA.

Pfingsten: Von den großen Würfen, die die US-Administration zu Beginn in Aussicht gestellt hat, ist unseres Erachtens nicht viel zu sehen. Um eine finale Einschätzung vornehmen zu können, sind die bekannten Eckdaten jedoch auch noch zu rudimentär.

Die USA importieren sehr viel mehr Waren, als sie exportieren. Gelingt es US-Präsident Donald Trump, das enorme Handelsbilanzdefizit spürbar zu senken?

Pfingsten: Sicherlich könnte Deutschland mehr Militärprodukte, Technologie sowie Agrar- beziehungsweise Energierohstoffe aus den USA beziehen und somit das bestehende Handelsbilanzdefizit senken. Um diesen Effekt aber auch bei vielen anderen Ländern zu erreichen, müssten auch die Produktionskapazitäten in den USA mit einem Schlag gesteigert werden. Wie soll das gehen?

Bruhn: Die digitalen Dienstleistungen, die US-Unternehmen in sehr erheblichem Maße erbringen, sind beim Handelsbilanzdefizit nicht berücksichtigt, weil es nur die Warenströme abbildet. Insoweit ist das Defizit – je nach Lesart – weit weniger ausgeprägt.

Die Aktienmärkte gehen davon aus, dass es bei einem Basiszoll von zehn bis 20 Prozent auf Importe in die USA bleiben wird. Werden das die Importeure auf die eigene Kappe nehmen und können sie das überhaupt?

Wittek: Wie so häufig werden die jeweiligen Branchenführer über eine sehr große Preissetzungsmacht verfügen. Am Ende wird es für den amerikanischen Verbraucher teurer.

Pfingsten: Ja genau. Dafür, dass der US-Konsument einen nicht unerheblichen Teil der neuen Zollabgaben tragen wird, würde ich meine Hand ins Feuer legen.

Bruhn: Perspektivisch kann dies aber auch zu Produktionsverlagerungen in die USA führen, zum Beispiel im Automobilsektor, um so den Import und damit die Strafzölle zu umgehen.

Was bedeutet das für die Inflation in den USA? Im Mai ist sie schon wieder von 2,3 auf 2,4 Prozent gestiegen.

Pfingsten: Wir rechnen in der zweiten Jahreshälfte damit, dass die zollbedingten Inflationseffekte stärker werden. Die Effekte werden aufgrund der stark gestiegenen Lagerbestände im ersten Halbjahr und dem Abbau dann im zweiten Halbjahr immer wieder Verwerfungen auslösen. Eine Debatte und die Unsicherheit am Kapitalmarkt über eine Stagflation sind da sicher zu erwarten.

Wittek: Die Inflation wird nicht sprunghaft steigen. Sie wird sich aber auf dem aktuellen Niveau oberhalb der Zielmarke der amerikanischen Notenbank Fed von zwei Prozent einpendeln.

Ein weiterer Dorn im Auge Trumps ist die hohe Staatsverschuldung. Jetzt will er dauerhaft für niedrige Steuern sorgen. Können das die USA durch Einsparungen an anderer Stelle ausgleichen?

Bruhn: Das halten wir für unwahrscheinlich.

Wittek: Spürbare Einsparungen werden am Ende des Tages immer mit Kürzungen von Sozialleistungen und damit mit einer Schwächung der Wirtschaft einhergehen.

Pfingsten: Für das Projekt holte sich Trump Tech-Milliardär Elon Musk ins Team, der nach der Amtsübernahme Trumps die Kettensäge im Haushalt ansetzen sollte. Diese wurde zum Sinnbild des Wandels. Doch vom Sparwillen ist kaum etwas geblieben. Am Ende seiner kurzen Zeit als Chef der Sparbehörde DOGE belaufen sich die schöngerechneten Einsparungen Musks nach eigenen Angaben auf gerade einmal 170 Milliarden US-Dollar, das sind gerade einmal acht Prozent des Zielvolumens, und das über mehrere Jahre verteilt.

Die USA müssen deutlich mehr als vier Prozent Zinsen zahlen, damit jemand ihre Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit kauft. Trotzdem notiert die Wall Street nicht weit entfernt von ihrem Allzeithoch. Wie passt das zusammen?

Wittek: Die Aktienmärkte setzen darauf, dass die Wirtschaft zwar langsamer, aber dennoch wächst und sich die Zoll-Thematik beruhigt.

Pfingsten: Außerdem entwickelten sich zuletzt auch die US-Technologiewerte wieder besser und stützten damit die Entwicklung. Wir stufen jedoch das Chancen-Risiko-Profil des europäischen Aktienmarkts als attraktiver ein.

Sind Anleihen in den USA im Vergleich zu Aktien die bessere Alternative?

Bruhn: Perspektivisch wird weiterhin den US-Aktien eine spürbar bessere Entwicklung zugetraut, insbesondere wenn wir etwas längerfristiger auf Sicht der kommenden Jahre schauen. Anleger sollten aber grundsätzlich diversifizieren und beide Anlageklassen in Betracht ziehen.

Wittek: Aus europäischer Sicht sollten die beiden Anlageklassen nicht vermengt werden. Dafür hat der US-Dollar einen zu starken Einfluss.

Europäische und auch deutsche Aktien sind in diesem Jahr deutlich besser gelaufen als amerikanische. Handelt es sich um eine kurzfristige oder doch nachhaltige Entwicklung?

Pfingsten: Rein wirtschaftlich spricht vieles für den US-Aktienmarkt, allerdings hat die US-Administration mit ihrer Zollpolitik auch viel politisches Vertrauen in den Standort USA zerstört.

Bruhn: Wir halten diese Entwicklung eher für kurzfristiger Natur. Blicken wir zurück, so gab es immer mal wieder Phasen, in denen die europäischen Aktien sich in gewissen Zeiträumen besser entwickelt haben als US-Aktien. Insgesamt betrachtet scheint die größere Dynamik für längerfristig orientierte Anleger aber weiterhin bei den US-Aktien zu liegen.

Wittek: Das sehe ich etwas anders. Europäische Investoren haben damit angefangen, Gelder aus den USA abzuziehen und im Heimatmarkt anzulegen. Dieser Trend wird länger andauern.

Die Aktienmärkte notieren ja schon auf Rekordniveau. Gibt es überhaupt noch mögliche positive Impulse, die die Kurse weiter nach oben treiben könnten?

Wittek: Es bestehen sicherlich weitere Kurschancen, wenn Themen wie Handelsstreitigkeiten gelöst werden und geopolitische Auseinandersetzungen nicht weiter eskalieren.

Bruhn: Etwas vereinfacht ausgedrückt sind die US-Märkte, zumindest bis Ende 2024, maßgeblich durch die großen Tech-Konzerne gestiegen, während die große Vielzahl anderer Unternehmen sich nur verhalten entwickelt hat. Ein ähnliches Bild zeigte sich in Europa. Insoweit ergibt sich durchaus noch weiteres Potenzial, wenn sich die vielen eher unterdurchschnittlich gelaufenen Werte noch entfalten.

Pfingsten: Solange die Wirtschaft wächst, werden auch die Aktienkurse steigen. Natürlich heißt das nicht, dass sie zwischendurch auch mal Luft holen können. Wer Zeit hat, langfristig zu investieren, der sollte auch jetzt nicht am Aktienmarkt vorbeigehen. Eine Kollegin sagte kürzlich so nett auf die Frage eines Kunden, wann er einsteigen soll: Immer jetzt!

Gold scheint seit geraumer Zeit nur eine Richtung zu kennen: nach oben. Ist die Rally nicht etwas übertrieben?

Bruhn: Wir gehen zwar davon aus, dass sie im Verhältnis zu den vergangenen Jahren an Dynamik verliert, erwarten jedoch weiter leichte Steigerungen.

Pfingsten: Wir sind da etwas optimistischer. Aus unserer Sicht ist die Gold-Rallye ein Spiegelbild dessen, dass Notenbanken aus bestimmten Regionen der Welt ihre Devisenreserven nicht mehr nur im US-Dollar anlegen wollen. Wenn man bedenkt, dass allein die Chinesen Devisenreserven in Höhe von mehr als drei Billionen Dollar haben, besteht für Gold noch viel Nachfragepotenzial.

Wittek: Der Goldpreis ist ein Abbild einer weltweit inflationären Verschuldung. Sicherlich wird auch das Edelmetall einmal eine Pause einlegen oder korrigieren. Wir sehen Gold aber weiterhin als ein Basisinvestment in einem breit gestreuten Portfolio.

Noch einmal zu Trump. Eigentlich versteht sich der US-Präsident als Mann der Wall Street. Die Aktienmärkte notieren hoch, die Stimmung an den Rentenmärkten ist dagegen sehr viel schlechter. Wer hat denn recht?

Pfingsten: Ich würde nicht sagen, dass die Stimmung am Rentenmarkt schlecht ist. Wir haben sicherlich die Null-Zinsphase hinter uns gelassen, aber wir sind wieder in der Normalität angekommen. Und dass die Rentenmärkte bei immer weiter steigenden Staatsverschuldungen als Korrektiv fungieren, ist doch auch eine gute Nachricht.

Bruhn: Wir sind aber der Überzeugung, dass Trump mit Fortschreiten seiner Amtszeit und näherkommenden “Mid-Term-Elections” Ende 2026, nach denen die Republikaner möglicherweise nicht mehr in beiden Kammern die Mehrheit haben, seinen Fokus stärker auf die Wall Street richten wird.

Kurze Frage zum Schluss. Wie sollten sich Anleger in diesem Umfeld positionieren?

Bruhn: Die Unsicherheit an den Märkten bleibt bestehen, vermutlich auch über den 8. Juli 2025 hinaus, wenn die Zinspause für die EU ausläuft. Trotzdem sind wir auf Sicht über das Jahresende 2025 hinaus durchaus positiv und gehen von einer Beruhigung aus, sodass der größere Teil des liquiden Vermögens – je nach Risikoappetit der Anleger – global investiert sein sollte.

Wittek: Auf der Aktienseite bevorzugen wir Dividendentitel mit dem Schwerpunkt in Europa. Im Bereich der Anleihen favorisieren wir bonitätsstarke Emittenten mit mittleren Laufzeiten. Und Gold bleibt ein Basisinvestment.

Pfingsten: Wir sehen weltweit Wachstum auf niedrigem Niveau und einen wieder zunehmenden Risikoappetit der Marktteilnehmer. Was das Eingehen von Risiken angeht, sind wir allerdings noch etwas vorsichtiger, zumindest auf der Aktienseite. Hier sind wir untergewichtet. Auf der regionalen Seite präferieren wir Europa und die Schwellenländer gegenüber den USA. Auf der Rentenseite sind wir risikofreudiger aufgestellt und bevorzugen die Spreadsegmente, wie High Yields oder auch die Staatsanleihen aus den Emerging Markets. Bei US-Staatsanleihen sind wir untergewichtet. Zudem finden wir Gold nach wie vor interessant.

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und zur Nutzung durch den Empfänger. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung GmbH, der Deutschen Apotheker- und Ärztebank und der Qcoon GmbH zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Investmentfonds dar. Die in der vorliegenden Publikation enthaltenen Informationen wurden aus Quellen zusammengetragen, die als zuverlässig gelten. Die Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung GmbH, die Deutsche Apotheker- und Ärztebank und die Qcoon GmbH geben jedoch keine Gewähr hinsichtlich deren Zuverlässigkeit und Vollständigkeit und lehnen jede Haftung für Verluste ab, die sich aus der Verwendung dieser Information ergeben.

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