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Scholz will ein Altkanzler sein, “über den sich die SPD freut” | ABC-Z

Stand: 28.06.2025 21:20 Uhr

Altkanzler Scholz geht mit einem Versprechen: Beim SPD-Bundesparteitag in Berlin sicherte er den Sozialdemokraten zu, dass sie weiter auf ihn zählen können. Zugleich verteidigte er die Politik der Ampelkoalition.

Die SPD hat ihren dreitägigen Bundesparteitag in Berlin fortgesetzt – und ihren Altkanzler Olaf Scholz verabschiedet. Der sagte den Sozialdemokraten zu, auch nach seiner Amtszeit sozialdemokratische Politik zu machen. “Ich habe vor, ein ehemaliger Kanzler zu sein, über den sich die SPD immer freut”, sagte der 67-Jährige in seiner Abschiedsrede. Mit ihrem anderen Altkanzler Gerhard Schröder hat die SPD seit Jahren ein schwieriges Verhältnis. 

Scholz versprach auch, bei der Aufarbeitung des historisch schlechten Ergebnisses bei der Bundestagswahl mitzuarbeiten. “Ich will mich hilfreich an der Debatte beteiligen, mit der neuen Rolle”, sagte er. Im Mittelpunkt müsse das ursozialdemokratische Thema “Respekt” stehen.

Dass in vielen wohlhabenden Ländern rechter Populismus neue Unterstützung finde, habe auch mit mangelnder Zukunftshoffnung zu tun, sagte Scholz. “Fortschrittliche Parteien, sozialdemokratische Parteien, können ohne die Vorstellung, dass die Welt besser wird, auch nicht erfolgreich sein.”

Deshalb müsse die Gesellschaft nicht nur für Chefärztinnen und Unternehmer funktionieren, sondern auch für Fabrikarbeiter, Pflegekräfte und Rentner. Die SPD habe eine Verantwortung, “dass man aus jeder Lebensperspektive vernünftig, anständig und anerkannt leben kann”.

Scholz: Gesellschaftspolitische Reformen bewahren

Scholz rief dazu auf, die in seiner Amtszeit verwirklichten gesellschaftspolitischen Reformen zu bewahren. “Wir müssen das Erreichte sichern wie etwa das Selbstbestimmungsrecht”, sagte der Ex-Kanzler. Dazu gehöre für ihn aber auch das Staatsangehörigkeitsrecht. Dabei gehe es ihm nicht um jede einzelne Formulierung, sondern um das große Versprechen: “Wenn du hier lebst, wenn du die deutsche Sprache sprichst, wenn du hier arbeitest, dann wollen wir, dass du deutscher Staatsbürger wirst.” Das werde nicht rückabgewickelt, sagte der Altkanzler.

Mit Blick auf die Außenpolitik warnte der Ex-Kanzler davor, sich Illusionen über die Pläne des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu machen. Dieser wolle an seiner Eroberung in der Ukraine festhalten und hätte sie “gern noch größer”. Putin dürfe aber keinen Erfolg damit haben, Grenzen mit Gewalt zu verschieben. Er habe damit eine jahrzehntelange Verständigung des Nachkriegseuropas aufgekündigt.

Aus dieser Zeitenwende sei eine Konsequenz gezogen worden. “Die Bundeswehr wird stärker werden, und die Zusammenarbeit in der NATO hat neue Dimensionen erreicht. Das ist auch richtig”, sagte Scholz. Wichtig sei, sich die Größe der Aufgabe klarzumachen.

Er forderte, Gutverdienende mehr zur Finanzierung der Verteidigungsfähigkeit heranzuziehen. Merkwürdig sei es, wenn diese sogar von Steuersenkungen redeten. “Das ist eine interessante mathematische Rechnung”, sagte Scholz. Und: “Ich jedenfalls glaube, dass wir hier zu neuer Solidarität in unserem Land aufgefordert sind.”

Esken: “Ich gehe nicht mit Wehmut”

Nach Scholz verabschiedete sich auch die bisherige Co-Parteichefin Saskia Esken. “Ich gehe nicht mit Wehmut, sondern ich gehe mit Dankbarkeit”, sagte Esken zu ihren sechs Jahren in der Doppelspitze der Partei.

Sie rief die Sozialdemokraten in ihrer Rede zu mehr Zusammenhalt auf. Das habe der Partei in der Vergangenheit zum Erfolg verholfen – “und genauso müssen wir es heute auch wieder tun”. Die SPD müsse sich nach dem Desaster bei der Bundestagswahl verändern, “damit es besser wird”, sagte Esken. Im Personalkarussell der SPD nach der Wahl war Esken leer ausgegangen: Sie bekam keinen Posten im Kabinett.

Esken forderte die Delegierten auf, Scholz’ Vision von einer “Respektgesellschaft” auch in Zukunft hochzuhalten. Denn Kernaufgabe der Sozialdemokratie sei es, “dass Menschen von ihrer Hände Arbeit leben können”.

Nach dem historisch schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl im Februar war Esken aus Teilen der Partei massiv kritisiert worden, während Co-Parteichef Lars Klingbeil als Vize-Kanzler und Finanzminister zum starken Mann der SPD in der neuen Regierung wurde. Esken bekam nun mehrfach minutenlang Applaus von den Delegierten des Parteitags.

SPD stellt sich personell neu auf

Für Esken rückt nun Arbeitsministerin Bärbel Bas neben Klingbeil in die Doppelspitze der Parteiführung auf. Bas wurde am Freitag mit einem starken Ergebnis von 95 Prozent der Delegiertenstimmen ins Amt gewählt.

Klingbeil wurde hingegen bei seiner Wiederwahl hart abgestraft und erhielt nur 64,9 Prozent. Mit knapp 91 Prozent gewählt wurde auch der neue Generalsekretär Tim Klüssendorf. 

Wahlen auf dem SPD-Parteitag

Parteivorsitzende Bärbel Bas (95 Prozent)
Parteivorsitzender Lars Klingbeil (64,9 Prozent)

Generalsekretär Tim Klüssendorf (90,8 Prozent) 

Stellvertretende Parteivorsitzende: Petra Köpping (91,8 Prozent), Serpil Midyatli (77,6 Prozent), Achim Post (77,1 Prozent), Anke Rehlinger (97,2 Prozent), Alexander Schweitzer (95,3 Prozent)

Schatzmeister Dietmar Nietan (76,7 Prozent)

Europa-Beauftragte Katarina Barley (92,2 Prozent)

Streit über verpflichtenden Wehrdienst abgewendet

Ein weiteres mögliches Konfliktfeld wendete der Parteitag am Samstagabend ab. Nach stundenlangen Krisengesprächen änderten die Jusos einen Initiativantrag, der die Verankerung eines verpflichtenden Wehrdienstes im geplanten Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius abgelehnt hätte.

“Wir wollen keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind”, heißt es im nun beschlossenen Text. “Maßnahmen zur Musterung, Erfassung und Wehrüberwachung wehrpflichtiger junger Männer wollen wir ermöglichen.” Anerkannt wird vor dem Hintergrund der sicherheitspolitischen Lage und der Erwartungen Verbündeter, dass eine ausreichende Personalausstattung der Bundeswehr nötig ist. “Wir müssen reagieren können, wenn die sicherheitspolitische Lage oder die Bedarfe der Bundeswehr dies erfordern.”

Juso-Chef Philipp Türmer sagte an Pistorius gerichtet, beide hätten sich ganz schön bewegen müssen. “Wir haben es aber in einigen Stunden hinbekommen, und ich glaube, das ist ein gutes Zeichen”, sagte Türmer. Die SPD bekennt sich nun zu einem neuen Wehrdienst, “der auf Freiwilligkeit beruht und sich am schwedischen Wehrdienstmodell orientiert”. Mit einer Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes solle der notwendige Aufwuchs der Reserve und der Bundeswehr insgesamt erreicht werden. 

CHP-Chef Özel: Türkische Opposition unterstützen

Gast am zweiten Tag des Parteitags war Özgür Özel, Vorsitzender der türkischen SPD-Schwesterpartei CHP. Er rief dazu auf, die der Repressionen ausgesetzten Opposition in der Türkei zu unterstützen. “Der Aufstieg der CHP hat die Regierung in große Panik versetzt. Seit Oktober vergangenen Jahres haben sie ihren Druck und die Angriffe gegen unsere Partei und gesellschaftliche Opposition massiv ausgeweitet”, sagte Özel.

Der Parteitag beschloss im Anschluss Özels Rede einstimmig einen Antrag mit der Forderung, den seit dem 19. März in Untersuchungshaft sitzenden Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoglu und alle anderen politischen Häftlinge in der Türkei sofort freizulassen. Özel betonte das Ziel einer Vollmitgliedschaft in der EU. Seine Partei strebe nach einer demokratischen, auf Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit basierenden Türkei.

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