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Dachau: Wie gelingt antirassistische Politik nach der Bundestagswahl? – Dachau | ABC-Z

Dass die Schleusen für den Zulauf rechtsextremer und rassistischer Positionen vor einem halben Jahr noch etwas weiter aufgegangen sind, merkt Stephan Dünnwald jeden Tag bei der Arbeit. Er ist im bayerischen Flüchtlingsrat tätig, einer Organisation, die sich für die Rechte von Geflüchteten starkmacht. Dünnwald sagt, seit dem Bundestagswahlkampf gebe es wieder mehr Arbeitgeber, die keine Geflüchteten einstellen wollen. Und wenn eine Abschiebung drohe, finde sich oft niemand mehr, der diese öffentlich kritisieren wolle.

Zwar seien da auch die Menschen, die sich nun noch mehr als früher für Geflüchtete einsetzen. Aber Leute, „die rechts oder konservativ sind“, würden jetzt lauter als früher sagen: „Wir wollen nicht mehr so viele Geflüchtete hier haben.“ Dünnwald meint, die gesellschaftliche Schere sei eben weiter aufgegangen. Durch den Wahlkampf, in dem sich Politiker mit „Scharfmachersprüchen“ überboten hätten, sei da gesellschaftlich etwas überhitzt worden.

Nicht nur der Flüchtlingsrat, auch andere Organisationen oder Beratungsstellen, die Migranten beraten und sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus engagieren, sehen ihre Arbeit spätestens seit der Bundestagswahl deutlich erschwert. Hamado Dipama ist Antirassismus- und Antidiskriminierungsberater bei Agaby, dem Dachverband der kommunalen Integrationsbeiräte in Bayern. Er sagt, in Deutschland brenne es in so vielen Bereichen: eine marode Infrastruktur, Digitalisierung im Schneckentempo, zu wenig Wohnraum, zu wenig Arbeitskräfte.

„Aber wir haben Politiker, die darüber reden, wie man die Zahl der Geflüchteten reduziert.“ Dipama sagt, nicht nur das sehr gute Ergebnis bei der Bundestagswahl sei ein Erfolg für die AfD, sondern auch, dass demokratische Parteien über deren Themen redeten. „Und das macht es uns bei unserer Arbeit schwerer.“

„Antirassismus gibt es nicht. Es gibt nur kritischen Umgang mit Rassismus.“

Hamado Dipama und Stephan Dünnwald sitzen am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion gemeinsam auf der Bühne im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau. Das Thema des Abends lautet: „antirassistische Politik nach der Bundestagswahl“. Veranstalter ist der Runde Tisch gegen Rassismus Dachau, ein breites zivilgesellschaftliches und überparteiliches Bündnis, das sich vor zehn Jahren gründete, um sich gegen rechtsextreme Übergriffe zu wehren.

Unbekannte warfen damals ein Päckchen mit einem Schweineherz und der Aufschrift „Letzte Warnung“ in den Briefkasten des Freiraums, des selbstverwalteten Jugendzentrums. Zudem tauchten überall rechtsradikale Schmierereien auf, auch an der KZ-Gedenkstätte. Aus einem losen Bündnis wurde eine sichtbare zivilgesellschaftliche Kraft gegen Rassismus und Rechtsextremismus.

Im Vorfeld eines Festaktes zum zehnjährigen Bestehen des Runden Tisches am Samstag diskutieren Dipama, Dünnwald und Moderatorin Julia Neumann über antirassistische Politik. Mit auf dem Podium sitzt auch eine Mitarbeiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Bayern. Sie sagt, Rassismus als „Abwertung des Anderen“ sei dem Rechtsextremismus inhärent. Rechtsextreme Einstellungen seien immer mit einer völkischen, nationalistischen Idee verbunden. Es sei eine „Ideologie der Ungleichwertigkeit“.

Ihren Namen darf man nicht nennen, auch bittet sie die Presse darum, kein Foto von ihr zu machen. „Aus Sicherheitsgründen“, wie sie später erklärt. Auch dies sagt viel aus über die Situation in diesem Land: Die Zahl rechtsextremer Straftaten befindet sich auf einem Rekordhoch, Queerfeindlichkeit nimmt rasant zu, laut dem Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (Nadira) sind rassistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung weitverbreitet. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes meldete kürzlich, dass sich im vergangenen Jahr 11 400 Menschen wegen Erfahrungen mit Diskriminierung an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt hätten, so viele wie nie zuvor.

„Man muss rechte Hetze nicht einfach hinnehmen.“

Dieser ohnehin schon brodelnde Kessel wurde im Bundestagswahlkampf mit dem Fokus aller Parteien auf das Thema Asyl und Migration noch einmal angeheizt – so sehen das jedenfalls die drei Diskutierenden auf dem Podium. Sie erinnern daran, dass die Union um den jetzigen Kanzler Friedrich Merz einen Antrag für mehr Zurückweisungen an den Grenzen zusammen mit der AfD im Bundestag durchdrückte.

„Der Wahlkampf wurde auf dem Rücken von Geflüchteten und Migranten geführt“, sagt Dipama. Dadurch sei das „Nicht-Sagbare von vor ein oder zwei Jahren“ nun salonfähig. So sieht das auch Dünnwald: „Ausgrenzende Stimmen sind sehr viel lauter geworden. Und diese Leute haben das Gefühl, dass ihre Stimmen jetzt unwidersprochen bleiben.“

Von Rassismus Betroffene brauchen Unterstützung

Doch was kann man tun gegen solche rassistischen und rechtsextremen Strömungen? Das will Moderatorin Julia Neumann von den drei Experten wissen. Dipama sagt, extrem rechte Akteure seien sehr gut darin, sich zu organisieren und ihre Themen zu setzen. Warum gelingt dies den demokratischen Kräften aber nicht, fragt er. Menschen, die von Rassismus betroffen sind, bräuchten unterstützende Strukturen. Er fordert, Druck auf die Kommunen auszuüben, dass in jeder Stadt und Gemeinde eine Antidiskriminierungsstelle geschaffen werde. In Bayern gebe es nur sechs Kommunen mit einem solchen Posten.

Auch Dünnwald sagt, man müsse mehr im Alltag widersprechen, sobald sich Rassismus offenbare. Die Mitarbeiterin der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus sagt: „Man muss rechte Hetze nicht einfach hinnehmen, man kann sich zivilgesellschaftlich organisieren und dagegen engagieren.“ Bestes Beispiel: der Runde Tisch gegen Rassismus.

An diesem Samstag, 28. Juni, feiert der Runde Tisch gegen Rassismus sein zehnjähriges Bestehen mit einem Festakt am Max-Mannheimer-Platz. Zu sehen sind auch Auftritte von Kabarettist Christian Springer und Musiker Marlo Grosshardt. Beginn ist um 16 Uhr.

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