Blutspenden ist gesund und macht glücklich: Ein Erfahrungsbericht |ABC-Z

In meiner einen Ellenbeuge befindet sich eine kreisrunde Erhebung. Alle paar Monate spende ich Blut, die dicke Nadel, immer an der gleichen Stelle angesetzt, kann nach langer Zeit in Ausnahmefällen zu einer leichten Vernarbung führen. Viermal im Jahr darf ich als Frau in Deutschland mein Blut spenden. Viel zu wenige Menschen hierzulande in Deutschland tun das. Die Gründe dafür sind vielfältig, bei manchen ist es die Angst vor Blut oder der Spritze.
Auch ich erinnere mich, als Kind Angst vor der Nadel bei der Blutentnahme gehabt zu haben, aber meine Kinderärztin wandte beim ersten Mal einen Trick an. Während sie mir die Armbeuge desinfizierte, bat sie mich, auf das Wimmelposter an der gegenüberliegenden Wand zu schauen und die kleine Maus darauf zu suchen. Ich spürte nur einen leichten Druck, und noch während ich suchte, klebte sie mir bereits ein Pflaster auf die Wunde und drückte mir ein kleines Päckchen Gummibärchen in die Hand. Ich konnte kaum glauben, dass es schon vorbei war. Danach wollte ich alles sehen: die benutzte Spritze, den Tupfer und die Reagenzgläser mit meinem Blut.
Seit ich volljährig bin, gehe ich alle vier Monate
Ab da schaute ich bei jeder Blutentnahme genau zu – wie die Nadel tief in meine Haut drang und dunkelrotes, fast schwarzes Blut in die Kanüle rauschte. Auf dem Weg zur Schule aß ich meine Gummibärchen auf nüchternen Magen zum Frühstück und kam mir dabei sehr souverän vor. Vielleicht ist es dieses berauschende Gefühl der Souveränität, das mich noch immer nach der Blutspende erfasst. Seit ich volljährig bin, gehe ich alle vier Monate.
Ich hole meinen Blutspendeausweis aus dem Portemonnaie hervor, betrete den EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg und folge den Schildern des DRK in den dritten Stock.
Auch diesmal empfängt mich ein Hüne in Rotkreuzjacke freundlich, und nachdem er mich in der Datenbank gefunden hat, reicht er mir ein langes Formular, das ich bei jeder Blutspende aufs Neue ausfüllen muss. Das tue ich in einer kleinen Kabine, die an die Diskretion von Wahlkabinen erinnert. Ich beantworte Dutzende persönliche Fragen zu Gesundheit, Sexualität und Reisen. Am Ende muss ich einen von zwei Stickern auswählen und auf das Kästchen über meiner Unterschrift kleben. „Ja, mein Blut darf zur Spende benutzt werden“ oder „Nein, mein Blut darf nicht benutzt werden“. Schon oft habe ich mich gefragt, wofür die Aufkleber gut sind. Sind wir nicht alle zum Spenden hier?
Auf dem Weg zum Arzt frage ich den Mann in der Rotkreuzjacke, der mir bereitwillig Auskunft gibt. Manche ließen sich aus gesundheitlichen Gründen Blut abnehmen. Wer alle vier Monate kontrolliert einen halben Liter Blut verliere, könne damit nachhaltig seinen Blutdruck senken. Ist also doch was dran am guten alten Aderlass? Ja, sagt der Mann, er leide selbst an Bluthochdruck und merke eine Besserung. Blutspenden mache deswegen auch ein bisschen high, fügt er lachend hinzu. Ich bin jetzt schon ein wenig berauscht – die fröhliche Stimmung ist typisch für Blutspendestationen und wirkt ansteckend. Vielleicht will man damit kollektiv kaschieren, dass es hier wie kaum woanders um Leben und Tod geht?
Eine Ärztin schießt mir mit einer Art Blutpistole ins Ohrläppchen und misst meinen Hämoglobinwert. Liegt der Wert unter 12,5, darf ich als Frau kein Blut spenden, aber ich habe keine Bedenken. Meine letzte Menstruationsblutung liegt zwei Wochen zurück, und mein Hämoglobinwert ist gut, der Blutdruck normal. Weiter geht es zur nächsten Station – der eigentlichen Blutspende.
Eine angenehme Gleichgültigkeit flutet mich
Ich nehme auf einer Liege Platz, und eine Ärztin mit der Nadel kommt. Ein Pikser, dann sitzt das dicke Ding. Dunkelrot läuft mein Blut in die Konserve neben mir, ich öffne und schließe die Hand, pumpe brav mit. An kühlen Tagen ziehen die Gefäße sich zusammen, deswegen muss man nachhelfen, denn nach 15 Minuten geht die Maschine aus, auch wenn die Konserve noch nicht voll ist. Dann müsste die Spende vernichtet werden. Unter mir führt die halbgefüllte Konserve in ihrer Halterung eine ihr eigentümliche Bewegung durch – ich nenne sie den Bluttango. Die Bewegung ist nötig, damit das Blut nicht gerinnt. Das Blut wird in der Konserve mit einer Flüssigkeit vermischt, die sich bereits in der Konserve befindet, um die Blutspende haltbar zu machen. Die Konservierungsflüssigkeit wird im Labor dann wieder von der eigentlichen Blutspende getrennt. Dieses ausgeklügelte System funktioniert aber erst ab einer bestimmten Menge Blut, auch deswegen müssen mindestens 500 Milliliter gespendet werden.
Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Der Aderlass fängt an zu wirken: Eine angenehme Gleichgültigkeit flutet mich, meinem doch eher cholerischen Temperament werden die Spitzen gekappt, und ich komme für die nächsten zehn Minuten in eine tiefe Entspannung. Ein leises Piepsen deutet an: Die Blutkonserve ist voll. Die Ärztin kommt, und bevor sie die Konserve zur Kühlbox trägt, lege ich noch einmal die Hand darauf. Sie fühlt sich warm und wabbelig an, so wie ich mir die Blutklöße immer vorgestellt habe, die Michel aus Lönneberga so gern isst. Mein Blut wird übrigens nicht eingefroren, sondern kühl gelagert. So ist es 42 Tage haltbar und muss in dieser Zeit auch verbraucht werden.
Ein gesundes Ritual
Mit verbundenem Arm richte ich mich vorsichtig auf und setze die Beine auf den Boden. Ruhe und Zufriedenheit haben sich in meinem Körper breitgemacht, die in der nächsten Stunde nicht verschwinden werden. Ich stehe auf und folge den „Imbiss“-Schildern, selten habe ich so großen Appetit auf Kohlenhydrate. Im hinteren Teil der Halle hat das DRK ein Büffet angerichtet, ich greife nach den mit Käse belegten Broten, packe mir saure Gurken und einen Windbeutel auf den Teller. An einem Tisch werden Witze gerissen und süße Getränke geschlürft. Ich setze mich zu einem älteren Mann an den Tisch. Er grüßt freundlich, auch er strahlt tiefe Zufriedenheit aus. Ist es vielleicht gar nicht der gesunde Aderlass, der mir das Blutspende-High gibt, sondern bin ich vielleicht berauscht vom Glück, das man empfindet, wenn man gibt – etwas verschenkt?
Am Ausgang stehen zwei Frauen hinter einem Tisch voller Haribotüten. Zwei darf ich mir aussuchen. Ich stecke meinen Blutspendeausweis, der noch lose in der Manteltasche lag, zurück in mein Portemonnaie. Viele Jahre trug ich an der gleichen Stelle einen ganz anderen Ausweis. „Kein Blut“ stand darauf und markierte mich als Mitglied der Zeugen Jehovas, die Bluttransfusionen ablehnen. Erst nach meinem Ausstieg als Jugendliche wurde mir bewusst, was für eine Todesangst ich als Kind ausgestanden hatte: vor einem schweren Unfall oder einer Leukämie – Schicksalsschläge, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu meinem Tod geführt hätten. Vielleicht ist das Blutspenden auch deswegen für mich ein so gesundes Ritual. Es nimmt mir die kindliche Angst, zu verbluten.
Ich weiß nicht, wer mein Blut bekommt. Es wird einfach die Person, die es am nötigsten braucht. In vier Monaten gehe ich wieder spenden.