Ulmer Basketballer im BBL-Finale: Vor der entscheidenden Partie fehlt Noa Essengue – Sport | ABC-Z

Natürlich war Albert Einstein in der Halle. Die Ulmer Fans hatten auf der Tribüne ein riesiges Konterfei des berühmtesten Sohnes der Stadt aufgezogen, daneben eine Formel, angelehnt an dessen Relativitätstheorie: U = lm². Ulm im Quadrat also, allein diese sehenswerte Choreografie der Anhängerschaft der Ulmer Basketballer verdeutlichte, dass die Schwaben mit einiger Zuversicht in dieses vierte Finalspiel der Best-of-five-Serie um die deutsche Meisterschaft gegangen waren.
Schließlich war die Aussicht auf den zweiten deutschen Meistertitel nach 2023 durch den Auswärtssieg am vergangenen Samstag sehr realistisch geworden. Aber der Titelverteidiger wusste das zu verhindern. Der FC Bayern nämlich spielte mit einer Defensive im Quadrat, hielt die in der gesamten Saison so offensivstarken Ulmer bei für sie kümmerlichen 53 Punkten und erzwang mit selbst erzielten 67 Zählern den Sieg. Und damit den Showdown im letzten Saisonspiel am kommenden Donnerstag (20 Uhr, Dyn) im heimischen SAP Garden sowie die Möglichkeit, die Saison nach dem Pokal-Aus und dem Verpassen der Playoffs in der Euroleague zu retten.
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:„Das war für mich der letzte Sommer mit der Nationalmannschaft“
Der 118-malige deutsche Basketballnationalspieler Niels Giffey spricht über den Schock am Ende der Sommerspiele in Paris, den FC Bayern München, zu große Belastungen im Profisport – und er verkündet seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft.
Nötig war dafür eine enorme Energieleistung im 82. Spiel der Saison – ein Wert mit NBA-Dimension. Die hohe Belastung hatte über die gesamte Saison gesehen immer wieder Tribut gefordert, weshalb die Münchner den Saisonhöhepunkt ohne ihren besten Punktesammler Carsen Edwards bestreiten müssen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass kein anderes Team in der Basketball-Bundesliga (BBL) einen derart starken Kader wie der FC Bayern zur Verfügung hat. Umso höher sind die Leistungen der Ulmer einzuordnen. Das Team von Trainer Ty Harrelson ist eine stimmige Mischung aus gestandenen BBL-Spielern wie Nelson Weidemann oder Karim Jallow, beide mit Erfahrungen aus dem Nationalteam, sowie einer Garde an Hochtalentierten. Seit Jahren überzeugen die Ulmer mit klugem Scouting und einem Näschen für Talente, die dann in ihrem Nachwuchsleistungszentrum Orange Academy den letzten Feinschliff erhalten.
Und ausgerechnet diese erfolgreiche Nachwuchsarbeit brachte nun Ärger in die Finalserie. Denn der 18-jährige Noa Essengue und der ein Jahr ältere Ben Saraf haben gute Chancen, beim NBA-Draft einen Arbeitgeber in der besten Liga der Welt zu finden – und am Mittwoch und Donnerstag steigt die Veranstaltung in Übersee. Ein Antrag der Ulmer auf Verlegung der Finalspiele vier und fünf war von der BBL abgelehnt worden; auch dass die Münchner keinen Termin fanden, weil die Halle belegt ist, stieß auf wenig Verständnis im Schwabenland. Der Israeli Saraf entschied sich schließlich fürs BBL-Finale, während der Franzose Essengue am Montag nach New York entschwebte. Somit musste Ulms Cheftrainer Harrelson „auf einen Schlüsselspieler“ verzichten, wie er befand.
Höher wollte der US-Amerikaner die Angelegenheit an diesem Abend aber nicht hängen. Am Ergebnis sei dieser Umstand nicht schuld, sagte Harrelson sportlich fair, zumal der Gegner ja auch auf seinen Besten habe verzichten müssen. Dennoch war das Spiel bis zum finalen Viertel völlig ausgeglichen. Topscorer Weidemann (13 Punkte), der in München ausgebildet wurde, aber den Durchbruch nicht schaffte und nach mehreren Ausleihen in Ulm landete, sowie Tobias Jensen, ein weiteres Talent aus der Ulmer Akademie (10), hielten ihr Team aussichtsreich im Rennen.
Die Münchner Routiniers Shabazz Napier und Devin Booker drehen das Spiel
Aber schon der letzte Wurf im dritten Durchgang zeigte die Richtung an, in die sich das Spiel fortan entwickelte: Münchens Spielmacher Shabazz Napier traf mit einem Dreier zum 49:44. Den Guard mit NBA-Erfahrung schienen die 6000 tobenden Fans in der ausverkauften Arena in Neu-Ulm geradezu anzuspornen. Napier war mit 15 Punkten bester Schütze auf dem Parkett und initiierte zusammen mit Devin Booker (11), der den Ball zweimal per Dunking in den Ulmer Korb hämmerte, einen 15:0-Lauf. Jeder Punkt schien den tapferen Schwaben Energie zu entziehen, der Widerstand war gebrochen.
Der Schlüssel allerdings war, neben der besseren Bank, die erstklassige Defensivarbeit der Gäste. Zum einen hielt Bayern-Coach Gordon Herbert entgegen seiner Gewohnheit die Rotation größer, was gerade in Fall Ivan Kharchenkov eine gute Idee war. Münchens Edeltalent brachte viel Schwung und erzielte sieben Punkte in der ersten Halbzeit. Zum anderen hatten die Bayern ihre Lehren aus der jüngsten Heimniederlage gezogen: „Wir haben uns besser auf die gegnerischen Spieler eingestellt“, erklärte Weltmeister Niels Giffey. Im SAP Garden habe man diesen noch zu viel Raum gegeben. Dieses Mal „haben wir diszipliniert verteidigt und unsere Emotionen besser kontrolliert“. Keine einfache Aufgabe mit dem Aus vor Augen, gab Giffey zu: „Der Druck war groß“, auch die hitzige Atmosphäre in der Ulmer Arena habe Wirkung hinterlassen: „Die Stimmung hier ist stark, aber wir sind cool und als Mannschaft zusammengeblieben.“
Auch Herbert hob die Abgeklärtheit seiner Spieler hervor, die keineswegs fehlerlos agierten: „Unsere mentale Stärke war sehr gut angesichts der offensiven Fehler wie vergebene Korbleger und Ballverluste. Wir sind resilient geblieben.“
Einmal noch müsse man sich aufbäumen, so Giffey, noch sei nichts erreicht und „der Druck bleibt groß“. Auf die Frage, ob denn die Erfahrung, ein klarer Vorteil aufseiten der Münchner, den Ausschlag geben werde, sagte der Routinier: „Es ist Ende Juni, super heiß, alle kämpfen, alle schwitzen und mobilisieren die letzten Reserven. Da hilft auch keine Erfahrung.“