München: Friedenspreis für Ludwig Prinz von Bayern – München | ABC-Z

Ist es naiv, wenn man in Zeiten des Krieges von Frieden träumt? Wenn alle um einen herum über Angriffe, Gegenangriffe und Vergeltungsschläge debattieren, wenn überall auf der Welt aufgerüstet wird und der Nato-Gipfel zur reinen Ego-Show eines Nun-doch-Kriegspräsidenten wird: Dann kann man nicht mehr von Frieden träumen – sondern muss es sogar. Wie eine solche Träumerei aussehen könnte, erfährt man an einem heißen Sommertag in München, bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Films „Die Brücke“.
Draußen staut sich die Hitze, drinnen auch: Trotzdem sind am Dienstagabend viele Gäste der Einladung ins Cuvilliés-Theater gefolgt, selbstredend in friedlicher Mission. So etwas ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr, woanders gibt es Eklats und Antisemitismus-Vorwürfe wie etwa im Vorjahr bei der Berlinale, anderswo flippen leer ausgegangene Nominierte sogar aus wie bei der letzten Buchpreisverleihung in Frankfurt. Beim Friedenspreis geht es dagegen recht gesittet zu: kein Streit, keine Anfeindungen, keine Kritik. Wobei man die Verleihung schon kritisieren könnte, dazu aber später mehr.
Bevor die ersten Trophäen in Form eines Brückenpfeilers ihre Empfänger finden, geht es um das zu solchen Veranstaltungen wohl zwingend dazugehörige Spiel zwischen Fotografen und Gästen: Die einen warten vor dem Eingang und fordern außergewöhnliche oder alberne Posen, die anderen wollen möglichst schnell rein. Und jene, die ungefragt posieren und am besten gar nicht reinwollen, die mögen die Fotoleute nicht. „Ich muss noch meine Karte abholen“, sagt Schauspielerin Ilse Neubauer fast entschuldigend. „Wir warten noch auf einen unserer Produzenten“, erklärt Autor Moritz Binder seine Foto-Unlust. Andere Gäste wie Jutta Speidel, Ernst Hannawald, Brigitte Hobmeier, Franz Herzog von Bayern und Thomas Greinwald schaffen es (beinahe) unerkannt ins Innere des Theaters.
Vermutlich üben sie sich in Zurückhaltung, um nicht vom eigentlichen Anlass des Abends abzulenken: Solch ein Friedenspreis ist schließlich eine ernste Angelegenheit. Erstmals vergeben wurde er vor 23 Jahren, damals hieß er noch Bernhard-Wicki-Filmpreis – in Erinnerung an den im Jahr 2000 verstorbenen Schauspieler und Regisseur sowie dessen größten Filmerfolg „Die Brücke“. Ganz im Sinne des Namensgebers wollen die Preisstifter „künstlerisch herausragende Filme mit einer humanistischen, gesellschaftspolitischen und friedensstiftenden Dimension“ ehren. Das gelingt ihnen auch: Große Namen wie Klaus Maria Brandauer, Senta Berger oder Aki Kaurismäki sind unter den früheren Preisträgern, ebenso wie die filmischen Meisterwerke „The Zone of Interest“ oder „Das Leben der Anderen“.
Von vielen als Meisterwerk gefeiert wird auch das heimlich in Iran gedrehte, in Cannes gefeierte und für einen Oscar nominierte Drama „Die Saat des heiligen Feigenbaums“. Es erhält im Cuvilliés-Theater die Auszeichnung für den besten internationalen Film. Dessen Regisseur Mohammad Rasoulof lebt mittlerweile in Deutschland, zur Preisverleihung schickt er aber seinen Filmeditor Andrew Bird. „Ich sehe den Preis als kleines Zeichen der Hoffnung“, sagt dieser angesichts der jüngsten Kriegshandlungen zwischen Israel und Iran.
Mit dem Spezialpreis ausgezeichnet wird der von Ludwig Prinz von Bayern und Katja Eichinger koproduzierte Film „Nawi – Dear Future Me“. Darin geht es um ein 13-jähriges Mädchen aus Kenia, das sich gegen ihre Zwangsverheiratung wehrt. Von einem Kinderschicksal erzählt auch der mit dem Debütpreis prämierte Spielfilm „Mit der Faust in die Welt schlagen“: Zwei Brüder aus Ostdeutschland wachsen in einer Welt ohne Perspektiven auf, lernen Fremdenhass und Faschismus kennen. Die Regisseurin Constanze Klaue sagt in ihrer Dankesrede: „Es mangelt nicht an Analysefähigkeit, sondern an Handlungskompetenz.“

Man hört an diesem Abend viele solcher Mahnrufe, Denkanstöße und Friedensappelle, dafür gibt es viel Applaus. Doch der Inszenierung lässt sich eine gewisse Behäbigkeit nicht abstreiten, dazu tragen auch die steifen Moderationen und ellenlangen Laudationen bei. Die Preisträger halten sich dafür umso kürzer: „Man sagte mir, dass ich nicht länger als zwei Minuten sprechen soll“, erzählt Tim Fehlbaum vor der Verleihung. Der Regisseur erhält den Brückenpfeiler für das Münchner Filmwunder „September 5“ über den Terroranschlag bei den Olympischen Spielen 1972. Als Verstärkung hat er den Drehbuchautoren Moritz Binder sowie seine Produzenten Thomas Wöbke, Philipp Trauer und Rüdiger Böss mitgebracht. Auf der Bühne zeigt er sich demütig und stolz, dankt vielen und spricht von Brücken zwischen der Vergangenheit und Gegenwart – sowie von der „Brücke“, die diesen Preis inspiriert hat. Da ist alles drin, dafür braucht er keine drei Minuten.