Die Bombe, die Kriege beendet | ABC-Z

Im Jahr 1990, als Iraks Diktator Saddam Hussein seine Streitkräfte anwies, Kuwait zu erobern, reagierte die amerikanische Regierung mit der Operation „Desert Storm“ (Wüstensturm). Die 42 Tage währende Militäroperation durchbrach die irakischen Verteidigungslinien und dezimierte die konventionellen Streitkräfte. Saddam Hussein und seine Kommandeure retteten sich in unterirdische Bunker, die mit Betonschichten gesichert waren, und gaben von dort aus ihren Truppen Anweisungen. Zudem herrschte die Sorge in Washington, dass die Iraker in den rund 100 Bunkern ABC-Waffen lagerten.
Die Versuche der Amerikaner, die Bunker zu zerstören, scheiterten. Die damals verfügbaren Bunkerbrecher des Typs BLU-109 konnten Betonschichten, die dicker als 180 Zentimeter waren, nicht durchstoßen. Die amerikanische Luftwaffe forderte deshalb eine Bombe an, die mehr leisten konnte. Zeit war ein entscheidender Faktor.
Damit sich die Bombe durch tiefe Schichten durcharbeiten konnte, musste sie extrem hart sein. Ingenieure fanden das geeignete Material in Kanonenrohren der Howitzer-Kanonen. Sie frästen die Rohre zurecht, füllten sie mit hochexplosivem Material, versahen sie mit Flügeln und Flossen, die den Flug stabilisierten, und verknüpften sie mit einem Laserleitsystem, das die Bomben an ihr Ziel führen sollte.
Eine der schnellsten Waffenentwicklungen überhaupt
Die Entwicklung dauerte weniger als vier Wochen, berichtet Jeff Duford, Militärhistoriker der amerikanischen Luftwaffe. Sie war damit eine der schnellsten Waffenentwicklungen überhaupt. Nach Tests und Verbesserungen in Florida kamen nur zwei der Bunkerbrecher der neuen Generation im Irakkrieg zum Einsatz, die Hussein den Garaus machen sollten. Die erste verfehlte ihr Ziel, doch die zweite traf und zerstörte einen Kommando-Bunker der irakischen Streitkräfte vollständig, wenn auch Saddam zunächst mit dem Leben davonkam. Wenige Stunden nach diesem Militärschlag ergaben sich die irakischen Streitkräfte. Die Bombe des Typs GBU-27 bekam deshalb den Ruf, den Krieg beendet zu haben. Lockheed Martin fertigte zusammen mit dem Schmiedeunternehmen Ellwood National Forge 160 dieser Bomben, deren Durchschlagkraft aber bald nicht mehr reichte.
Gegen 2002/2003 stellten amerikanische Geheimdienste fest, dass feindlich gesinnte Mächte wie Nordkorea, China und Iran begannen, wichtige militärische Einrichtungen, strategische Waffen, Entwicklungsstätten und Kommandozentralen tief unter Bergen oder unter meterdicken Betonschichten zu vergraben. Offenbar hatten sie aus dem Irakkrieg gelernt.
Neuartiges Radargerät entdeckte unterirdische Bunkeranlagen
Nach Erkenntnissen des Pentagons gab es kurz nach der Jahrtausendwende rund 10.000 unterirdische Bunkeranlagen, von denen zehn Prozent mit den verfügbaren Waffen nicht zerstört werden konnten. Man verdankte diese Erkenntnis dem kalifornischen Unternehmen Bahktar Associates des Bergbauingenieurs Khosrow Bakhtar. Er hatte 1999 ein Radargerät entwickelt, mit dem unterirdische Bunkeranlagen bis zu einer Tiefe von 45 Metern entdeckt werden konnten.
Deshalb gab das Pentagon den Auftrag, eine Bombe zu entwickeln, die 20 Meter Beton oder 60 Meter Erde durchdringen konnte und dank einer verzögerten Zündung erst dann detonierte. Der Auftrag war auch ein Eingeständnis, dass die Nonproliferationspolitik der vergangenen Jahrzehnte die Weiterverbreitung von ABC-Waffen in Schwellenländern mittels Rüstungskontrollabkommen und Exportbeschränkungen nicht wirklich verhindern konnte.
Die Defense Threat Reduction Agency (DTRA), eine Spezialagentur mit dem Auftrag, Massenvernichtungswaffen der Gegner durch Eigenentwicklungen zu neutralisieren, formulierte die Anforderungen, das Forschungslabor der Luftwaffe leitete die technische Entwicklung. Boeing wurde schließlich mit der Erprobung und Produktion betraut. Zwischen Auftrag und Indienststellung lagen dieses Mal allerdings sieben Jahre statt vier Wochen.
Der wichtige Eglin-Stahl
Eine wichtige Rolle in der Entwicklung spielte die Ellwood National Forge Company, die zusammen mit Forschern der Luftwaffe den Eglin-Stahl entwickelte – ein Material, das extrem fest und zäh, aber zugleich deutlich billiger war als aufwendig legierte Stahlsorten mit gleichen Eigenschaften.
Als das Pentagon einmal einen Auftrag für die Gefechtsköpfe kleinerer Bunkerbrecher an einen Konkurrenten vergab, an dem der von den USA sanktionierte russische Oligarch Viktor Vekselberg über seine Schweizer Beteiligung an dem Stahlunternehmen Schmolz & Bickenbach indirekt beteiligt war, intervenierten Kongressabgeordnete erfolgreich. Das Pentagon widerrief den 400-Millionen-Dollar-Auftrag, lenkte ihn zu Ellwood National Forge um und rief damit in Erinnerung, dass Rüstungspolitik in den USA immer auch Industriepolitik ist.
Die Bombe, von der offenbar 14 in Iran abgeworfen wurden, heißt offiziell GBU-57A/B „Massive Ordnance Penetrator“ (MOP). Sie ist 13.600 Kilogramm schwer und wird durch ein Globales Positionierungssystem (GPS) und ein Trägheitsnavigationssystem (INS) gesteuert. Das Gehäuse der Bombe besteht aus einer hochdichten Eglin-Stahllegierung (ES-1), die den enormen Drücken beim Eindringen in das Ziel vor der Detonation standhält.
Im März 2012 wurde berichtet, dass ein einsatzfähiger Vorrat an GBU-57A/B auf der Whiteman Air Force Base, dem Heimatstützpunkt der B-2-Flotte der Luftwaffe, gelagert wurde. Bis November 2015 waren mindestens 20 Einheiten hergestellt worden. Der Tarnkappenbomber B-2 ist bisher das einzige Kampfflugzeug, das den Bunkerbrecher tragen kann.
Diese „Mutter aller Bomben“ exportieren die Vereinigten Staaten nicht – dafür aber leichtere Varianten, unter anderem nach Israel. Sie kamen zum Einsatz, als die israelischen Streitkräfte die unterirdischen Kommandozentralen der Terrororganisation Hizbullah in Beirut vernichteten. Dabei kamen der Führer der Organisation, Hassan Nasrallah, und Mitglieder des Führungsteams ums Leben. Der Konflikt ruht inzwischen. Seit dem November 2024 herrscht ein Waffenstillstand zwischen der Hizbullah und Israel.