Eva Lys scheidet in Bad Homburg nach falscher Wahl aus | ABC-Z

Es ist der 9. März dieses Jahres, als sich Eva Lys mit einer verheißungsvollen Nachricht an die deutschen Tennisfans wendet. Sie freue sich, beim Bad Homburger WTA-Turnier zu starten, übermittelt die Hamburgerin in einem Kurzvideo, das über die sozialen Netzwerke verbreitet wird. Zu jenem Zeitpunkt ist Lys seit einigen Wochen die Nummer eins unter den deutschen Tennisdamen und daher sehr beliebt bei Sportfans und Turnierveranstaltern.
Bei den Bad Homburg Open ist man so entgegenkommend, der Dreiundzwanzigjährigen eine Wildcard zu geben. Lys weiß dies sehr zu schätzen, wie sie in dem Video überschwänglich erklärt: „Es war für mich immer schon ein Traum, in der Woche vor Wimbledon dort im Hauptfeld zu spielen.“
Es ist Sonntag, 22. Juni, als Eva Lys bei den Bad Homburg Open verletzt aufgeben musste: beim Stand von 4:6, 2:3 gegen die Australierin Ajla Tomljanovic in der zweiten Qualifikationsrunde. Dreieinhalb Monate nach ihrem Video voller Vorfreude war die Lage schlagartig eine andere. Zuerst war die angeblich traumhafte Wildcard für Lys Geschichte, nun ist fraglich, wie die nähere Zukunft aussehen wird. Womöglich reist die Deutsche angeschlagen nach Wimbledon, wo sie nach ihrem Aufschwung der vergangenen Monate erstmals direkt im Hauptfeld antreten könnte.
Eva Lys tauscht kurzfristig mit Laura Siegemund
Im Nachhinein betrachtet, hätte Eva Lys ihre Bad Homburger Pläne wohl doch nicht kurzfristig über den Haufen werfen sollen. Statt direkt auf dem Centre Court anzufangen, lief sie am Wochenende zweimal auf dem Matchcourt 1 auf. Also auf einem jener beiden Rasenplätze, bei denen die Zuschauer kostenlos Zutritt haben und den Spielerinnen recht nahe kommen.
Der erste Turniersamstag ist im Kurpark stets den Profis vorbehalten, die in der Weltrangliste zu schlecht fürs Hauptfeld dastehen oder keine Wildcard erhalten haben und sich deshalb über Qualifikationsrunden voranarbeiten müssen. Was hatte Lys, der vom Veranstalter doch quasi eine Eintrittskarte für den Centre Court überreicht worden war, auf den billigen Plätzen zu suchen?
Dass Eva Lys die letztlich vergeblichen Mühen der Qualifikation auf sich nehmen wollte, war erst am Freitagabend bei der Auslosung ersichtlich geworden. Im Tableau des Hauptfeldes tauchte nicht ihr Name auf, sondern der von ihrer Landsfrau Laura Siegemund, die eigentlich in der Qualifikation hätte antreten sollen. Wer diesen scheinbaren Tausch überhaupt bemerkte, war verblüfft. Ist es doch äußerst ungewöhnlich, dass ein Tennisprofi so ein Schnäppchen ausschlägt und auf einen gesicherten Weltranglistenpunkt sowie knapp 10.000 Euro Prämie verzichtet, die Lys als Bad Homburger Erstrundenteilnehmerin von vorneherein erhalten hätte.
„So viele Matches wie möglich vor Wimbledon“
Nachdem sie die Kroatin Ana Konjuh am Samstag auf dem Außenplatz nach drei Sätzen besiegt hatte, erklärte Lys gegenüber der F.A.Z. ihr ungewöhnliches Verhalten. „Nach Berlin habe ich mit dem Team beschlossen, dass es mich vielleicht besser ist, die Quali zu spielen, damit ich mehr Möglichkeiten auf Matches habe“, sagte Lys. Mit ihrer Formulierung „nach Berlin“ wies sie auf eine empfindliche Niederlage hin, die ihr in der vergangenen Woche in der ersten Runde des Rasenturniers in der Hauptstadt von Paula Badosa zugefügt wurde.
3:6, 1:6 und nur eine Stunde Spielzeit, das erschien Lys und ihren Eltern, die für Training und Management zuständig sind, als allzu bittere Lektion. Damit ihr ein ähnlicher Dämpfer nicht auch im Bad Homburger Hauptfeld widerfährt, hatte sich die Tennisfamilie entschieden, dass Eva Lys über die Qualifikation möglichst viel Erfahrung auf dem Rasen des Kurparks sammelt.
Am Donnerstag und Freitag wurde dort eifrig trainiert, am Wochenende sollte Spielpraxis folgen. „Weil Rasen so ein schwieriger Belag ist, versucht man, so viele Matches wie möglich vor Wimbledon reinzubekommen“, erklärte Lys. „Das Wissen, im Hauptfeld eventuell gleich gegen eine Top-Top-Spielerin mit jahrelanger Rasen-Erfahrung spielen zu müssen, hat uns bewogen, in der Quali zu starten.“ Doch statt sich Selbstvertrauen zu holen, muss Lys nun auf die Schnelle gesund werden. Der Körper hat dem Geist gewissermaßen einen Strich durch seine Wimbledon-Rechnung gemacht.
Angeblich nichts zu tun hatte die Entscheidung, in Bad Homburg auf die Wildcard zu verzichten, mit der Tatsache, dass Lys ihr Kontingent an Wildcards bereits ausgeschöpft hatte. Laut WTA-Regularien darf jede Spielerin pro Saison höchstens sechs solcher Freispielscheine annehmen, davon maximal drei fürs Hauptfeld.
Tatjana Maria nun deutsche Nummer eins
Lys hatte bei allen Frühjahrsschnäppchenangeboten der Turnierveranstalter, die ihren Zuschauern die neue deutsche Nummer eins präsentieren wollten, zugeschlagen und in Linz, Stuttgart und Berlin direkt im Hauptfeld gespielt. Die Bad Homburger Wildcard wäre ihre vierte geworden – hat Lys womöglich vergessen mitzuzählen? „Es liegt in der Verantwortung der Spielerin, die Anzahl der genutzten Wildcards zu verfolgen“, heißt es im Regelwerk der Profiorganisation. „Wir haben mit der WTA gesprochen, es hätte eine Ausnahmegenehmigung gegeben“, sagte Lys gegenüber der F.A.Z.
Am Sonntag musste sich die 62. der Weltrangliste, die den Status als deutsche Spitzenkraft vor einer Woche an Tatjana Maria verlor, im zweiten Satz am Rumpf behandeln lassen. Es half nichts, nach 77 Minuten musste Lys geschlagen den Platz verlassen. Darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf die Wildcard auch nach hinten losgehen könnte, hatte Eva Lys am Samstag geantwortet: „Stimmt, aber mit so einem Gedanken muss man, glaube ich, in jedes Turnier gehen.“
Marketa Vondrousova siegt in Berlin
Die frühere Wimbledon-Siegerin Marketa Vondrousova hat den märchenhaften Lauf der Qualifikantin Wang Xinyu im Finale gestoppt und das Tennisturnier in Berlin nach einer Hitzeschlacht gewonnen. Die Tschechin setzte sich gegen die Überraschungsspielerin der Woche mit 7:6 (12:10), 4:6, 6:2 durch und feierte den dritten WTA-Titel ihrer Karriere.
Wang hatte im ersten Durchgang beim Stand von 5:4 und 6:5 jeweils zum Satzgewinn aufgeschlagen. Im Tiebreak vergab sie eine 6:2-Führung. Das gesamte Match dauerte bei über 30 Grad Celsius 2:15 Stunden.
Tatjana Maria scheidet in Bad Homburg früh aus
Der sensationelle Erfolgslauf von Tatjana Maria (37) ist bei der Wimbledon-Generalprobe in Bad Homburg abrupt zu Ende gegangen. Eine Woche nach ihrem Titel-Coup in Queen’s schied Maria nach einem schwachen Start mit dem 0:6, 6:7 (1:7) in der ersten Runde gegen die Kanadierin Leylah Fernandez aus. Bei mehr als 30 Grad Celsius war das Rasenturnier nach 1:20 Stunden für die nächste deutsche Teilnehmerin beendet. (dpa)