Oktoberfest-Chef: „Wenn es ein Täter im öffentlichen Raum wirklich darauf anlegt, wird er einen Weg finden“ | ABC-Z
Nach dem Anschlag in Solingen überprüft Oktoberfest-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) das Sicherheitskonzept grundlegend. Scanner wie am Flughafen halte er beim „größten Volksfest der Welt“ nicht für zielführend. Die Balance zwischen Sicherheitsmaßnahmen und „freiheitlichem“ Alltag dürfe nicht verrutschen.
Der Jurist Clemens Baumgärtner (CSU), 48, ist seit März 2019 Wirtschaftsreferent der Stadt München – und gleichzeitig Leiter des Oktoberfests. Das größte Volksfest der Welt beginnt am 21. September und endet am 6. Oktober.
WELT: Herr Baumgärtner, als Sie von der Terrortat in Solingen erfuhren, was war Ihre erste Reaktion?
Clemens Baumgärtner: Zunächst waren meine Gedanken natürlich bei den Opfern dieser schrecklichen Tat. Im zweiten Schritt war uns klar, dass wir das Sicherheitskonzept der Wiesn noch mal genau auf den Prüfstand stellen. Es wäre fahrlässig, dies nicht zu tun. Das Stadtfest in Solingen ist grundsätzlich vergleichbar mit dem Oktoberfest, es gibt aber natürlich auch große Unterschiede.
Baumgärtner: Bei beiden Festen gibt es große Gruppen von Menschen, die sich auf engem Raum aufhalten. Gleichzeitig richten wir in München das größte Volksfest der Welt aus, haben große Erfahrung mit allen Arten von Bedrohungen und ein Sicherheitskonzept, das immer wieder angepasst wird.
WELT: Worauf müssen sich Ihre Gäste in diesem Jahr einstellen?
Baumgärtner: Ich denke schon, dass die Einlasskontrollen noch mal intensiviert werden. Es könnte also sein, dass es an den Zugängen zu etwas längerer Wartezeit kommt. Wichtig ist auch hier, das richtige Maß zu finden – es bringt sicherheitstechnisch nichts, wenn sich dann vor dem Gelände riesige Schlangen bilden. Das Gelände ist umzäunt, an den Eingängen versperren Beton-Poller den Weg, keine Autos kommen durch. Glasflaschen mitzuführen ist verboten, Behältnisse über drei Liter sind nicht erlaubt, Messer natürlich ebenfalls nicht. Wir werden sicherlich die privaten Sicherheitsdienste, mit denen wir zusammenarbeiten, auch noch mal sensibilisieren. Ansonsten bitte ich um Verständnis, dass wir unsere Sicherheitsmaßnahmen öffentlich nicht konkreter ausführen können.
WELT: Nach Solingen wird breit diskutiert, wie deutsche Städte jetzt ihre Feste gegen Terror wappnen wollen. Welche Vorschläge in der Debatte halten Sie für unsinnig?
Baumgärtner: Wichtig ist, dass die Balance zwischen vernünftigen Sicherheitsmaßnahmen und unserem freiheitlichen Alltag nicht verrutscht. Scanner an den Eingängen wie etwa am Flughafen halte ich etwa für nicht zielführend, das ist nicht umsetzbar. Klar ist aber auch: Wenn es ein Täter im öffentlichen Raum wirklich darauf anlegt, dann wird er einen Weg finden. Eine absolute Sicherheit kann es auch auf dem Oktoberfest nicht geben. Aber wir tun alles dafür, dass wir auch in diesem Jahr wieder ein friedliches Fest feiern können.
WELT: Jeder Wiesn-Beobachter kennt das Phänomen der sogenannten Maßkrug-Schlägereien. Machen Sie sich Sorgen um Bierkrüge als Tatwaffen?
Baumgärtner: Mir ist es sehr wichtig, hier genau zu unterscheiden. Das eine ist das unsägliche Geschehen rund um Schlägereien mit Bierkrügen, diese Vorfälle haben wir leider jedes Jahr. Solche leider auch schweren Körperverletzungen haben aber nichts mit Amoktaten und terroristischen Anschlägen zu tun. Ich werbe wirklich dafür, dass wir nicht in Panik verfallen.
WELT: Die Wiesn war immer ein widerstandsfähiges Fest. Selbst 2001 unter dem unmittelbaren Eindruck der Anschläge des 11. Septembers fand das Oktoberfest statt.
Baumgärtner: Damals war ich noch nicht in politischer Verantwortung, aber ich erinnere mich an die Debatte. Wir werden wachsam sein, für uns ist auch in diesem Jahr klar: Das Oktoberfest ist und bleibt eines der sichersten Volksfeste der Welt.
Korrespondent Philipp Woldin kümmert sich bei WELT vor allem um Themen der inneren Sicherheit und berichtet aus den Gerichtssälen der Republik. Seine Texte finden Sie hier.