Was Florian Wirtz beim FC Liverpool bewirken soll | ABC-Z

In der Regel purzeln Rekorde nicht einfach so aus heiterem Himmel, und so ist es plausibel, dass auch der Doppelhöchstwert, der von nun an als leuchtende Marke über dem englischen und dem deutschen Fußball steht, im Verlauf eines ziemlich zähen Prozesses entstanden ist.
„Jetzt ist es endlich so weit“
Den Vertrag hat Wirtz am Freitag nach seinem erfolgreichen Medizincheck unterschrieben. Wie der Verein bekanntgab, gilt er bis Juni 2030. „Ich bin sehr glücklich und sehr stolz“, wurde Wirtz in der Mitteilung des Klubs zitiert. „Jetzt ist es endlich so weit und ich habe lange drauf gewartet.“
Dahinter steckt ein denkwürdiger Vorgang, nicht nur wegen der Millionen, sondern auch, weil Familie Wirtz dieses gigantische Geschäft unter Leitung von Mutter Karin und Vater Hans ohne offizielle Beteiligung einer Beratungsfirma durchführte. Mit Manchester City und dem FC Bayern waren ebenfalls Sondierungsgespräche geführt worden, aber der FC Liverpool trug die überzeugendsten Argumente vor.
Insbesondere im Austausch mit Wirtz selbst, dem ein detailliert ausgearbeitetes Zukunfts- und Entwicklungskonzept präsentiert wurde, in dessen Mittelpunkt der junge Star stehen soll.
Fachlich sind die Ansprüche des Zweiundzwanzigjährigen bekanntermaßen hoch, schließlich ist er es aus seiner Zeit mit Xabi Alonso gewohnt, seine Position, seine Aufgaben und die im Teamkonzept vorhandenen Interpretationsspielräume komplex zu reflektieren.
Bei Kompany und den Bayern war es nichts mit der „Connection“
Einer der Lieblingsbegriffe Alonsos lautet: „Connection“: Der Alltag in Leverkusen war geprägt von Verbindungen und Zusammenhängen, aus denen sich für alle Beteiligten Pflichten, Aufgaben und Entfaltungsmöglichkeiten ergaben. Solche Details hatte Bayern Münchens Trainer Victor Kompany den Erzählungen aus dem Umfeld des Rekordmeisters zufolge noch nicht in allen Facetten präsentieren können, als er sich im Mai mit Wirtz traf.
Wobei auch beim FC Liverpool eine gewisse Konkurrenz droht. Denn eigentlich hat sich Dominik Szoboszlai unter dem Nachfolger von Jürgen Klopp im offensiven Mittelfeldzentrum hinter der Doppelspitze etabliert und eine tolle Saison gespielt. Allerdings hat Slot mehrfach erwähnt, dass der Ungar seine Rolle etwas defensiver auslegt als ein klassischer Zehner.
„Dominik spielt wie eine Acht“, sagt der Trainer, Ryan Gravenberch sei „eine Sechs und Harvey Elliott spielt etwas offensiver“. Dieser Logik folgend könnte Wirtz also Elliott ersetzen. Er würde dann in den Räumen vor Szoboszlai und Gravenberch agieren, auf einer Höhe mit den Flügelstürmern Cody Gakpo und Mo Salah und hinter der Nummer Neun, zum Beispiel Diogo Jota.
Die Zusage, das eigene Spiel im Falle einer Zusammenarbeit auf Wirtz zuzuschneiden, wollten die Münchner nicht machen, während in England im Zusammenhang mit dem Transfer sogar über eine Systemumstellung spekuliert wird. Im Raum steht der Gedanke an eine kleine Liverpooler Revolution.
Sie würde es nicht nur Wirtz, sondern auch dem ebenfalls aus Leverkusen an die Anfield Road verkauften Jeremie Frimpong ermöglichen, auf der alten Lieblingsposition zu spielen. Mit einer Abkehr vom 4-2-3-1, um das von Alonso in Leverkusen genutzte 3-4-3 zu etablieren, würde es drei offensive Zentrumsspieler vor der Doppelsechs geben, die viele Freiheiten haben.

Frimpong war ja noch nie ein klassischer Außenverteidiger, der seine rechte Seite als Teil einer Viererkette zuallererst mal zustellt. Vor der Leverkusener Dreierabwehr war er eher Rechtsverteidiger und Rechtsaußen zugleich. Für die linke Seite soll sich der FC Liverpool zudem um den ebenfalls sehr offensiven Außenverteidiger Milos Kerkez vom FC Bournemouth bemühen, der mit Frimpong eine spektakuläre Flügelzange bilden könnte. Vor einer Dreierkette.
Wirtz hält sich öffentlich zurück – zumindest weitgehend
Philipp Lahm, der frühere Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, schreibt in einem Gastbeitrag für „The Athletic“ jedoch, dass Wirtz ganz unabhängig vom System nach Liverpool passt, denn: „Das dortige Spielsystem hat Tempo, eine vertikale Ausrichtung und eine klare Rollenverteilung innerhalb der Mannschaft, die ihm sehr gut liegen dürfte.“ Wirtz hat all das noch nicht kommentiert, der Profi und seine Familie haben sich zuletzt massiv abgeschottet.
Auch während des Nations League Turniers der Nationalmannschaft hat er sich nur öffentlich geäußert, als ein TV-Sender das Gerücht in die Welt setzte, Wirtz fordere in Liverpool die Nummer 10, die derzeit das Trikot des Argentiniers Alex McAlister ziert.
Um nicht schon vor seiner Ankunft beim neuen Klub in Konflikte hineinzugeraten, dementierte er diese Behauptung via Instagram: „Wer sagt, dass ich die 10 will? Ich respektiere Spieler. Glaubt nicht alles, was geschrieben wird.“ Tatsächlich vorstellbar ist aber, dass Slot die über viele Jahre gewachsene Liverpooler Grundordnung umwirft, was auch hieße, dass Mo Salah, der größte Star der Mannschaft, seine alte Rolle auf dem rechten Flügel neu auslegen müsste.