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Manfred Schwabl: Ein Fußballer, der die Regionalliga vorzieht – München | ABC-Z

Es war im Spätsommer 1997, als Manfred Schwabl mutterseelenallein und tieftraurig in einem Hotelzimmer in Treviso saß, über 400 Kilometer entfernt von der geliebten Heimat und seiner Familie, und sich fragte, was er hier, in der Stadt mit 85 000 Einwohnern in der Nähe von Venedig, sollte. „Ich konnte ja mit keinem reden, meine Mitspieler verstanden kein Deutsch, ich sprach kein Italienisch.“ Und dann hatte er im Training auch noch einen Beinschuss kassiert, die Kameraden lachten ihn aus. Schwabl kaufte sich ein paar Halbe bayerisches Weißbier und noch am Abend stand der Entschluss fest: Er wollte heim – und zwar so schnell wie möglich.

Der Fußballer benachrichtigte seinen Spielervermittler, der den Wechsel nach Italien eingefädelt hatte, beendete seine Laufbahn und verließ Italien, ohne auch nur eine Minute dort gespielt zu haben.

Wenn der viermalige Nationalspieler auf diese Anekdote zurückblickt, kann er zumindest vorübergehend den aktuellen Ärger verdrängen. Denn Schwabl, seit 2012 Präsident der Spielvereinigung Unterhaching, erlebt gerade eine schlimme Saison:  Zum einen ist der Verein als Tabellenletzter aus der dritten Liga abgestiegen, zum anderen sind unlängst auch noch Vorwürfe laut geworden, man habe als Pächter das Hachinger Stadion so vernachlässigt, dass inzwischen sicherheitsrelevante Mängel vorliegen.

Für den 59-Jährigen hat Heimat schon immer einen höheren Stellenwert als Erfolg oder gar Reichtum. Von Kindheit an gehörte sein Herz dem FC Bayern, wie Thomas Müller schlief er in rot-weißer Bettwäsche. Als er noch keine zehn Jahre alt war, fuhr Schwabl – ohne den Eltern Bescheid zu geben – von seinem Geburtsort Holzkirchen mit dem Zug an den Tegernsee, wo die Bayern im Trainingslager waren. Er holte sich ein paar Autogramme. Am nettesten sei Franz Beckenbauer gewesen, erinnert er sich.

Hier fing alles an: Ex-Profifußballer Schwabl auf dem Gelände seines Stammvereins FC Holzkirchen . (Foto: Sebastian Gabriel)

Zwei Jahre später ging es für den kleinen Manni selbst zum großen FCB. Bei einem Spiel der Jugendmannschaft gegen die Bayern wurde deren Jugendtrainer Gerd Lempe auf ihn aufmerksam – „wer ist denn der Kleine da?“ – und holte ihn an die Säbener Straße.

Holzkirchen und München liegen 30 Kilometer auseinander, eine Distanz, die er als Schüler täglich bewältigen konnte. Als er knapp zehn Jahre später von den Bayern weg sollte, um anderswo Spielpraxis zu sammeln, rechnete Schwabl genau nach, was näher zur Heimat ist. Denn neben dem 1. FC Nürnberg hatte sich auch der VfB Stuttgart um den Mittelfeldspieler bemüht. „Nach Mittelfranken sind es nur 200 Kilometer und die A9 ist dreispurig, nach Stuttgart sind es 250, außerdem ist die A8 zweispurig.“ Damit war die Entscheidung klar.

Für seine Frau steht fest: „Der Manni wird nie aus Bayern weggehen“

Für seine spätere Frau Marianne, mit der er damals nach Nürnberg zog, war schon diese Distanz fast zu viel. „Sie hat schon zu weinen angefangen, als wir noch nicht mal auf der Autobahn waren.“ Als sich ein Jahr später der 1. FC Köln, damals mit Trainer Christoph Daum und Stars wie Thomas Häßler oder Pierre Littbarski für Schwabl interessierte, machte Marianne Schwabl den Rheinländern klar, dass „der Manni nie aus Bayern weggehen“ würde. Er selbst sagt dazu: „Wenn ich irgendwo entwurzelt hätte spielen müssen, wo ich mich nicht wohlgefühlt hätte, wäre ich nie in der Lage gewesen, Leistung zu bringen.“

Bajuwaren unter sich: Manfred Schwabl (rechts) und sein Teamkollege Hans Dorfner feiern die Deutsche Meisterschaft des FC Bayern 1990 in der Kabine mit Champagner und Trachtenhut.
Bajuwaren unter sich: Manfred Schwabl (rechts) und sein Teamkollege Hans Dorfner feiern die Deutsche Meisterschaft des FC Bayern 1990 in der Kabine mit Champagner und Trachtenhut. (Foto: Imago Sportfotodienst)

Er spielte dann noch einmal zweieinhalb Jahre beim FC Bayern und anderthalb in Nürnberg, ehe der damals 28-jährige, mittlerweile zweifacher Vater, im von Holzkirchen 140 Kilometer entfernten Innsbruck anheuerte: Unter Trainer Hans Krankl spielte er beim FC Tirol. „Mit Blick auf die Berge, da hat es mir gefallen.“  Dennoch war das österreichische Intermezzo schon nach ein paar Wochen wieder vorbei: Der TSV 1860 München holte ihn an die Grünwalder Straße – und damit näher an Holzkirchen.

Dass die Fans den einstigen Bayern dort von Beginn akzeptierten, lag an seinem unermüdlichen Einsatz. Schwabl wurde sogar Kapitän, die Löwen etablierten sich in der Bundesliga, kamen in den Uefa-Cup. Doch dann kam es wegen eines Streits um eine Saisonabschlussfeier zwischen 1860-Präsident Karlheinz Wildmoser und Schwabl zum Bruch. Dieser war fortan eine Persona non grata, trotz eines noch zwei Jahre laufenden Vertrags. Es folgten die italienische Angelegenheit und das Karriereende im Hotelzimmer in Treviso.

„Wir haben doch im Oberland das Paradies“, sagt der eingefleischte Holzkirchner. Deshalb fährt er auch nur dann in den Urlaub, wenn seine Frau es ausnahmsweise mal dringend einfordert. Wenn man also Schwabl in der Vereinsgaststätte seines Klubs fragt, ob er diesen Sommer in die Ferien fährt, reagiert er unwirsch: „Was soll ich denn da?“ Für ihn sei Urlaub im Biergarten das Allerschönste. Die Berge schaut er sich lieber vom Tal aus an, auch ausdauernde Spaziergänge braucht er nicht. „Ich bin in meiner Karriere genug durch die Gegend gerannt.“

Der Sportpark in Unterhaching ist sein zweites Zuhause: Manfred Schwabl mit Maskottchen Fonsi.
Der Sportpark in Unterhaching ist sein zweites Zuhause: Manfred Schwabl mit Maskottchen Fonsi. (Foto: Claus Schunk)

Von seinem Haus in Holzkirchen bis zu seinem Arbeitsplatz im Sportpark Unterhaching sind es nicht nur überschaubare 24 Kilometer, er ist auch hier wie dort im Kreis der Familie: Sohn Markus ist als Sportdirektor und Spieler ständig in seiner Nähe, ebenso wie Schwiegertochter Rena, die sich um Benefiz-Projekte des Vereins kümmert. Dadurch ist auch das Enkeltöchterchen oft beim Opa.

Im Gasthaus Alte Post wird bis 3 Uhr früh Schafkopf gespielt

Fragt man Schwabl nach seinem Lieblingsort in Holzkirchen, fällt immer wieder der Name des Gasthofs Alte Post. Dort habe er viele denkwürdige Familienfeiern erlebt, etwa die Feste nach seiner standesamtlichen und kirchlichen Trauung. Jahrelang traf er sich in der Alten Post mit Freunden am Stammtisch zum Schafkopfen, wobei sich die Runden schon mal bis drei Uhr in der Früh hinziehen konnten. „Und ich musste oft am nächsten Morgen um 8 Uhr in Nürnberg beim Lauftraining sein“, erinnert er sich. Direkt neben dem Gasthof am Marktplatz liegt noch immer die Raiffeisenbank, wo Schwabl als Jugendlicher ein Praktikum machte. „Mein Onkel war dort der Chef.“

In der Alten Post in Holzkirchen stellt ein Schild am Stammtisch klar, dass sich hier nicht jeder niederlassen darf.
In der Alten Post in Holzkirchen stellt ein Schild am Stammtisch klar, dass sich hier nicht jeder niederlassen darf. (Foto: Sebastian Gabriel)

Aber seine finanziellen Lehren zog Schwabl erst nach der Kickerkarriere: Er plante und baute Sport- und Freizeitanlagen, auch in Holzkirchen, und rutschte 2008 mit seiner Firma in die Pleite, nachdem das Unternehmen 15,4 Millionen Euro an Verbindlichkeiten angehäuft hatte. „Ich habe den Kopf hingehalten, obwohl ich erst spät in die Firma eingestiegen bin und nicht alle Entscheidungen zu verantworten hatte“, sagt er heute. Wegen Insolvenzverschleppung und Betrug – er hatte falsche Vermögensangaben gemacht, um Kredite zu bekommen – wurde Schwabl zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. „So lernt man es“, sagt er und ergänzt: „Auf dem Fußballplatz ist es wie im Geschäftsleben: Du fällst hin, aber die Frage ist, ob du wieder aufstehst.“

Manfred Schwabl ist wieder aufgestanden und hat die Spielvereinigung 2019 als zweiten deutschen Klub an die Börse gebracht. Der Kurs ging zuerst nach oben, zuletzt aber wegen der sportlichen Talfahrt in den Keller. Was auch für Schwabl persönlich keine gute Nachricht ist: Er hält 16,66 Prozent der Anteile. Und die will er auch behalten.

Lieblingsort

Der Markt Holzkirchen mit seinen 16 000 Einwohnern liegt im Landkreis Miesbach, zwischen München und Tegernsee. Wer die bayerische Natur in all ihrer Schönheit genießen will, ist hier in der Alpenregion Tegernsee-Schliersee goldrichtig und hat in Holzkirchen einen idealen Startpunkt für Ausflüge, Wanderungen und Radtouren in die Umgebung. Im Ort selbst gibt es einige sehenswerte Baudenkmäler wie das Alte Rathaus, die katholische Pfarrkirche St. Laurentius oder eben Manfred Schwabls Lieblingswirtschaft Gasthof Alte Post. Das Gebäude wurde im Kern bereits im 16. Jahrhundert erbaut und mehrfach renoviert, zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg.

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