Wohnen

Scholl-Latour als BND-Quelle seit 1981 geführt | ABC-Z

Peter Scholl-Latour war eine der großen Figuren des deutschen Auslandsjournalismus nach dem Zweiten Weltkrieg, ein Krisen- und Kriegsreporter par excellence.

Von den Sechzigerjahren an war er für die ARD und dann das ZDF unterwegs. Er war ein Tausendsassa. Er war in der französischen Fremdenlegion, wurde Journalist, schrieb für die „Saarbrücker Zeitung“, leitete für ARD und dann das ZDF deren Studios in Paris. Er war Korrespondent in Afrika, zwischendurch einmal Programmdirektor beim WDR, vor seiner journalistischen Karriere sogar Regierungssprecher im Saarland und später kurz Chefredakteur beim „Stern“. Er berichtete über den Vietnamkrieg, wurde mit seinem Team von den Vietkong festgesetzt und nach Tagen wieder freigelassen. Mit „Der Tod im Reisfeld“ schrieb er einen Bestseller; er begleitete Ajatollah Khomeini bei dessen Machtübernahme in Iran aus nächster Nähe und berichtete aus Afghanistan.

Decknamen „Frank“, „Pedro“ und „Scholar“

Dabei übte Scholl-Latour, wie der Westdeutsche Rundfunk behauptet, in den Achtzigerjahren eine Nebentätigkeit aus, von der bislang niemand wusste: Er sei, so wiesen Akten es aus, zu dieser Zeit „Gelegenheitsquelle“ des Bundesnachrichtendienstes (BND) geworden. Dort habe man ihn unter den Decknamen „Frank“, „Pedro“ und dann „Scholar“ geführt.

Von einem Geheimdienst als „Gelegenheitsquelle“ geführt zu werden, muss noch nicht viel heißen. Es kann bedeuten, dass Mitarbeiter einen Journalisten als solche in die Akten geschrieben haben, ohne dass dieser davon wusste oder die Zusammenarbeit mit dem Dienst gesucht hätte. So stellt es der BND, wie der WDR berichtet, auch im Fall von Scholl-Latour dar. Er sei nie als „reguläre Quelle“ angeworben worden, habe keinen „stetigen Auftrag zur Informationsbeschaffung“ gehabt und sei auch nicht bezahlt worden. Der Begriff NDV (Nachrichtendienstliche Verbindung), der in den Akten stehe, sei „fälschlicherweise“ verwendet worden.

ZDF-Sonderkorrespondent Peter Scholl-Latour und sein Team sind wieder frei. Am 29. August 1973 trafen (l-r) Peter Scholl-Latour, Joseph „Joschi“ Kaufmann, Dieter Hofrath und Klaus Pattberg in ihrem Saigoner Hotel ein. Das Fernsehteam war in der letzten Woche zusammen mit dem AFP-Chef Jean Louis Arnaud in Gefangenschaft der Vietcong geratenpicture-alliance / dpa

Folgt man der Darstellung des WDR, war die Verbindung zwischen Scholl-Latour und dem BND zeitweise indes sehr intensiv. So habe er dem Geheimdienst Informationen über seine Reisen und Gesprächspartner zukommen lassen, sein Filmmaterial zugänglich gemacht und Aufträge übernommen. Als „Gelegenheitsquelle“ sei Scholl-Latour, so der WDR, seit einer Reise fürs ZDF im Jahr 1981 in das damals von den Sowjets besetzte Afghanistan geführt worden. Er habe beim BND zwei Ansprechpartner gehabt. Bei einer anderen Gelegenheit habe er in Beirut eine BND-Quelle treffen sollen, die Mitarbeiter des Dienstes selbst nicht aufsuchen konnten. Auch habe er „bei der Identifikation einer Person aus der DDR“ geholfen, „die für das Internationale Rote Kreuz in Ost-Afrika tätig werden sollte“.

Sein Filmmaterial aus Afghanistan soll Scholl-Latour dem BND noch vor der Ausstrahlung im Fernsehen gezeigt haben. Er habe vorgeschlagen, dass ein BND-Mann ins ZDF-Büro in Bonn komme. In den Akten heiße es, Scholl-Latour habe dem BND gesagt, dass er „einem unserer Vertreter gestatte, bei der ersten Visionage anwesend zu sein (…) Dazu sei erforderlich, daß unser Mann entweder ins Studio Bonn oder Paris kommt. Wiesbaden scheide aus, da es dort zu viele ‚Neugierige‘ gäbe.“ Das ZDF gab dem WDR auf Anfrage zu Protokoll, man habe „keine Kenntnis über die geschilderten angeblichen Vorgänge aus den Achtzigerjahren“. Man orientiere sich an den publizistischen Leitlinien und am Pressekodex und erteile „auch gegenüber Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten grundsätzlich keine Auskunft zu den im Rahmen einer Recherche/einer Berichterstattung erlangten Informationen“.

Dem WDR zufolge interessierte sich der BND indes schon Anfang der Sechzigerjahre für Scholl-Latour, der damals zuerst für die „Saarbrücker Zeitung“ und dann für die ARD aus Afrika berichtete. Der BND habe gemutmaßt, Scholl-Latour wirke für den französischen Geheimdienst, bei einem Besuch in Deutschland könne man ihn vielleicht anwerben. Was daraus wurde, sei den vom BND freigegebenen Akten nicht zu entnehmen, ebenso nicht, wann die Zusammenarbeit endete.

Back to top button