Der facettenreiche Meisterdenker: Tobias Zeitz und sein Holmes-Debüt in Bergkirchen – Dachau | ABC-Z

Tobias Zeitz ist ein Mann mit vielen Facetten: Er ist Sänger, Schauspieler, Hörakustikermeister – und seit neuestem Autor. Gerade läuft im Hoftheater Bergkirchen sein erstes Bühnenwerk „Sherlock Holmes – Der Fall Milverton“ nach einer Erzählung von Sir Arthur Conan Doyle, eine echte und sehr erfolgreiche Uraufführung. Wie das alles zusammenhängt und zusammengeht, erzählt Zeitz bei einem Besuch im Hoftheater.
Dort ist der Münchner seit 2011 Ensemblemitglied. Seine erste Rolle war die des Freddy Eynsford-Hill in Frederick Loewe’s „My fair Lady“. Da war Zeitz noch mitten in der Ausbildung zum Hörakustiker. Diese wiederum hatte er „durch eine Aneinanderreihung von Ereignissen“, wie er gerne sagt, statt eines Studiums begonnen, beendete sie allen Verlockungen der Schauspielerei und des Gesangs zum Trotz und machte in kürzester Zeit seine Meisterprüfung.
Ein Grund für seinen handwerksberuflichen Ehrgeiz war der realistische Blick auf die Schwierigkeiten, in einem Künstlerberuf zu reüssieren. Dabei betont er immer wieder, wie sehr ihn Musik und Schauspiel geprägt haben. Wie sehr sie ihn begeistern und erfüllen – und das schon in seiner Kindheit und Jugend, als er unter anderem bei den Tölzer Sängerknaben, den Münchner Chorknaben und weiteren Ensembles mitsang.
Das kleine Hoftheater wurde seine künstlerische Heimat – und Zeitz war schnell auf die komischen, witzigen, absurden Rollen abonniert. „Es macht mir Spaß, wenn ich den Leuten mit meiner Darstellung eine schöne Zeit geben kann“, sagt er. Und doch schaut er genau, dass er nicht „als Komiker vom Dienst“ abgestempelt wird. „Das passiert schon fast automatisch: Die Zuschauer lesen meinen Namen und denken, es gibt was zu lachen“. Weshalb er gelegentlich ins ernste Fach wechselt: „Ich will facettenreich sein, neue Möglichkeiten an mir selbst entdecken und mich herausfordern“, sagt er. Das erklärt womöglich, warum er neben seinem anspruchsvollen Vollzeitberuf, dem Schauspiel und dem Gesang, nun sein erstes Bühnenwerk geschrieben hat.
Warum aber hat Zeitz ausgerechnet Sherlock Holmes, diesen Geige spielenden, Kokain schnupfenden, verschrobenen Einzelgänger als „Helden“ ausgesucht? Die Antwort verblüfft: „Ich wollte schon immer Dr. Watson spielen, und ich bin Mitglied der Deutschen Sherlock-Holmes Gesellschaft.“ Ein weiteres Argument: „Die Werke sind jetzt gemeinfrei, also nicht mehr vom Urheberrecht geschützt.“ Und warum will er nicht gleich den Titelhelden Holmes mit seinen unglaublichen detektivischen Fähigkeiten spielen? „Weil Holmes ursprünglich ein schmächtiger, schmaler Kerl war. Und das bin ich ja nicht wirklich“, grinst der Theaterautor.
Womit das Gespräch kurz von den Finessen der Theaterwelt weg- und zu den teils absurden Anforderungen der Tiktok- und Instagram-Welten hinführt. Die beschäftigen Zeitz jedoch nicht wirklich. Er ist halt ein gestandenes Mannsbild im besten Sinne. „Ein gewisser Teil meiner Komik kommt eben aus dem Bauch heraus – und ich selbst achte nicht groß auf das Äußere meiner Mitmenschen“, sagt er und lacht. Doch bevor es zurück zum Detektiv aus der Londoner Baker Street geht, muss noch eine weitere Frage beantwortet werden: Wie schafft es Tobias Zeitz, Haupt- und Nebenberuf unter einen Hut zu bringen? Die einfache Antwort ist: „Mir macht beides Spaß. Ich habe halt weniger Freizeit als andere.“
In Sachen „Der Fall Milverton“, der übrigens 1904 erstmalig in der britischen Zeitschrift „Strand Magazine“ erschien, hat Zeitz mit Sicherheit seine Freizeit noch weiter zusammengestrichen. Sind doch die Ansprüche, die er an sich und seinen Bühnen-Erstling hat, ziemlich hoch: Das fängt schon mit der gepflegten, aus heutiger Sicht leicht nostalgisch-umständlichen Sprache an, die auch in Julia Pflügers Übersetzung des britischen Originals viel zur geheimnisvoll-düsteren Atmosphäre beiträgt – und auf der Bühne den Spannungsbogen immer wieder auf amüsant-befreiende Art unterbricht. „Ich wollte Sherlock in der Sprache seiner Zeit sprechen lassen, sonst wäre es nicht authentisch gewesen“, sagt Zeitz.
Das ursprüngliche Drehbuch habe er mit Theaterleiter Herbert Müller und dem gesamten Ensemble weiterentwickelt, sagt er. Während der Proben habe er sich als „beratender Co-Regisseur“ verstanden und ganz bewusst „auf die Erfahrung von Herbert Müller gesetzt“. So entstand im Teamwork mit Schauspielerinnen und Schauspielern eine ganz individuelle Sicht auf Sherlock und Dr. Watson. Sherlock ist zwar ein abgebrühter, arroganter Schnösel, hat aber – tief in sich versteckt – durchaus liebenswerte Eigenschaften. Dr. Watson ist ein gemütlicher und auf ganz andere Art scharfsinniger und zugleich intuitiv denkender und handelnder Freund des Detektivs – und in dieser sehenswerten Inszenierung derjenige mit den hohen moralischen Ansprüchen.
Tobias Zeitz hat eine Vorliebe für schwierige, facettenreiche Charaktere
Während Zeitz sich noch über den Erfolg seines Stücks freut, denkt er schon weiter und auch ein wenig zurück. „Musicals haben mich immer fasziniert“, sagt er. Weshalb der „Sancho Pansa“ im Musical „Der Mann aus La Mancha“ von Mitch Leigh zu seinen Lieblingsrollen zählt. Den hat er – wie viele weitere Charaktere – mit umwerfender Komik und ohne jede mit diesen Bühnengestalten verbundener Dümmlichkeit gespielt. Und was würde er künftig gerne spielen? „Ich habe eine Vorliebe für schwierige, facettenreiche Charaktere. Dr. Jekyll und Mr. Hide, diese gespaltene Persönlichkeit, das wäre eine Herausforderung – oder der Graf von Monte Christo“, sagt er.
Mag sein, dass sich Tobias Zeitz irgendwann selbst dieser spannenden Roman- und Theaterfiguren annimmt. Doch gerade wünscht er sich, „dass die Leute mit Sherlock Spaß haben und vielleicht sogar eine alte Krimi-Liebe wiederentdecken“.