Schaulaufen beim “Fashion Raceday” in Hoppegarten | ABC-Z

Die Blicke des Publikums wandern vom großen Bildschirm zurück auf die Rennstrecke. Die Pferde sind in Sicht. Favoritin Nicoreni unter Jockey Andrasch Starke geht als Erste auf die Zielgerade. Eine Hand bleibt am Hut, mit der anderen wird der Wettschein schon jubelnd in die Luft gerissen. Wer auf die Vier gesetzt hat, wähnt sich bereits um einige Euro reicher – doch dann zieht Lady Charlotte mit Jockey Adrie de Vries vorbei. Sie ist die schnellste dreijährige Stute auf der Rennbahn Hoppegarten.

Zum Hauptrennen des “Fashion Racedays” sind der Rasen und die Tribünen vor der Rennstrecke voll. 9.800 Gäste haben sich trotz unsicherer Wetterlage nach Hoppegarten getraut und werden mit viel Wind statt Regen belohnt. Am Vormittag gewitterte es noch, die Besucher des ersten Rennens bekamen die letzten Schauer ab. Wenige Stunden später müssen sie nur auf ihre Hüte und Wettscheine etwas besser aufpassen.

Gerhard Schöningh eilt noch mit dem Fernglas um die Schulter zur Siegerehrung des mit 55.000 Euro dotierten Diana-Trials. Der Besitzer der Rennbahn freut sich mit den Siegern und über die Zuschauermenge, die inzwischen aufgetaucht ist. “Wir sind in hohem Maße wetterabhängig. Wenn dann trotzdem so eine hohe Anzahl an Besuchern kommt, heißt es, dass viele einfach wollen und ihnen ein paar Schauer nichts ausmachen”, so Schöningh. Der Vorverkauf habe deutlich über den Vorjahren gelegen und sei vor einigen Tagen durch das drohende Gewitter eingebrochen. “Dafür war die Tageskasse wieder stark.”

Die Rennbahn Hoppegarten erlebt aktuell gute Zeiten. Zum Saisonauftakt im April kamen 12.700 Besucherinnen und Besucher – laut Veranstalter der beste Wert seit 17 Jahren. In der vergangenen Saison kamen insgesamt 77.600 Menschen und damit 23 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. “Darüber bin ich total froh und dankbar. Die Menschen hier sind wahnsinnig begeisterungsfähig und haben Spaß”, sagt Schöningh. Während in anderen Sportarten gerne über sogenannte Eventies geschimpft wird, die eher für die Atmosphäre als den Sport kommen, halten sie Hoppegarten am Leben.

Am Wetttisch fachsimpeln drei Frauen, gekleidet in Rot und Schwarz, bei drei Aperol. Erst wird in dunklen Spitzenhandschuhen der Wettschein ausgefüllt, dann der für den Fashion Contest. Dort reihen sie sich hinter Alice Kister und ihrer Freundesgruppe ein, um vor der weißen Blumenwand zu posieren. Harte Konkurrenz, fast ganz in schwarz. Die jungen Berliner, die Military-Elemente in ihre detailverliebten Outfits eingearbeitet haben, wirken wie aus einem anderen Jahrhundert.

Was nach monatelanger Planung aussieht, haben sie erst um 11:30 Uhr koordiniert. “Heute war es mit den Wetterbedingungen etwas schwierig. Aber wir sind natürlich hier, um zu gewinnen”, sagt Alice Kister lachend. Mit ihrem hohen Federkopschmuck überragt sie den Rest der Gruppe. Im vergangenen Jahr seien sie zum ersten Mal in Hoppegarten gewesen: “Es war total lustig und hat Spaß gemacht. Das wollten wir wiederholen und uns nochmal schick anziehen.”

Noch mehr Lust als auf den Modewettbewerb, bei dem sie im letzten Jahr leer ausgingen, hat Alice Kister aufs Wetten. “Wir haben richtig Bock! Ich finde, Rennen haben ein bisschen mehr Adrenalinkick”, so die junge Berlinerin. Die Broschüren müssten sie sich zwar noch anschauen, aber: “Wir lassen uns von der Intuition leiten.”

Kein Renntag in Hoppegarten kommt ohne Motto aus. Anfang Mai gab es den “Irish Raceday”, auf den “Fashion Raceday” folgt demnächst der “Renntag des Sports”. Für Gerhard Schöningh passen Pferderennen und Mode zusammen: “Es ist dieses Sehen und gesehen werden. Das ist ein uraltes Motto beim Pferderennen. Sie haben immer Menschen, die sich gerne schick machen und das gerne als Bühne nutzen. Und sie haben auch immer die große Masse, die es einfach interessant findet, was den Menschen so einfällt.”

Die meisten schicken Hüte finden sich auf der höherpreisigen Haupttribüne. Eine Tribüne weiter rechts ist die Hutdichte deutlich niedriger. Verbindendes Element sind hier Jeans und Regenjacke. Auf der Picknickwiese werden bevorzugt Käppi, Blazer und Stiefel getragen. Doch das Publikum vermischt sich immer wieder – etwa beim Begutachten der Pferde vor den Rennen oder an den Wettständen. Und es sind längst nicht nur ältere Menschen in eleganten Outfits unterwegs. Auch viele Jugendliche tragen Schiebermütze und Anzug oder Fascinator und Cocktailkleid.

Nach dem siebten Rennen wird es ernst für die Teilnehmenden des Fashion Contests. Sie werden zur Siegerehrung gebeten. Und tatsächlich: Alice Kisters Gruppe wird als “best dressed Gang” ausgerufen. “Das war unerwartet”, sagt sie. Das spontan geplante Gruppenoutfit war ein voller Erfolg. Und ihre Intuition beim Wetten? “Reden wir lieber nicht drüber. Ein paar Euro kamen da raus. Ein paar traurige Groschen.” Ins Minus seien sie aber nicht gekommen. Wiederkommen wollen sie auf jeden Fall.

Sendung: rbb24 Abendschau, 08.06.2025, 19:30 Uhr