Deutschland verliert Spiel um Platz drei gegen Frankreich | ABC-Z

Ein Drama wie vor elf Monaten im gleichen Stadion in Stuttgart war es nicht. Auch Tränen flossen am Sonntagnachmittag, anders als vor knapp einem Jahr, nicht. Doch wie bei der Fußball-Europameisterschaft endete ein Turnier im eigenen Land für die deutsche Nationalelf mit einer Enttäuschung.
Die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann unterlag Frankreich im Spiel um Platz drei der Nations League mit 0:2 Toren. Kylian Mbappé schoss das erste in der 45. Minute und legte Michael Olise von Bayern München das zweite auf (84.).
„Wir haben in der ersten Halbzeit wieder deutlich mehr unsere Mannschaft gesehen, das hat gutgetan“, sagte Nagelsmann, „aber man darf bei drei bis fünf Topchancen durchaus auch mal in Führung gehen.“ Schärfer beschrieb es Kimmich: „Wir müssen nach sechs Minuten 3:0 führen. Dann haben wir irgendwie die Struktur verloren – danach ist es für die Franzosen mit den vielen Kontern natürlich ein perfektes Spiel“, sagte der Kapitän dem Sender RTL. „In der ersten Halbzeit hatten die ehrlich gesagt gar keinen Bock zu gewinnen.“ Niclas Füllkrug lobte „die extreme Galligkeit und Energie“ des DFB-Teams.
Von der Weltspitze die Augen geöffnet
Statt mit zwei Siegen bei der „kleinen Mini-EM“, wie Nagelsmann das Finalturnier nannte, das Selbstverständnis zu steigern, in Zukunft wieder um noch ganz andere Titel, wie im nächsten Jahr bei der Weltmeisterschaft, ambitioniert mitzuspielen, wurden der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bei zwei Niederlagen von der Weltspitze die Augen geöffnet. Es braucht auch in der lange hierzulande geringgeschätzten Nations League mehr, um einen Titel zu gewinnen.
Zwar zeigten die Deutschen eine bessere Leistung als beim 1:2 im Halbfinale gegen Portugal. Und auch wenn zehn Spieler, darunter Stammkräfte wie Antonio Rüdiger, Nico Schlotterbeck, Jamal Musiala und Kai Havertz fehlten: Ein Jahr vor Beginn des Weltturniers in den USA, in Kanada und Mexiko ist deutlich geworden, dass der Weg der Deutschen, der seit einem 2:0 in Frankreich im März 2024 nach bleiernen Jahren nach oben geführt hatte, vorerst eine Abzweigung genommen hat, bei der schwer abzuschätzen ist, wohin sie führt: Im September geht es in der WM-Qualifikation weiter, in der in einer Gruppe mit der Slowakei, Nordirland und Luxemburg wenig zu gewinnen sein wird.
Fünf Chancen in sieben Minuten
Statt mit der Dreierkette verteidigte das DFB-Team mit vier Spielern in der letzten Reihe. Eine Kernaufgabe kam Groß zu, der Pavlović im defensiven Mittelfeld ersetzte, und mit Goretzka, der oft nach rechts pendelte, die Lücken schließen sollte, die Portugal im Halbfinale bekommen hatte. In der Offensive rückte der Stuttgarter Woltemade, der sich als Mittelstürmer gegen Portugal nicht ganz so leicht getan hatte, eine Position zurück hinter Mittelstürmer Füllkrug, der von Raums Flankenstärke profitieren sollte. Soweit die Theorie.
In der Praxis spielte die Abwehrformation zunächst keine Rolle, weil die Elf von Nagelsmann fast ausschließlich im Angriff war. Gleich fünf Chancen erspielte sie sich in sieben Minuten. Es war den Deutschen anzumerken, dass der letzte Eindruck des Länderspieljahres 2024/2025 nicht dem ähneln sollte, den sie am Mittwoch hinterlassen hatten.
Die besten Möglichkeiten hatten Woltemade, eingesetzt von Füllkrug (2. Minute), und Adeyemi nach einer Einzelaktion (6.). Beide scheiterten mit ihren zu zentralen Schüssen aber an Torwart Mike Maignan. Groß’ Schuss ging vorbei (2.), die Versuche von Füllkrug (4.) und Goretzka (5.) wurden abgeblockt. Die Effizienz des Gegners, die Frankreich beim 4:5 im Halbfinale gegen Spanien zum Verhängnis geworden war, zeigten die Deutschen am Sonntag nicht.

Mitte der ersten Hälfte wagten sich auch die Franzosen, denen zunächst anzumerken war, dass ein Spiel um Platz drei kein Finale ist, mehr in die Offensive. Der Schuss von Rayan Cherki ist für Marc-André ter Stegen aber kein Problem (21.). Und Mbappé? Der Star der Franzosen wurde auffällig, als er einen Disput mit Groß hatte, weil er trotz des auf dem Boden liegenden Adeyemi den Ball nicht ins Aus spielte.
Doch kein Straftstoß für Deutschland
Als Adeyemi wieder stand, fiel er bald wieder, diesmal aber nicht vor dem eigenen, sondern im gegnerischen Strafraum. Er legte nach einem langen Pass von Groß den Ball an Maignan vorbei und sank zu Boden. Schiedsrichter Ivan Kružliak pfiff zunächst Elfmeter, schaute sich die Szene aber nach langer Beratung mit seinem Videoassistenten an. Zu sehen war, dass Adeyemis Absprung ursächlich für seinen Fall war. Kružliak nahm den Strafstoß zurück und zeigte dem Dortmunder Angreifer gar die Gelbe Karte, weil er einen Täuschungsversuch erkannt haben wollte.
Nach der Kontroverse, die eine längere Unterbrechung des Spiels zur Folge hatte, wurde wieder Fußball gespielt. Die Deutschen kamen dem Tor näher als zuvor, trafen aber wieder nicht. Den abgelegten Ball von Füllkrug schoss Wirtz mit dem rechten Fuß an den linken Pfosten (37.). Bei Woltemades Versuch nach Raums Flanke war wieder der starke Torwart Maignan zur Stelle (43.). Eine Minute danach war der Ball im Tor: Woltemade hatte ihn aber vorher mit dem Arm berührt (44.).

Die Ineffizienz der Deutschen sollte sich rächen. Eine weite Flanke von rechts flog über den deutschen Kapitän hinweg zu Mbappé. Der nahm ihn an, drehte sich nach rechts an Joshua Kimmich vorbei und zog ab. Ter Stegen war mit der Hand noch am Ball, konnte das 0:1 aber nicht mehr verhindern. 45 Minuten waren die Deutschen die bessere Mannschaft, nach genau 45 Minuten aber führten die Franzosen dank einer Weltklasse-Aktion ihres Stars.
Undavs Treffer zählt nicht
Für die zweite Halbzeit nahm Nagelsmann Woltemade, der schon am Donnerstag beim ersten EM-Spiel des U-21-Nationalteams wieder gefordert sein dürfte, aus der Elf und brachte den Stuttgarter Teamkollegen Deniz Undav. Die erste Chance aber hatte Mbappé, der an Robin Koch vorbeizog, danach das Außennetz traf (47.). Auf der anderen Seite lag Adeyemi wieder im Strafraum am Boden. Adrien Rabiots Stoß reichte aber offensichtlich nicht zu einem Elfmeter (49.).

Auch an der nächsten Kontroverse war Rabiot beteiligt, diesmal aber als vermeintliches Opfer. Füllkrug hatte ihn mit energischem Körpereinsatz zu Fall gebracht. Undav nahm den Ball auf und schoss ihn vorbei an Maignan ins Tor (53.). Die Deutschen jubelten, die Franzosen schimpften. Der Schiedsrichter schaute sich wieder die Videobilder an – und entschied wieder gegen die DFB-Elf. Das Tor zählte nicht, Rabiot bekam einen Freistoß.
Dass die Deutschen, die sich im Angriff mühten, aber nicht mehr das spielerische Vermögen wie in der ersten Halbzeit hatten, dann nicht höher in Rückstand gerieten, hatten sie den Franzosen zu verdanken, die zwar dank ihrer schnellen Stürmer einige Konter fuhren, diese aber nicht gut genug abschlossen. Marcus Thuram etwa traf nur den Außenpfosten (59.) und scheiterte später an ter Stegen (70.).
Mbappé sieht Olise
Nagelsmann nahm nicht, wie gegen Portugal bei Führung, einen Dreierwechsel vor, sondern tauschte bei Rückstand nun Debütant Tom Bischof für Goretzka ein, dazu kam Mittelstädt für Raum. Danach gab es, zumindest für die Schlussphase, die Rückkehr von Kimmich von der Rechtsverteidigerposition ins zentrale Mittelfeld. Groß ging, Thilo Kehrer verteidigte hinten. Serge Gnabry war dann der letzte Joker Nagelsmanns, den er im Wechsel für Adeyemi zog.
Die Chancen aber hatten die Franzosen. Mbappé nahm einen Flankenball aus 18 Metern direkt, ter Stegen parierte wieder einmal stark (79.), wie auch als der französische Star mal wieder im direkten Laufduell an Koch vorbeizog (82.). Beim nächsten Versuch machte es Mbappé besser – weil er es nicht auf eigene Faust versuchte, sondern abspielte. Den Querpass des Stars musste der eingewechselte Bayern-Spieler Olise nur noch über die Linie schieben. Spätestens da war klar, dass auch dieses Turnier mit einer Enttäuschung für die Deutschen in Stuttgart endet.