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Migration: Neue Studie zeigt Nutzen von Zuwanderung in Deutschland – Wirtschaft | ABC-Z

Dass Zuwanderung Geld kostet, ist offensichtlich. Bund und Länder gaben vergangenes Jahr etwa 28 Milliarden Euro allein für Asylbewerber und Integration aus. Oder das Bürgergeld: Fast die Hälfte der Menschen, welche die Hilfe beziehen, haben mittlerweile einen ausländischen Pass. Das wird kritisiert als „Zuwanderung in die Sozialsysteme“. Aber es gibt auch die andere Seite, eine, die dem Land und den Menschen nützt: Die vielen Migrantinnen und Migranten, die in Deutschlands Pflegeheimen und Krankenhäusern den Betrieb am Laufen halten, Paketausfahrer aus der Türkei, IT-Experten aus Indien. Rein materiell betrachtet: Lohnt sich Zuwanderung? Oder ist sie ein Verlustgeschäft?

Der Sozialstaatsexperte Martin Werding hat nun eine Bilanz vorgelegt, die früheren einschlägigen Studien widerspricht. „Eine um 200 000 Personen höhere jährliche Netto-Zuwanderung nach Deutschland bedeutet langfristig ein Plus von 100 Milliarden Euro im Jahr – es ist ein massiver Effekt“, sagte Werding am Freitag bei der Präsentation der Ergebnisse in Berlin. Werding ist Professor an der Ruhr-Universität Bochum und berät als einer der sogenannten Wirtschaftsweisen die Bundesregierung. Jede Person, die im Zuge einer solchen anhaltend hohen Zuwanderung nach Deutschland kommt, entlastet den Staatshaushalt demnach um 7100 Euro im Jahr. Der Ökonom berücksichtigt dabei zum Beispiel, dass Zuwanderer, vor allem Geflüchtete, in der Regel erst vom Staat unterstützt werden, Integrationskurse in Anspruch nehmen und oft jahrelang erwerbslos sind, ehe sie einen Job finden und Einkommensteuern und Sozialbeiträge zahlen.

Werding liefert damit neue Munition für die hitzige Debatte, inwiefern Zuwanderung nach Deutschland einen Gewinn oder eine Last darstellt. Der renommierte Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen hatte vergangenes Jahr eine Bilanz zur Zuwanderung mit gegenteiliger Stoßrichtung vorgelegt, die Aufsehen erregt hatte. „Die Zuwanderung nach Deutschland stellt unter den gegenwärtigen Bedingungen eine finanzielle Belastung dar“, so lautete sein Fazit. Raffelhüschen summierte die angeblichen künftigen Lasten durch Migration auf und kam so zu einer erdrückend hohen Summe. „Die Zuwanderung, wie sie bisher geschieht, kostet uns gesamtwirtschaftlich 5,8 Billionen Euro“, sagte er damals der Bild-Zeitung. Und das, obwohl Zuwanderer im Schnitt jünger sind als die einheimische Bevölkerung und damit theoretisch vergleichsweise lange durch Arbeit zur Finanzierung von Rentenversicherung, Sozialkassen und Staat beitragen könnten. Die Untersuchung gilt bei fundamentalen Gegnern der deutschen Zuwanderungspolitik als Beleg für deren Scheitern, auch die AfD bemüht Raffelhüschens Bilanz immer wieder, um ihre Behauptungen zu untermauern, wie schlimm die „Massenzuwanderung“ nach Deutschland doch sei.

Laut Werding aber kann man so nicht rechnen. Die Raffelhüschen-Studie berücksichtige zwar, was Zuwanderer für Staatshaushalt und Sozialkassen bedeuteten, aber nicht ausreichend, wie sie zu Wachstum und Wohlstand im Land beitrügen – etwa dadurch, dass sie Arbeitsstellen besetzen, die sonst unbesetzt blieben, dass sie Kinder betreuen, sodass einheimische Mütter früher in ihren Beruf zurückkehren können, dadurch, dass sie konsumieren.  „Die Wachstumseffekte werden nicht erfasst“, sagt Werding.

Die wirtschaftliche Bilanz hänge sehr stark davon ab, wer da auf welchem Wege einwandere. EU-Bürger kämen in der Regel zum Arbeiten, fänden schnell einen Job und würden dementsprechend wenig Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Bei Asylsuchenden hingegen dauert es oft Jahre, bis sie eine Arbeit gefunden haben und selbst ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Sie sind allerdings nicht wegen des wirtschaftlichen Vorteils aufgenommen worden, sondern um ihnen in der Not zu helfen. „Die Höhe zusätzlicher Einnahmen hängt vor allem davon ab, wie gut und wie schnell die Zugewanderten in den Arbeitsmarkt integriert werden“, schreibt Werding in der Studie.

Neben Werding betonen auch andere Ökonomen die Vorteile, insbesondere durch die Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften. Diese werden weniger durch die Alterung der Menschen in Deutschland. Jedes Jahr seien unter dem Strich etwa 400 000 qualifizierte Zuwanderer nötig, um diesen Schwund auszugleichen, urteilt etwa das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte in der Debatte, Migranten würden zwar kurzfristig eine erhebliche wirtschaftliche und finanzielle Belastung für Deutschland bedeuten, langfristig jedoch einen großen Nutzen auch für die Wirtschaft schaffen, ohne den viele Unternehmen nicht überleben könnten und viele Bürger empfindliche Einschnitte hinnehmen müssten.

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