Politik

Das Trugbild einer woken Wirtschaft | ABC-Z

So schnell konnte Donald Trump gar nicht „great“ rufen – da hatte Google den Golf von Mexiko schon in Golf von Amerika umgetauft. Dabei lautet Googles „Mission“ doch eigentlich, „die Informationen der Welt zu organisieren und sie allgemein zugänglich und nützlich zu machen“. Da erstaunt es, wie willfährig der Konzern die alternativen Fakten aus dem Weißen Haus in die Welt posaunt, wie schnell die Industrie auf Trump umgeschwenkt ist.

Auch in Europa haben Konzerne reihenweise ihre Förderprogramme für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) eingedampft, nachdem Trump ihnen drohte, sie andernfalls von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. T-Mobile und VW haben ihre Ziele im Stillen angepasst. SAP versuchte den Gesinnungswandel hingegen öffentlich zu verkaufen und ging prompt baden. Der Konzern mit dem Anspruch, der integrativste Softwarekonzern der Welt zu sein, war sich nicht zu dumm, das Streichen der Frauenquote damit zu begründen, dass ein „Business Health Culture Index“ die Chancengleichheit für alle besser abbilde.

Für die deutsche Industrie steht in Amerika viel auf dem Spiel. Es ist daher weder verwunderlich noch ehrenrührig, sich dort der neuen Realität zu fügen. Unternehmen sind Mitarbeitern und Eigentümern verpflichtet. Würden sie heroisch untergehen, würden auch die Beschäftigten leiden, gleich welchen Geschlechts, welcher Religion oder sexuellen Orientierung.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Sehr wohl aber zeigt der Schwenk, wie Anspruch und Wirklichkeit mittlerweile auseinanderklaffen, wie vermessen und verlogen viele „Visionen“ sind. Mit einer Strategie ist es nämlich schon lange nicht mehr getan. Starbucks etwa will keinen Kaffee verkaufen, sondern „den menschlichen Geist inspirieren und fördern“. Disney „die Menschen glücklich machen“, Facebook „den Menschen die Macht geben, zu teilen und die Welt offener und vernetzter zu machen“.

In Deutschland klingt das weniger pathetisch, aber nicht weniger überzogen. So will die Deutsche Bank „eine führende Rolle bei der Veränderung der Gesellschaft und Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit einnehmen“. SAP, ganz amerikanisiert, verbreitet die Vision, „die Welt zu einem besseren Ort zu machen und das Leben der Menschen zu verbessern“. Als Microsoft gegründet wurde, hatte Bill Gates noch das Ziel, einen Computer auf jeden Schreibtisch zu bringen. Heute lautet die Mission: „Jeden Menschen und jede Organisation auf dem Planeten zu befähigen, mehr zu erreichen.“ Wer sich ohne Not in solche Flughöhen begibt, muss früher oder später in Turbulenzen kommen.

Flut von Social-Media-Beiträgen

Nun agieren Unternehmen nicht im luftleeren Raum. Je offener die Gesellschaft wird, desto mehr wird diese Offenheit auch von Investoren, Beschäftigten und Kunden eingefordert. Um diese Bereitschaft zu demonstrieren, haben sich Spin-Doktoren die Vision ausgedacht. Social-Media-Kanäle machen es einfach, solche Kulissen heute ohne kritische Nachfragen zu bauen. Unternehmen können ihre Botschaft ungefiltert in die Öffentlichkeit tragen. Die Flut von „Posts“, in denen Vorstandschefs von großartigen Treffen mit ihrer bunten Belegschaft und glücklichen Kunden berichten, sind triste Belege dieser Inflation. Mal wird Geld entwertet, mal die Wahrheit.

Für besondere Verrenkungen sorgen die DEI-Ziele in den Vergütungsberichten. Regelmäßig ist die Entlohnung des Vorstands heute auch daran geknüpft, ob und wie er diese Ziele erreicht. Mal sind es nur simple Quoten für Geschlecht oder Nationalität, manchmal treiben die Blüten aber auch aus wie bei Biontech. Der Impfstoffentwickler hat seinem Vorstand 2022 vorgegeben, einen „nachhaltigen Beitrag zum Schutz der Menschen weltweit“ zu leisten. 20 Prozent der kurzfristigen erfolgsabhängigen Vergütung hingen davon ab. Geschafft hat er allerdings nur 15 Prozent. Vom Aufsichtsrat „nach vernünftigem Ermessen ermittelt“.

Das Trugbild einer woken Wirtschaft hält der Realität nicht stand. Die Wirtschaft ist zwar global, die DEI-Werte aber sind es nicht. Auch über die Frage, was ein nachhaltiger Beitrag zum Schutz der Menschen ist, dürften Araber, Chinesen und so mancher Amerikaner anderer Ansicht sein. Selbst die Kundschaft streitet sich: Nachdem „Bud Light“ mit einer Transgender-Person geworben hat, schoss der Rockmusiker Kid Rock auf Bud-Light-Dosen und rief seine Follower zum Boykott auf. In so einem Umfeld werden Missionen zur Farce. Wenn Unternehmer die Welt verbessern wollen, sollten sie Geld verdienen und sich an die Regeln halten. Dann wäre schon viel gewonnen.

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