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Im Repair-Café in Fürstenfeldbruck bekommen defekte Altgeräte ein zweites Leben – Fürstenfeldbruck | ABC-Z

Da wuchtet man also diese massive Brotschneidemaschine auf den Tisch zwischen Schraubenzieher, Zangen, die Dose Sprühöl und das Strom-Messgerät. Stecker in die Steckdose. Druck auf die Schaltwippe. Und was passiert? Das runde Messer dreht sich, die Schneidemaschine will schneiden. Katastrophe. Wie steht man denn jetzt da? In der heimischen Küche verweigerte die Maschine noch den Dienst. Deshalb die Fahrt zum Repair-Café nach Fürstenfeldbruck. Nun also der Vorführeffekt: Die runde Sägezahnscheibe dreht sich artig im Kreis, als sei das nie anderes gewesen, seit sie vor ungefähr 30 Jahren in irgendeinem Haushaltswarengeschäft über die Theke gegangen ist.

Johannes Schnell aus Steinebach im Landkreis Starnberg, angehender Lokführer, der gerne schraubt, lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Er ist trotz seiner jugendlichen 19 Jahre routiniert im Umgang mit defekten Dingen und peinlich berührten Besitzern. Nun zahlt sich immerhin aus, dass der Reporter für diesen Selbstversuch vorsorglich im Vorraum ein paar Alternativen deponiert hat: Plan B, Plan C. Und wenn alle Stricke reißen: auch noch Plan D. Als da wäre der geizige elektrische Klammerer, der keine Klammern ausspucken will, der Rollei-Überblendprojektor, der auf einem Auge blind ist und sich weigert, die Dias in die Poleposition zu transportieren. Und die Jeans mit dem an Zahnausfall leidenden Reißverschluss.

Der launische Graef-Allesschneider, Modell EH-170T, wird in den Vorraum strafversetzt und neben einem Drucker und einer Stereoanlage zum Warten verdonnert. So viel sei verraten: Zu Hause verwandelt er sich wieder in einen Nichtsschneider und wird folgerichtig auf seinen Stammplatz im Keller verbannt. Reparatur in einer Werkstatt? Kommt nicht infrage, lohnt sich nicht. Ein gut erhaltenes gebrauchtes Exemplar könnte man auf Ebay gerade für um die 35 Euro erstehen. Da kann kein Handwerker mithalten.

In den vielen kleinen Schubladen der Werkstatt finden sich kleine Schätze wie Kondensatoren oder Schalter ausgeschlachteter Geräte. (Foto: Stefan Salger)

Man hat noch die Worte von Franz Weigl im Ohr, der gemeinsam mit seiner Familie an der Pucher Straße in Fürstenfeldbruck einen kleinen Laden führt – so etwas wie Tante Emma für Toaster, Lampen und Rasierapparate. Bei Bedarf werden dort noch Kundengeräte instand gesetzt. „70 Prozent der Elektrogeräte, die auf dem Wertstoffhof landen, könnte man reparieren“, sagt Weigl. Eine goldene Nase kann man sich damit nicht verdienen. Aber der Meister hat was gegen ex und hopp. Letztens habe er bei einer älteren Dame den Schalter ihres Nachttischlämpchens ausgetauscht. Mit An- und Abfahrt hätte er „eigentlich 60 oder 70 Euro verlangen müssen“. Hat er natürlich nicht.

Der Allesschneider, der erst zum Nichtsschneider wird, dann im unpassendsten Moment aber wieder die Fähigkeiten eines Allesschneiders vortäuscht.
Der Allesschneider, der erst zum Nichtsschneider wird, dann im unpassendsten Moment aber wieder die Fähigkeiten eines Allesschneiders vortäuscht. (Foto: Stefan Salger)

So viel Service und Kundenfreundlichkeit kann oder will sich jedoch nicht jeder Handwerker leisten. Und viele Menschen lassen aus gutem Grund die eigenen Finger von defekten Toastern oder Küchenmaschinen. Bleiben also die Repair-Cafés, wie es sie in vielen Dörfern und Städten gibt. In den bundesweit um die tausend Einrichtungen stemmen sich ehrenamtliche Helfer gegen die Auswüchse der Konsumgesellschaft.

Manchmal stößt der gute Wille dabei an Grenzen: Wenn die Geräte von Herstellern etwa bewusst verklebt sind, um Reparaturen zu erschweren. Oder es gar keine Ersatzteile gibt. Oder bei minderwertiger Wegwerfware. Die Politik will gegensteuern, auch weil die Industrie zu den größten Treibern des Klimawandels gehört. Im Koalitionsvertrag ist vom „Grundsatz reparieren statt wegwerfen“ die Rede. Der Green Deal der EU-Kommission sieht laut Medienberichten ein „Recht auf Reparatur“ vor. Die solle wieder selbstverständlicher zum Lebenszyklus eines Produkts gehören. Hersteller von Staubsaugern oder Smartphones müssen diese künftig noch Jahre nach dem Kauf anbieten.

Aufschrauben, reinschauen, weitersehen: die beste Strategie angesichts meist fehlender Schaltpläne. Johannes Schnell nimmt sich des elektrischen Klammerers an.
Aufschrauben, reinschauen, weitersehen: die beste Strategie angesichts meist fehlender Schaltpläne. Johannes Schnell nimmt sich des elektrischen Klammerers an. (Foto: Stefan Salger)

Für das Repair-Café schließt der Verein Sprint, der sich sonst um Resozialisierung und Integration kümmert, jeden ersten Samstag im Monat einen Nachmittag lang die Werkstatt im Erdgeschoss auf: zum gemeinsamen Reparieren von kleinen Elektrogeräten, Möbeln, Kleidern oder Schmuck. Auf dem Tisch von Johannes Schnell, der gerade eine Kaffeemaschine verarztet hat, landet nun also Plan B: der streikende Klammerer. Eine Reparaturanleitung gibt es natürlich nicht. Also erst mal aufschrauben, reinschauen. Dann weitersehen.

Ein paar mit Splinten gesicherte Metallstifte erweisen sich als störrisch, aber als überwindbares Hindernis. Dann offenbaren sich die elektrischen Eingeweide. Mithilfe des Messgeräts stellt sich heraus, dass der Schalter die Wurzel allen Übels ist. Ein passendes Ersatzteil aber gibt es nicht. Manchmal beißen sich auch die Alleskönner des Repair-Cafés die Zähne aus.

Marco Hirschmann kümmert sich um einen VHS-Videorekorder, dessen Antrieb nicht mehr funktioniert.
Marco Hirschmann kümmert sich um einen VHS-Videorekorder, dessen Antrieb nicht mehr funktioniert. (Foto: Stefan Salger)

Die Spanne der erfolgreich verlaufenen Reparaturen reicht der Halbjahresstatistik zufolge von 48 Prozent im Dezember (viele Reparaturen von Elektrogeräten scheiterten an Verschleißteilen, deren Ersatz nicht verhältnismäßig war) bis 86 Prozent im November, als die Einrichtung ihr zehnjähriges Bestehen feierte (passend zur Vorweihnachtszeit viele Musikgeräte).

Mehr Aussicht auf Erfolg gibt es nebenan. Da nimmt sich Marco Hirschmann gerade einen betagten Sharp-VHS-Videorekorder mit defektem Antrieb vor. Zwei Stunden dauert es, dann läuft er wieder. Am Tisch gegenüber drängt sich ein Monteursquartett. Aus dem veritablen Kabelsalat ragt zwischen Lötkolben und Kaffeetassen ein Tonbandgerät aus den Sechzigerjahren. „Das brummt nur noch“, sagt Besitzer Joachim Myrzik, 80, aus Emmering, der den „tollen Service“ des Repair-Cafés lobt. Bei Walter Schubert ist das Tonbandgerät in guten Händen. Die Aussicht auf Erfolg sei gerade „bei älteren Kisten“ gar nicht schlecht. Oft finden sich in einem der Schubfächer der Werkstatt passende Kondensatoren, Bauteile oder Schalter ausgeschlachteter Geräte.

Robert Martin hat viele Jahre als Ingenieur gearbeitet. Einen Platten zu flicken, gehört zu seinen leichtesten Übungen.
Robert Martin hat viele Jahre als Ingenieur gearbeitet. Einen Platten zu flicken, gehört zu seinen leichtesten Übungen. (Foto: Stefan Salger)

Draußen vor der Tür hat Robert Martin, 60, das Vorderrad eines Fahrrads demontiert. Den Platten zu flicken, gehört hier zu den leichtesten Übungen. Ist der Schlauch nicht zu alt und deshalb spröde, liegt die Erfolgsquote bei nahezu hundert Prozent. Martin ist Ingenieur. Er arbeitet gerne im Team mit ähnlich gestrickten Menschen, bisweilen auch in den Repair-Cafés in Gröbenzell und Olching: „Es ist sinnvoll, befriedigend und macht Spaß“, sagt er. Bei Kaffee und Kuchen bleibt auch noch Zeit für einen Ratsch.

Nähen den neuen Reißverschluss ein: Schneidermeisterin Ulrike Ücker (rechts) und Marcela Nitsch.
Nähen den neuen Reißverschluss ein: Schneidermeisterin Ulrike Ücker (rechts) und Marcela Nitsch. (Foto: Stefan Salger)

Unter Leute zu kommen und etwas Sinnvolles zu tun – das ist auch das Motiv von Schneidermeisterin Ulrike Ücker und ihrer Kollegin Marcela Nitsch. Das eingespielte Team hat einen Anorak und Fingerhandschuhe repariert sowie ein Taschenfutter genäht, aber gerade etwas Luft für die Jeans mit dem an Zahnausfall leidenden Reißverschluss.

Der Nähmaschine in der Werkstatt fehlt ein für dicken Jeansstoff geeigneter Fuß. Mit Ausdauer und Improvisationstalent geht es auch so.
Der Nähmaschine in der Werkstatt fehlt ein für dicken Jeansstoff geeigneter Fuß. Mit Ausdauer und Improvisationstalent geht es auch so. (Foto: Stefan Salger)

Die Frauen kämpfen zunächst mit der Technik. Denn für den dicken Jeansstoff fehlt den beiden Nähmaschinen des Repair-Cafés der passende Fuß. Es wird ein harter Kampf. Aber so schnell gibt hier niemand auf, notfalls wird eben improvisiert. Und so ist 20 Minuten später ein neuer Reißverschluss eingesetzt und der ansonsten tadellosen Hose bleibt der Altkleidercontainer erspart. Eine Win-Win-Win-Situation: Helfer und Besucher sind zufrieden. Und auch die Umwelt profitiert, weil keine Ressourcen verschwendet werden.

Vielleicht sollte man die Brotschneidemaschine ja aus dem Kellerverlies holen und ihr eine zweite Chance geben, zuverlässig nicht zu funktionieren – um ihr anschließend im Repair-Café doch noch ein längeres Arbeitsleben zu ermöglichen.

Repair-Café Fürstenfeldbruck, Hauptstraße 1 (Hinterhaus); Samstag, 7. Juni, 13 bis 17 Uhr;

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