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Finanzierungsengpässe: Olympiastützpunkte am Scheideweg | sportschau.de | ABC-Z

Stand: 05.06.2025 12:59 Uhr

In Deutschland wird gerade mit zunehmender Begeisterung über eine Olympiabewerbung diskutiert. Die sportliche Realität ist dagegen ernüchternd. Seit Jahren gewinnen deutsche Athleten bei Olympia immer weniger Medaillen. In Paris 2024 waren es die wenigsten seit der Wiedervereinigung. Ein Grund: die Olympiastützpunkte, die bei der Betreuung der Top-Athleten eine wichtige Rolle spielen, beklagen mangelnde Unterstützung von der Politik.

Julie Hölterhoff gehört zu den Top-Judoka in Deutschland. Sie trainiert bis zu zehn Mal in der Woche. Der Olympiasstützpunkt in München ist dabei eine wichtige Anlaufstelle.

“Der Olympiastützpunkt ist total ausschlaggebend für jeden Athleten, würde ich sagen. Gerade im Kampfsport sind sehr viele Verletzungen alltäglich”, sagt Hölterhoff im Gespräch mit der ARD Radio Recherche Sport.

Die Vorteile liegen für sie auf der Hand: “Auf Topniveau wird der Körper einfach sehr belastet und ohne Physiotherapie geht da gar nichts. Ich habe einen direkten, sehr schnellen Zugang zu Top-Orthopäden, ich werde sehr schnell operiert. Das ist auf jeden Fall essenziell.”

13 Olympiastützpunkte für rund 4.000 Sportlerinnen und Sportler

In Deutschland gibt es 13 Olympiastützpunkte. Dort werden gut 4.000 Bundeskader-Athletinnen und -Athleten umfassend betreut – in der Regel kostenlos.

Auch Themen wie Sportpsychologie sind wichtig. Aber auch Ernährungsberatung, Sportwissenschaftler, das sind alles Dinge, die einfach zum Leistungssport dazugehören.

Dieses Team braucht man einfach, um den Aufgaben gerecht zu werden. Dieses Team kostet natürlich Geld. Und die finanziellen Rahmenbedingungen sind begrenzt.

Julie Hölterhoff – der Alltag einer Spitzensportlerin

Julie Hülterhoff merkt das an ganz alltäglichen Dingen: “Ich brauche Tape jeden Tag im Judo-Training. Fußgelenke, Finger, das muss einfach getaped werden. Und da haben wir hier schon auch oft Engpässe gehabt, wo es dann hieß, sorry, wir haben jetzt gerade kein Tape mehr da.”

Der Grund ist simpel: Es mangelt an Geld – und zwar an vielen Olympiastützpunkten. Deswegen hat sich die IG Olympiastützpunkte gegründet. Einer der Sprecher ist Daniel Müller, Leiter des Olympiastützpunktes NRW-Rheinland.

Die Rolle der Olympiastützpunkte in Deutschland

“Unsere Aufgabe ist es, die Athletinnen und Athleten so zu unterstützen, dass sie auf Top- und Spitzenniveau mit der Weltspitze mithalten können”, sagt Müller, “und dazu haben wir zu wenige Ressourcen, um ausrechende Quantität und Qualität an Leistung zu erbringen in den Bereichen.”

Finanzielle Herausforderungen und ihre Auswirkungen

Die Kritik richtet sich an den Bund. Der zahlt rund 25 Millionen Euro für den Betrieb und für die Betreuung der Athleten.

“Dem Bund ist die Kritik an einer möglicherweise unzureichenden finanziellen Ausstattung der Olympiastützpunkte bekannt”, sagte ein Sprecher der Staatsministerin für Sport und Ehrenamt auf ARD-Anfrage.

Bundesregierung: Sport mit “sehr großem Stellenwert”

“Der Sport im Allgemeinen und der Spitzensport im Speziellen besitzen einen sehr großen Stellenwert für die Bundesregierung. Durch die Förderung der Stützpunkte sollen für die Athletinnen und Athleten optimale Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche leistungssportliche Karriere geschaffen werden”, so der Sprecher der Staatsministerin für Sport und Ehrenamt weiter.

Über die zukünftige Höhe der Zuwendungen der Olympiastützpunkte könne wegen des laufenden Haushaltsaufstellungsverfahrens aktuell keine Aussage getroffen werden.

Wie schaut es in anderen Ländern aus?

Die internationale Konkurrenz sei mittlerweile häufig besser aufgestellt als die deutschen Athleten, das ist die Beobachtung bei der IG Olympiastützpunkte. Gerade, wenn es um Physiotherapeuten, Mediziner oder Psychologen geht.

Ähnlich sieht das Wolfgang Maier, Sportvorstand im Deutschen Skiverband (DSV): Andere Nationen hätten das Modell der Olympia-Stützpunkte kopiert – und weiterentwickelt. In Deutschland sei das nicht passiert. Deshalb sei der Spitzensport hierzulande im internationalen Vergleich abgehängt.

Kritik an der aktuellen Finanzierungspolitik

“Die Zentralisierung der Wissenschaft, die Flexibilität, Wissenschaft direkt an den Athleten zu bringen, davon sind wir meilenweit weg. Weil bei uns einfach immer die finanziellen Ressourcen das erste sind, die eine Weiterentwicklung verhindern”, sagt Maier.

Das Hauptproblem aus seiner Sicht: “Die Ideen gibt es schon, die Menschen, gibt es auch, die das können. Aber es gibt nicht die Finanzierung, um das so zu gestalten, wie es die Konkurrenz im Ausland macht.”

Die Zukunft der deutschen Olympiastützpunkte

Laut Koalitionsvertrag wird eine wettbewerbsfähige Struktur der Olympiastützpunkte angestrebt. Ob dann tatsächlich mehr Geld zur Verfügung gestellt wird – entscheidet sich in den anstehenden Verhandlungen über den Bundeshaushalt.

Sportförderung in Deutschland – die ARD-Recherche

Die ARD Radio Recherche Sport hat recherchiert und analysiert in einer vierteiligen Serie die Sportförderung in Deutschland. “Versetzung gefährdet? Schulsport vor dem Kollaps” war der Auftakt, die weiteren Teile beschäftigen sich mit “Zu wenig Trainer, zu wenig Ehrenamtliche – Sportvereine am Limit”, “Nachwuchs-Leistungssport – die Elite-Schulen des Sports reichen nicht aus” und “Den Olympiastützpunkten fehlt das Geld'”.

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