Gauting: Warum Ex-Minister Martin Zeil gegen Windräder unterschreibt – Starnberg | ABC-Z
Freudestrahlend steht der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) aus Gauting gemeinsam mit der früheren Bürgermeisterin Brigitte Servatius (SPD) an einem Informationsstand, beide mit einem Kugelschreiber in der Hand. Die Zwei unterschreiben für ein Bürgerbegehren, das sich gegen den Bau von Windkraftanlagen auf Gautinger Gemeindegebiet richtet. Das Bild vom Mai wird auf der Homepage der Bürgerinitiative und in sozialen Medien verbreitet.
Ein paar Jahre zuvor: Der damals noch amtierende Staatsminister Zeil stellt – von großem Medienecho begleitet – einen Windatlas vor, eine wichtige Grundlage für die Planung von Windrädern. Und unter Regentschaft der damaligen Bürgermeisterin Servatius entsteht unter Regie des Starnberger Landratsamts ein Überblick, wo im Fünfseenland Windräder hinpassen und wo nicht, ein sogenannter Teilflächennutzungsplan. Von größeren Widerständen aus der Kommunalpolitik und der Rathausspitze ist nichts bekannt. Nach Auskunft aus der Gemeinde wurde die Planung damals fast einstimmig gebilligt, auch mit der Stimme der damaligen Bürgermeisterin. Was ist geschehen seither? Es könnte damit zu tun haben, dass vor allem im nördlichen Landkreis Starnberg gerade sehr konkret der Bau von einigen Windkraftanlagen vorbereitet wird, auch in Gauting.
Bis zum Jahr 2035 will der Landkreis Starnberg energieneutral sein. Und es tut sich was: Es gibt neue Gesetze, und dann noch der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen für die Energiewirtschaft: Das alles könnten Auslöser dafür sein, dass sich nun nach langer Flaute plötzlich viel tut bewegt bei der Windkraft. Und das wiederum scheucht auch die Kritiker und Gegner auf. Sie sorgen sich um Wald und Wild. Planungen im Fünfseenland laufen unter anderem im Gemeindegebiet von Wörthsee, Gilching, Krailling und Gauting. Dort sind es Standorte bei Königswiesen und Buchendorf, die zur Debatte stehen. Und diese Standorte seien völlig ungeeignet, meint der Staatsminister a.D.
Und nicht nur dort, sondern eigentlich in der ganzen Region zwischen Lech und Inn. „Ich halte die Wälder im Süden von München für den denkbar ungeeignetsten Standort – deshalb haben wir ja auch den oberirdischen Autobahnsüdring beerdigt“, erklärt Zeil, der gleichzeitig beteuert: „Ich bin kein Windkraftgegner und war es nie. Ich habe die Windkraft gefördert, auch in meiner Amtszeit als Wirtschaftsminister.“ Aber wie das in Gauting abgelaufen ist, das stört ihn halt sehr: die „Intransparenz“ etwa. Und dass die Gemeinde schon vertragliche Bindungen mit dem künftigen Betreiber eingegangen ist; das ist das Ingenieurbüro von Robert Sing in Landsberg, das auch an einigen anderen Anlagen in Oberbayerrn beteiligt ist. Und eben der Standort im Wald.
Darum die Unterschrift des Ex-Ministers, der nach eigenen Worten die Windkraft gefördert hat, für ein Bürgerbegehren dagegen. Zeil meint: „Es wird nicht ohne Widerstände gehen, aber man kann das nicht gegen die Bürger durchsetzen. Wir müssen vernünftige Konzepte zusammen mit der Bürgerschaft entwickeln, die alle Erneuerbaren mit einbeziehen, auch Photovoltaik, Biomasse, Geothermie und Windkraft.“ Und Letzteres seiner Ansicht halt nach woanders, nämlich im Norden und Osten Bayerns.
Aus der großen Politik hat sich der 68-jährige Rechtsanwalt längst zurückgezogen. Er war Gemeinderat und Gautinger Vize-Bürgermeister, saß von 2005 an im Bundestag und hat danach von 2008 bis 2013 im Kabinett von Horst Seehofer das Wirtschaftsressort geleitet. Jetzt arbeitet der Jurist in einer „Boutique-Kanzlei“, die auf Wirtschaftsrecht spezialisiert ist. Nicht nur die Kanzlei weist natürlich gerne darauf hin, dass sie einen ehemaligen Staatsminister in ihren Reihen hat, sondern nun auch die Bürgerinitiativen „Umwelt-Energie-Gauting“ und „Gegenwind“.
Das wiederum findet die Gautinger Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU) „schon problematisch“, wenn sich jemand mit dem Signum des Ex-Ministers so positioniert. Das sei ja „ein Pfund, mit dem die dann wuchern“, sagt sie mit Blick auf die Bürgerinitiativen, welche die Ziele von Kommune und Ingenieurbüro durchkreuzen wollen. Ehemalige Polit-Prominenz also, mit der man sich schmückt. Kössinger meint sogar, so ein Amt gebe einem eine Art nachwirkende Verantwortung. Zeil aber betont: „Ich mache das als Gautinger Bürger, der persönlich in keiner Weise betroffen ist. Es hat mich vor allem gestört, wie das abgelaufen ist und dass man die Bürger nicht entscheiden lässt.“
Kössinger wirft Zeil außerdem vor, er hantiere „mit Zahlen, die nicht stimmen“. Sie beteuert: „Wir haben genug Wind dort, wo die Windräder geplant sind“. Mit der heutigen Technologie sei eine Höhe von 260 Metern vorgesehen, was auch die Energieausbeute verbessere. Kössinger erinnert daran, dass sich der Landkreis Starnberg vorgenommen hat, sich bis 2035 vollständig mit erneuerbarer Energie zu versorgen: „Da muss man auch etwas dafür tun.“ Bis jetzt ist man von diesem Ziel noch weit entfernt.
Die ablehnende Haltung des FDP-Politikers Zeil stößt auch bei Parteifreunden im Ort auf wenig Gegenliebe. „Das ist die Meinung von Herrn Zeil, die darf er ja haben, aber wir teilen die nicht“, sagt die Kreisvorsitzende Britta Hundesrügge, die ebenfalls aus Gauting kommt. Zudem sei Zeil Mitglied im FDP-Kreisverband Weilheim-Schongau; das hat mit seiner Kandidatur bei der zurückliegenden Landtagswahl im Nachbarlandkreis zu tun, nachdem im eigenen Landkreis Hundesrügge angetreten war. Weitere Ambitionen bei bevorstehenden Wahlen habe er nicht, sagte Zeil.
Das Bürgerbegehren, das Zeil da unterzeichnet hat und das etwa 2200 Gautinger mit ihrer Unterschrift unterstützten, stößt unterdessen auf größere Widerstände. Der Gautinger Gemeinderat hatte es nach kontroverser Debatte im Juni mit großer Mehrheit aus formalen Gründen für unzulässig erklärt. Gegen diese Entscheidung hat nun wiederum die Bürgerinitiative Umwelt-Energie-Gauting Klage eingereicht. Nun muss ein Gericht entscheiden.