Ehe als Risiko? Studie kommt zu erstaunlichem Ergebnis | ABC-Z

Berlin. Wer verheiratet ist, hat ein geringes Demenzrisiko – lange war die Forschung davon überzeugt. Eine Studie stellt die Annahme nun infrage.
Für die Gesundheit gilt die Ehe eigentlich als positiver Faktor. Wer verheiratet ist, lebt tendenziell länger, raucht und trinkt weniger und hat ein geringes Risiko an einer Depression zu erkranken. Lange gingen Expertinnen und Experten auch davon aus, dass die Ehe wegen des emotionalen Supports durch den Partner vor Demenz schützt.
Umso überraschender ist darum eine neue Studie aus den USA. Sie kommt zu dem Schluss: Verheiratete Menschen haben ein signifikant höheres Risiko, an Alzheimer oder anderen Demenzformen zu erkranken, als Ledige, Geschiedene oder Verwitwete. Die Analyse von Forscherinnen und Forschern der Florida State University College of Medicine und der Universität Montpellier basiert auf Daten des National Alzheimer‘s Coordinating Center und wurde im März in der Fachzeitschrift „Alzheimer & Dementia“ veröffentlicht. An der Untersuchung nahmen mehr als 24.000 Menschen über einen Beobachtungszeitraum von bis zu 18 Jahren teil. Das Durchschnittsalter der Menschen lag bei circa 72 Jahren.
Demenz: Laut Studie hängen Risiko und Familienstand hängen zusammen
Die Teilnehmenden mussten zu Beginn der Studie ihren Familienstand angeben: verheiratet, verwitwet, geschieden, getrennt lebend und ledig oder in Ehe lebend. Dann wurden die Gruppen der Getrenntlebenden, Geschiedenen, und der in Ehe/Lebenspartnerschaft lebenden Personen mit der Gruppe der Verheirateten verglichen. Zum Startzeitpunkt des Beobachtungszeitraumes hatten die Teilnehmenden noch keine Demenz. Dann wurden jährlich Tests durch Ärzte durchgeführt, die die kognitiven Status der Teilnehmenden untersuchten.
Zudem berücksichtigten die Forschenden auch Faktoren wie demografische Daten (Geschlecht, Alter, Bildung), körperliche Gesundheit (Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit), Depression, Rauchverhalten und die genetische Anfälligkeit. Der Zusammenhang zwischen Familienstand und Demenzrisiko blieb in der Studie trotzdem bestehen. Demnach erkrankten 21,9 Prozent der verheirateten sowie der verwitweten Studienteilnehmer an Demenz, während dies nur bei 12,8 Prozent der Geschiedenen und 12,4 Prozent der Ledigen der Fall war.
Die Ergebnisse „widersprechen den meisten früheren Längsschnittstudien, in denen berichtet wurde, dass verheiratete Personen ein geringeres Risiko für kognitive Beeinträchtigung und Demenz haben als unverheiratete Gruppen“, schreiben die Studienautoren.
Studie: Diese Punkte fehlen
Den Forschenden zufolge gebe es Hinweise darauf, dass sich nach einer Scheidung die Lebenszufriedenheit verbessern könnte. Außerdem hätten frühere Studien ergeben, dass unverheiratete Personen eher soziale Kontakte zu Freunden und Co. pflegen – Ehemenschen neigten eher zu weniger Interaktion mit anderen Menschen. Das könnte laut Studienautoren ein Grund für das Ergebnis der Studie sein. Eine zweite mögliche Erklärung: Verheiratete Personen hätten eher Partner, die kognitive Ausfälle bemerken und melden. So werde Demenz möglicherweise früher und häufiger diagnostiziert.
Was die Studie allerdings nicht abgefragt hat: Beziehungsfaktoren, wie Qualität der Ehe, Dauer der Beziehung und soziale Kontakte. Da die Forschung schon länger davon ausgeht, dass gute soziale Kontakte das Demenzrisiko senken könnten, ist das ein wichtiger Faktor. Die Forschenden wollen hier weitere Abfragemodule entwickeln, um den Zusammenhang zwischen Familienstand und Demenz besser zu verstehen.