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Ärger an der Nürnberger Kunstakademie – Bayern | ABC-Z

Ein Törtchen aus Beton ist der Stein des Anstoßes. Unter anderem mit diesem handlichen Objekt in Gugelhupf-Form bewarb sich Dylan Steiert 2020 an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg. Und wurde aufgenommen: in die Klasse des Kommunikationsdesigners und Präsidenten der Akademie Holger Felten und dessen Kollegin Friederike Girst.

Fünf Jahre später: Holger Felten wird die Ehre zuteil, mit seinem Büro Rose Pistola im Zuge der Blauen Nacht die Nürnberger Burg zu illuminieren. Der prestigeträchtigste, städtische Auftrag im Nürnberger Kunstjahr, flankiert von einer Ausstellung im Kunstverein Kohlenhof. Als Steiert auf den Portalen der Stadt sieht, mit welchen Entwürfen sein Professor diese Ausschreibung für sich entschieden hat, fällt er aus allen Wolken.

„Ich dachte: what the fuck.“ Immer wieder habe er nach Bildern gegoogelt, die die Projektion und die Ausstellung ankündigten, um sich zu vergewissern. Er fand ein Törtchen, das seinem zum Verwechseln ähnelte, nur gummibootrot statt betongrau. Eines war als Teil einer Dia-Show auf der Burg vorgesehen. Mehrere Objekte der Art sollten im Kohlenhof zu einer Pyramide gestapelt werden. So hatte auch Steiert seine Gugelhupfe angeordnet.

Ein Gespräch habe es im Vorfeld nicht gegeben. Felten habe aber sein Kunstwerk definitiv gekannt. Er habe ja seine Bewerbungsmappe vorliegen gehabt. Und saß selbst in der Jury, als das „Tartelette de béton“ 2021 zur Jahresgabe gewählt wurde, dem herausragenden Objekt, das an Freundinnen und Freunde der Akademie verteilt wird. Auch auf Feltens Schreibtisch habe es, sagt der Urheber, seither gestanden.

Holger Felten teilt auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit, er habe den Nürnberger Nachrichten bereits alles zum Thema gesagt. Er verstehe, dass Steiert, den er sehr schätze, pikiert sei, heißt es im gemeinten Artikel, das tue ihm leid. Er hätte den Studenten im Vorfeld kontaktieren müssen, auch wenn die Idee nicht geklaut sei. Die Gugelhupf-Form sei weitverbreitet, das habe ihm auch ein Markenanwalt bestätigt. Die Idee, sie in die Ausstellung zu integrieren, sei zudem aus dem Rose-Pistola-Team gekommen. Es handle sich um eine ironische Übersetzung des Wackelpudding-Motivs auf der Burg. „Der Kollege kannte Steierts Arbeit nicht.“

Der Entwurf von Dylan Steiert aus seiner Bewerbungsmappe von 2020 wurde 2021 auch als „Tartelette de béton“ zur Jahresgabe der Nürnberger Kunstakademie. (Foto: Dylan Steiert)

„Man fühlt sich, was das geistige Eigentum angeht, missbraucht“, sagt Steiert. Er habe sich mit seiner Partnerin, Madeline Hamen, mit der er die Weiterentwicklung zur Jahresgabe erarbeitet hatte, an verschiedene Ansprechpartnerinnen gewandt. Von rechtlichen Schritten, sagt er, sei ihnen abgeraten worden. „Wir haben aber nicht eingesehen, das im Sande verlaufen zu lassen.“ Die Pressestelle der Akademie reagierte auf Anfrage von Seiten der SZ nicht, ebensowenig wie Friederike Girst. Auch die Stadt Nürnberg ignoriert alle Anfragen zum Thema.

Vor Gericht hätte eine Klage gegen den Professor wegen Diebstahl geistigen Eigentums wohl tatsächlich wenig Aussicht auf Erfolg. Feltens Gugelhupfe im Kohlenhof waren aus Glycerin gegossen, Farbe und Materialität unterscheiden sich. Der Kommunikationsdesigner spricht bei der Projektion auch von Wackelpudding, einem Symbol für Kindheit. Einen Rechtsstreit könnten sich die Studierenden ohnehin nicht leisten, so Steiert. Man wolle sich mit künstlerischen Mitteln wehren.

Auch Steiert hatte seine Gugelhupfe für seine Arbeit einst als Pyramide angeordnet.
Auch Steiert hatte seine Gugelhupfe für seine Arbeit einst als Pyramide angeordnet. (Foto: Dylan Steiert)

Entsprechend groß war die Solidarität, als das Künstlerpaar in einem Instagram-Video ankündigte, Holger Feltens Künstlergespräch im Kohlenhof zu besuchen. Steiert, Hamen und ihre Unterstützenden fluteten die Ausstellung in der Folge mit hunderten Beton-Törtchen, Felten brachte als Geste der Entschuldigung Schoko-Gugelhupfe mit.

Versöhnt hat das den Studenten nicht: „Wenn an der Akademie ein gemeinsames Werk mit Lehrenden entsteht, muss man Kompromisse finden. Aber nicht, wenn es um komplett eigenes geistiges Eigentum geht. Und als ich mich an der Akademie beworben habe, musste ich unterschreiben, dass ich alles alleine angefertigt habe.“ Natürlich haben Zitat und Aneignung längst ihren Platz als Kulturtechniken in der postmodernen Kunstpraxis, das will auch Steiert nicht infrage stellen, ihm geht es um das Machtgefälle zwischen Professor und Studierenden. Mit einem Zitat wäre Steiert einverstanden gewesen.

Es ist das zweite Mal innerhalb eines Monats, dass Felten sich entschuldigen muss: Unter dem Titel „Debüt“ durften Studierende Mitte Mai Arbeiten im leer stehenden Nürnberger Kaufhof präsentieren. Als die Akademieleitung, sprich Holger Felten, mitbekam, dass eine Studentin antifaschistische Slogans in Leuchtschrift im Schaufenster platzieren wollte, griff er ein.

Am Ende hing eine auf Postkarten-Format reduzierte Arbeit nebst Statements der Künstlerin und der Akademie. Vier Künstlerinnen und Künstler hatten ihre Werke aus Protest zurückgezogen. Felten bat in seiner Eröffnungsrede um Entschuldigung. Keine schöne Entwicklung an der ältesten Kunsthochschule der Welt, die durch parlamentarische und außerparlamentarische Attacken von rechts tatsächlich unter Druck geraten ist. Ein persönliches Gespräch zwischen dem Akademiepräsidenten und seinem Studenten steht noch aus. Steiert hat eine Mediatorin kontaktiert.

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