Warum Leihmutterschaft in Deutschland nicht erlaubt ist | ABC-Z

Bei den Missbrauchsgefahren spielt vor allem die reale Sorge des Kinderhandels eine Rolle. Dieser Gefahr könnte man vermutlich dann gut begegnen, wenn man sicherstellt, dass jegliche Absprache zwischen Wunscheltern und Leihmutter vor einer möglichen Zeugung getroffen werden muss. Umgehungsgefahren sind in vielerlei Hinsicht denkbar. Ein Beispiel: Angenommen, wir hätten in Deutschland ein altruistisches Modell, das einen bestimmten und begrenzten Betrag als Aufwandsentschädigung für die Leihmutter festlegt. Wenn die Wunscheltern dann aber mit der Leihmutter zusätzlich abmachen würden, dass sie noch einmal Summe X bekommt, wenn sie den Verzehr von Süßigkeiten während der Schwangerschaft unterlässt, wäre das eine Umgehung. Das eine ist ja immer das, was der Staat im Staat-Bürger-Verhältnis regelt. Und das andere ist, was private Parteien noch nebenher, auch wenn es verboten wäre, vereinbaren.
Es gibt Stimmen, die eine Legalisierung der Leihmutterschaft aus Gründen der Verfassungskonformität fordern, da das Verbot der Leihmutterschaft einen nicht legitimen Eingriff in die Fortpflanzungsfreiheit darstelle.
Aus meiner Sicht gibt es unter dem Grundgesetz keinen Anspruch auf Einführung von Leihmutterschaft; es ist komplexer. Fortpflanzungsfreiheit ist eine ernstzunehmende Freiheit und in Artikel 6 des Grundgesetzes und auch als Teil der reproduktiven Selbstbestimmung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt. Auf diese Freiheit können sich Wunscheltern berufen und natürlich auch Frauen, die ihre reproduktiven Fähigkeiten einsetzen und als Leihmutter tätig sein wollen. Diese Freiheit ist aber in Ausgleich zu bringen mit den staatlichen Schutzpflichten, insbesondere gegenüber den Kindern, die so gezeugt werden, und auch gegenüber der Leihmutter. Deswegen hat die Kommission im Ausgangspunkt gesagt: Wie man das Ganze abwägt, muss dem Gesetzgeber überlassen werden. Und der darf mit jetzt besseren Gründen als dem Embryonenschutzgesetz an dem Verbot festhalten, weil Leihmutterschaft eine risikobehaftete Konstellation ist, die Missbrauchsgefahren birgt. Oder er kann unter bestimmten Maßgaben und in engen Grenzen eine Legalisierung einführen. Der Weg, den die Kommission gewählt hat, überzeugt mich aus verfassungsrechtlicher Sicht.
Bislang ist das Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland vor allem mit der Erwägung der sogenannten gespaltenen Mutterschaft begründet. Was steckt dahinter?
Das meint das Auseinanderfallen von genetischer Mutter, also der Wunschmutter oder der Eizellspenderin, und austragender Frau, also der Leihmutter. Die Sorge, so die Begründung des Embryonenschutzgesetzes, das 1990 in Kraft trat, ist, dass das Auseinanderfallen der genetischen und der biologischen Mutterschaft das Kindeswohl beeinträchtigen könnte. Es wird von möglichen Identitätsfindungsstörungen bei den Kindern, die nach Leihmutterschaft geboren sind, ausgegangen. Zudem geht es dem Gesetzgeber um Schutzerwägungen, insbesondere gegenüber der Leihmutter, um psychische und physische Folgen, die dieses Arrangement mit sich bringen könnte.
Sie erwähnten es gerade: Das Embryonenschutzgesetz stammt von 1989/90. Seitdem hat es weltweit Hunderttausende von Schwangerschaften und Geburten durch Leihmütter gegeben. Was weiß man 35 Jahre später über das Wohl der nach Leihmutterschaft geborenen Kinder?
Die Studien, die insbesondere zum Kindeswohl immer wieder zu Rate gezogen werden, kommen vor allem aus Großbritannien. Sie zeigen, dass es essenziell ist, ob und wann und in welcher Form eine Aufklärung des Kindes über seine Entstehung stattfindet. Auch aus der Adoptionsforschung ist das bekannt: Je transparenter man mit dem eigenen Entstehen und den Familienverhältnissen konfrontiert ist, desto besser kommt man damit klar. Das spricht sehr dafür, eine Art von Regulierung zu finden, die jedenfalls anonyme Formen, insbesondere im Ausland, verhindert. Wenn wir auf die Eizellspende schauen: In Spanien muss sie anonym praktiziert werden, in Tschechien auch. Und das sind die beiden Hauptzielländer von Deutschen, die eine Eizellspende benötigen. Wenn man von dem heutigen Wissens- und Forschungsstand ausgeht, spricht rund um die gesamte reproduktionsmedizinische Fortpflanzung alles dafür, keine anonymisierten Spenden zu erlauben, sondern eine Möglichkeit der Kenntniserlangung bereitzustellen.
Und trotzdem bleibt es so, dass das Kind die schwächste Position in dieser gesamten Konstellation innehat.
Ich weiß gar nicht, ob ich mitgehen würde, dass die Kinder die schwächste Position haben. Ich würde sagen, sie befinden sich in einer Position, die wenig Erörterung und viele Stereotype erfährt. Sie stehen nicht so oft im Fokus, wie es sein sollte. Aber mit Blick darauf, wer die schlechtere Position hat, würde ich einen Schritt zurückgehen und sagen: Wir müssen bei dieser Debatte anerkennen, dass Leihmutterschaft in aller Regel ein Verhältnis der Asymmetrie ist zwischen den Wunscheltern und der Leihmutter. Gerade deswegen sollte die Leihmutter nicht instrumentalisiert werden, sondern sie sollte erst einmal als mündiges Subjekt ernst genommen werden, das viel Entscheidungsfreiheit hat. Um dieses im Ausgangspunkt asymmetrische Verhältnis aufzulösen, träfe den Staat die ganz konkrete Pflicht, diese Leihmutter und ihre Rolle zu schützen und insbesondere auch ihre Freiwilligkeit zu gewährleisten. Das bedeutet letztlich auch: Sie müsste ein Recht haben, das Kind nach der Geburt behalten zu dürfen.
Aber hat das Kind nicht die schwächste Position inne, weil es völlig ohne Entscheidungsfreiheit ist?
Kein Kind wird vor der Zeugung um Erlaubnis gefragt, ob es das will. Mit Blick auf die Leihmutterschaft müssen wir aufpassen, dass wir nicht jenseits von den empirischen Erkenntnissen, die uns vorliegen, unsere eigenen Wertüberzeugungen stark miteinbringen. Die Erkenntnislage zeigt, dass es diesen Kindern im Vergleich zu Kindern aus anderen reproduktionsmedizinischen Verfahren nicht schlechter geht. Die Menschen, die eine Leihmutterschaft auf sich nehmen, sind in aller Regel, egal ob heterosexuell, homosexuell oder alleinstehend, einen ganz langen Weg gegangen und haben sich das extrem gut überlegt. Wenn wir uns anschauen, wie und auf welchem Wege andere Menschen, vielleicht ungeplant oder auch ungewollt, schwanger werden können, steht das fundamental zu dem Reflexionsprozess von Wunscheltern und dem schon im Vorhinein hohen Bewusstsein, was ihre Entscheidung vielleicht auch an Zumutungen mit sich bringt. Ich würde schlussfolgern, dass diese Menschen ihre Kinder mit bestem Wissen und Gewissen großziehen.

Kritiker argumentieren, dass Leihmutterschaft per se eine Verletzung der Würde der Leihmutter sei.
Das halte ich nicht für überzeugend. Ich meine, es ist ganz zentral, die Leihmutter als ein Subjekt zu verstehen, das eigene Entscheidungen wie eben die Entscheidung, Leihmutter sein zu wollen, treffen kann. Die Vorstellung, dass eben dieses Arrangement per se die Würde verletzt, birgt die Gefahr, dass wir die Frau instrumentalisieren und ihr nicht zugestehen, dass das auch etwas ist, wozu man sich entscheiden darf. Ich würde lieber ganz konkret fragen, ob das jeweilige Regelungsmodell mit Blick auf die Menschenwürde der Leihmutter vereinbar ist oder nicht und da speziell, ob die Person freiwillig handelt.
Wie kann man Freiwilligkeit rechtssicher feststellen?
Das ist immer ein schwieriges Konstrukt. Letztlich ist gemeint: ohne Zwang, ohne Manipulation. Doch ich würde noch weiter gehen und festlegen, dass die Frau Alternativen haben muss zu der Frage, ob sie Leihmutter sein darf und will. Dann könnten wir von einer Entscheidungsfreiheit mit Blick auf den Abschluss des Vertrags sprechen. Nachgelagert käme dann die Frage hinzu, wie wir sicherstellen, dass die Leihmutter freiwillig handelt, nachdem sie das Kind zur Welt gebracht hat. Als Ausdruck der reproduktiven Selbstbestimmung, oder auch als Ausdruck der Menschenwürde, muss ihr die Möglichkeit gegeben werden, das Kind zu behalten.
Macht es sich Deutschland einfach, wenn es Leihmutterschaft zwar verbietet, deutschen Staatsbürgern aber erlaubt, in Länder zu gehen, die Leihmutterschaft unter Bedingungen anbieten, die der deutsche Gesetzgeber kritisiert? „Offshoring ethisch bedenklicher Praktiken“ nennt sich das.
Deutschland ist keine Insel und wir leben in einer globalisierten Welt. Man kann das in zwei Richtungen denken. Man könnte natürlich vorschnell sagen, Deutschland mache es sich an dieser Stelle zu einfach und deswegen sollten wir Wunscheltern strafrechtlich verfolgen, wenn sie im Ausland eine Leihmutterschaft in Anspruch nehmen, so wie Italien es kürzlich entschieden hat. Es lässt sich aber auch in genau die andere Richtung argumentieren. Wenn wir die Möglichkeit haben, ein ethisch vertretbares Modell zu finden, in dessen Rahmen sich die Menschen hoffentlich als Gleiche begegnen, dann gibt es dafür gute Gründe. Und trotzdem werden Menschen ins Ausland gehen. Entweder weil unsere Regulierung so ist, dass eine bestimmte Altersvorgabe gemacht wird oder beispielsweise, weil es ziemlich teuer wäre, und es weiterhin Länder gibt, in denen die Bedingungen für die Leihmutter deutlich schlechter sind, es für die Wunscheltern aber daher günstiger ist. Wahrscheinlich können wir diesen Konflikt, wie ja auch in vielen anderen Lebensbereichen, nicht auflösen und wir müssen uns als Gesellschaft eher fragen: Können und wollen wir ein ethisch vertretbares Modell der Leihmutterschaft in Deutschland finden? Ein solches Modell hätte dann auch einen treffenderen Namen für dieses einzigartige Beziehungsgeflecht verdient.
*Prof. Friederike Wapler, an deren Lehrstuhl an der Universität Mainz Laura Klein als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt ist, war eines der Mitglieder der Kommission, die eine 2024 veröffentlichte Empfehlung zur Regelung von Leihmutterschaft in Deutschland erarbeitet hat.