Mutter und Tochter. Modeshooting mit Anna und Nellie Thalbach | ABC-Z

3. Juni 2025 · Die Schauspielerei liegt bei den Thalbachs in der Familie. Doch nicht nur diese Leidenschaft teilen Anna und Nellie miteinander. Ein Blick hinter die Kulissen beim Modeshooting mit Mutter und Tochter.
Zum Shooting in Berlin-Neukölln kommen Mutter und Tochter in Schwarz gekleidet. Dit is Berlin, wa? Nellie in Jeans und T-Shirt. Anna in einem schwarzen Einteiler mit kleinen Glitzersteinen darauf. „Den hatte ich vor Kurzem auch auf der Berlinale an“, sagt sie, die Hände in den Taschen. Es sei einfach so gemütlich. „Und es entsext.“ Auf mehreren Metern Kleiderstange hängen die Rollen, in die die Thalbachs an diesem Tag schlüpfen werden. Ihre Blicke und Hände wandern durch die bunten Stoffe. Auch Schuhe und Accessoires werden inspiziert. Sie wissen genau, was ihnen gefällt. Der Mantel, das Kleid, die Hose – „ja, das ist gut“. Sind sie einmal übergestreift, beginnt das Spiel vor der Kamera. Mutter und Tochter Thalbach verhaken sich ineinander, verknoten Arme und Beine, legen sich übereinander, ziehen Grimassen, blicken zuerst einander an, dann in die Kamera. Jedes Outfit animiert sie zu neuen Posen und Blicken. Sie sind im Spiel miteinander, lassen den Moment so geschehen, wie er kommt.
Jumpsuit, Bluse und Volant-Schößchenjacke von Louis Vuitton, Strumpfhose von Falke
Anna und Nellie Thalbach sind ein eingespieltes Team. Zusammenzuarbeiten sind sie gewohnt, damit haben sie früh angefangen. „Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann, aber eigentlich standen wir das erste Mal zusammen auf der Bühne, als ich noch gar nicht geboren war“, sagt Nellie. „Anna hat in Paris in ,Mutter Courage‘ die stumme Kattrin gespielt, als sie mit mir schwanger war. Da war ich quasi jeden Abend schon mit auf der Bühne.“ Das ist in der Familie Thalbach nichts Ungewöhnliches. Schließlich kommen sie aus einer Schauspielerdynastie, die nicht nur die Berliner, sondern die gesamte deutsche Theater- und Filmlandschaft geprägt hat. Anna ist 51 Jahre alt, ihre Tochter Nellie 29. Beide sind in Berlin geboren, wie auch die dritte im Bunde, die heute nicht anwesend, aber allgegenwärtig ist: Katharina Thalbach, 71 Jahre alt, Annas Mutter, Nellies Großmutter. Mit ihr hat Anna auch schon einmal ein großes Mutter-Tochter-Fotoshooting absolviert, Anfang der Neunzigerjahre. „Das war mit Karl in seiner Wohnung in Paris“, sagt sie. Klar, Lagerfeld ist gemeint. Einige Jahre später war sie dann noch einmal bei Karl, diesmal in seinem Atelier und zusammen mit Nellie. Anna schaut zu ihrer Tochter rüber, die gerade vor dem Spiegel sitzt und geschminkt wird. „Wie klein warst du bei Karl? Drei?“, ruft sie. „Ich glaube, vier“, sagt Nellie.
Ganz nonchalant erzählen die Schauspielerinnen solche Anekdoten. Das wundert aber niemanden so richtig. Der Name Thalbach ist ein Begriff. Katharina wurde als Tochter des Regisseurs Benno Besson und der Schauspielerin Sabine Thalbach geboren. Ihre Mutter starb, als sie zwölf war. Sie wuchs im Theater auf. Die Theatermacherin Helene Weigel, Intendantin des Berliner Ensembles und Witwe Bertolt Brechts, wurde ihre Mentorin. Auch Tochter Anna, 1973 wie ihre Mutter in Ost-Berlin geboren, wurde mit dem Theater groß. Schon als Kind spielte Anna kleinere Rollen. 1990 bekam sie im Film „Herzlich willkommen“ ihre erste größere Filmrolle. Drei Jahre später, mit 20 Jahren, wurde sie mit dem Max-Ophüls-Preis als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet, für ihre Rolle im Film „Zärtliche Erpresserin“. Es war wohl absehbar, dass auch ihre Tochter Nellie früh ihre ersten Schritte auf der Bühne machen sollte. Als an diesem Shooting-Tag mit Haarspray hantiert wird, reckt sie ihre Nase in die Luft. „Das riecht nach Theater, smells like Kindergarten“, sagt sie und lacht. Sie habe dort schließlich noch mehr Zeit verbracht als im Kindergarten. Wie ihre Mutter und ihre Großmutter stand auch sie schon als Kind auf der Bühne, das erste Mal im Alter von sechs Jahren. Damals spielte sie am Berliner Maxim-Gorki-Theater in der „Dreigroschenoper“. Vier Jahre später hatte sie ihr Filmdebüt in „Maria an Callas“, an der Seite von Götz George und Claudia Michelsen. Und auch als Synchron- und Hörbuchsprecherin hat sie sich schon früh etabliert.
„Das riecht nach Theater, smells like Kindergarten.“
ANNA THALBACH
Die Thalbach-Frauen stehen immer wieder gemeinsam auf der Bühne, vor Kameras und Mikrofonen. Zuletzt in der Komödie am Kurfürstendamm – dort hat Katharina Thalbach Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ inszeniert und zwei Rollen mit Tochter und Enkelin besetzt. 2021 feierte das Stück Premiere, mit ihr in der Rolle des Hercule Poirot. Nach 150 Vorstellungen ist damit aber nun Schluss: Am 25. Mai spielen die Thalbachs das Stück zum letzten Mal. Es ist ein Abschied, der den drei Frauen nicht leichtfällt. „Wir müssen raus aus dem Theater“, sagt Anna. In ein anderes können sie mit dem Stück nicht umziehen, das Bühnenbild sei zu groß und kein Haus in der Stadt derzeit passend. „Besser wird es ja wohl auch erst einmal nicht“, sagt Anna, die Kürzungen in der Kultur in Berlin stimmten sie wenig optimistisch. Sie mache sich Sorgen um die Kultur in der Stadt, in ganz Deutschland. „Man muss sich klarmachen, was es bedeutet, wenn wir das nicht mehr haben. Das macht krank, seelisch krank“, sagt sie. Man müsse in diesen Zeiten auf die Straße gehen, Widerstand leisten. Sie redet sich fast ein bisschen in Rage bei dem Thema. Nellie nickt und stimmt ihr zu. Für sie ist Theater alles, es sei ihr Zuhause, „viel mehr als ich oft meine, das merke ich immer, wenn ich eine Weile nicht am Theater war“.
Rüschenoberteil von Odeeh, Rock von Horror Vacui, Ohrringe, Earcuffs, Armreife und Ring aus der Kollektion Coco Crush von Chanel Jewelry
Oberteil und Hose mit Plissees von Issey Miyake, Ballerinas von Weekend Max Mara, Ohrringe von _etr_e
Nicht nur die Leidenschaft für Kultur und Bühne teilt sie mit ihrer Mutter. Man muss den beiden nur ins Gesicht sehen: Diese Frauen sind miteinander verwandt. Die Ähnlichkeit in der Thalbach-Familie ist bestechend. Wenn sie lachen, erzählen, gestikulieren oder eine Zigarette rauchen, wird es noch offensichtlicher. „Früher fand ich, dass ich mehr aussah wie Kathi, jetzt bekomme ich mehr von Anna. Das ändert sich wohl mit dem Alter“, sagt Nellie. Sie hebt aber hervor, sie sei die Größte – mit 1,60 Metern überragt sie Großmutter und Mutter allerdings nur um einige Zentimeter. Und trotzdem betont sie es. Neben den beiden sehe sie aus wie 1,75 Meter, „wie eine normale Frau eben“, sagt sie und lacht. „Überall sonst bin ick ja immer die Kleene.“ Das Berlinern schlägt bei Anna und Nellie immer mal wieder durch.
Ob die Familienähnlichkeit auch Druck bedeuten könne? Eigentlich nicht, sagen sie. Zumindest nicht, wenn es ums Spielen gehe. „Aber im Alltag habe ich schon als Kind gemerkt, dass Menschen mich vorverurteilen“, sagt Anna. „Die Leute haben immer ein fertiges Bild von einem.“ Schnell habe sie das aber für sich nutzen können, es habe sie resilienter gemacht. Wenn die Leute sowieso das denken, was sie wollen, habe sie gedacht, dann könne sie auch sein und machen, was sie wolle. Und das zieht sie durch – auch an diesem Tag ist Anna einfach die, die sie ist. Sie lacht laut, macht Witze, stimmt Lieder an, verstellt ihre Stimme, fällt in Rollen und wieder aus ihnen heraus. Sie schimpft über die Politik, über Männer, den Klimawandel und hält auch ihre Meinung über die Looks nicht zurück. Sie hat eine starke Meinung und keine Hemmungen, sie zu äußern – nie unfreundlich, immer humorvoll und leidenschaftlich. Laut Nellie ist das etwas, das sie von den Frauen in ihrer Familie gelernt habe: Stärke, Resilienz, dem Leben zugewandt sein und Humor – „nicht immer alles so ernst zu nehmen“.
Fransenkleid von Marco Ribeiro, Ring Victoria von Tiffany & Co., Ring von Ole Lynggaard, Ohrring Cloud (rechtes Ohr) von Vieri, Ohrring La Foliage (linkes Ohr) von Susa Beck, Feinstrumpfhose von Falke
Federkleid von Prada, Armreif Move Noa von Messika
„Im kreativen Bereich sprechen wir eine gemeinsame Sprache.“
ANNA THALBACH
Wie ist es, als Mutter und Tochter zusammenzuarbeiten, wenn beide so meinungsstark und leidenschaftlich sind? Einfach. „Im kreativen Bereich sprechen wir eine gemeinsame Sprache“, sagt Anna. „Und Kritik ist bei uns auch immer konstruktiv.“ Ob man mit der eigenen Mutter gut zusammenarbeiten könne, sage natürlich nichts über das Verhältnis an sich. Aber sie sei froh, dass es mit Nellie so gut funktioniere. Vertrauen und Neugier aufeinander seien dabei wichtig, aber auch „connected“ zu sein, miteinander in Verbindung zu bleiben. Und das ist spürbar. Ob Fotografin, Hair- und Make-up-Artists, Assistenten oder Stylisten – alle bemerken diesen speziellen Funken zwischen den beiden. Manchmal wirken sie wie Freundinnen, mal wie Kolleginnen, ganz oft aber auch einfach wie Mutter und Tochter. Zum Beispiel, wenn Anna ihre Tochter in einem neuen Outfit sieht: „Oh Nellie, du siehst ja aus wie ausm Film, bildschön.“
„Nellie muss mit mir immer Modenschauen gucken.“
ANNA THALBACH
Das Thema Mode bringt die beiden ins Schwärmen. „Nellie muss mit mir immer Modenschauen gucken“, sagt Anna. Damals als junge Frau habe sie keine Lust mehr auf Schule gehabt, habe deswegen sogar eine Grafik- und Modedesign-Ausbildung gemacht. Und doch zog es sie schließlich zurück zur Schauspielerei. Es stehen einige neue Projekte für die Thalbachs an, über einiges dürfen sie noch nicht sprechen. Von anderen träumen, manche planen sie. Anna will einmal unter Nellies Regie arbeiten, und einen gemeinsamen Podcast fänden die beiden auch nicht schlecht. Erst steht aber der letzte „Orientexpress“ an. Und wieder einmal ein gemeinsamer Urlaub mit Katharina.
Am frühen Abend wechselt Anna dann noch einmal die Perspektive, wird selbst zur Fotografin – und zum Fan. Sie steigt auf eine Leiter und fotografiert Nellie von oben. „Guck mal hoch“, sagt sie. Ob die Kollegin, der Fan oder die Mutter aus ihr spricht? Vermutlich alle drei.
Fotografie und Konzept: Sima Dehgani
Styling und Produktion: Caroline Bucholtz
Talents: Anna Thalbach und Nellie Thalbach c/o Crush Agency
Set-Design: Pelin Gebhard
Haare: Gregor Makris
Make-up: Ischrak Nitschke mit Produkten von Barbara Sturm und Chanel Beauty
Styling-Assistenz: Katherine Hempel
Licht: Aris Schnelzer
Digital Operator: Frederick Herrmann
Foto-Assistenz: Alicja Khatchikian
Setdesign-Assistenz: Tobias Gratz
Fotografiert am 1. März 2025 in Berlin.