DFB-Frauen vor dem Testspiel gegen Ostmark: Eine Stammelf ohne Lena Oberdorf – Sport | ABC-Z

Es ist schon erstaunlich, wie präsent Lena Oberdorf ist. Seit fast einem Jahr hat Deutschlands wohl beste Fußballerin nicht mehr gespielt, aber beim Nationalteam geht die 23-Jährige zumindest in den sozialen Medien voran. Erst alberte sie im Garten des Bremer Parkhotels auf einer Bank herum, dann schob sie auf der Reise nach Wien quietschvergnügt den Koffer durch die Gänge. Und auch beim Besuch des Falco-Musicals („Rock Me Amadeus“) war sie mittendrin statt nur dabei. Was die Klickzahlen steigert, spiegelt allerdings vor dem Nations-League-Gruppenspiel gegen Österreich (20.30 Uhr/ARD) nicht die Realität wider.
Auf Weisung des FC Bayern kommt die Schlüsselspielerin Oberdorf bei den aktuellen Länderspielen nicht zum Einsatz. Wer vergangene Woche im Training ihre anfängliche Zurückhaltung in Zweikämpfen erlebte, kann sich eine Nominierung für die EM in der Schweiz (2. bis 27. Juli) nur schwer ausmalen. Der am 16. Juli 2024 in einem EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich erlittene Kreuzbandriss wirkt nach. Der Bundestrainer ist daher längst Realist: Christian Wück kündigte eine Entscheidung an, „mit der alle leben können – vor allen Dingen die Bayern“.
Der unterfränkische Baumeister Wück hat mittlerweile ohne „Obi“ ein Gerüst gezimmert, das den Sehnsüchten der Fußballnation nach dem neunten EM-Titel der DFB-Frauen standhält. Die Gala gegen die Niederlande (4:0) im fast voll besetzten Bremer Weserstadion war aus Wücks Sicht noch nicht das beste, aber „mit Sicherheit das konstanteste“ Länderspiel seiner Amtszeit. 3,42 Millionen Fernsehzuschauer freuten sich über beste Abendunterhaltung. Es gibt wenig Gründe, warum die Startelf beim EM-Auftakt gegen Polen am 4. Juli anders aussehen sollte. Das aktuelle Aufgebot hat sich einen Bonus erarbeitet, „wir haben eine sehr gute Struktur mit vielen unterschiedlichen Charakteren, die sich gut ergänzen“, lobte der Bundestrainer am Montag.
Von internen Kommunikationsproblemen ist auf dem Platz nichts zu bemerken
Beim letzten Praxistest im Wiener Franz-Horr-Stadion wünscht sich der 51-Jährige „das Sahnehäubchen“, seine Spielerinnen sollten bitte „Schwung und Überzeugung“ mitnehmen. Auf vier Positionen werde er am Dienstag sein Team verändern, um finale Fingerzeige für die Nominierung des EM-Kaders am 12. Juni zu erhalten. Für den Bundestrainer kam der Stimmungsbooster am Bremer Osterdeich genau zur rechten Zeit: „Man hat nicht auf dem Platz gesehen, dass irgendwelche Kommunikationsschwierigkeiten herrschen.“
Beim 4:0 an der Weser lief es wie aus einem Guss. „Endlich haben wir mal das gezeigt, was wir können, was in uns steckt“, ergänzte Sjoeke Nüsken. Die Mittelfeldspielerin vom FC Chelsea bildete mit ihrer Spielintelligenz in Kombination mit der kampfstarken Elisa Senß von Eintracht Frankfurt ein zentrales Duo auf internationalem Topniveau – als Teil einer neuen Achse, die ganz anders aussieht als bei der EM 2022.
In England führte in der Abwehr noch Marina Hegering das Kommando, nun gibt Janina Minge vom VfL Wolfsburg hinten den Ton an. Ihre zwei Torvorlagen bezeugten ihren Aufstieg zur Führungsspielerin. „Auf der Position habe ich ein Stück weit mehr Verantwortung“, findet die stellvertretende Kapitänin. Hilfreich ist, dass Minge aus der gemeinsamen Zeit beim SC Freiburg gut befreundet ist mit Rebecca Knaak (Manchester City), die Wück als linke Innenverteidigerin fest eingeplant hat.
In der Offensive zeigen vier Münchnerinnen meisterliche Spielfreude
So fügt sich ein Puzzleteil zum anderen, wobei vorne ein Block vom FC Bayern gesetzt ist. Es hatte was von meisterlichem Hochgenuss, wie Linda Dallmann, Klara Bühl, Lea Schüller und die aufrückende Giulia Gwinn zeitweise am Freitag kombinierten. Dallmanns Hackentrick bei Schüllers 51. Länderspieltor erweckte den Eindruck, als habe die Teilnahme der Bayern am World-Seven-Football-Turnier in Portugal die Spielfreude gesteigert. Dallmann als die mit 1,58 Metern kleinste deutsche Spielerin gab den X-Faktor. Die 30-Jährige hat lange warten müssen, bis jemand bei der DFB-Auswahl ihre Qualitäten wirklich schätzte. Sie scheint als Spielgestalterin die bessere Lösung als Laura Freigang zu sein, die Wück gleichwohl ebenso als „außergewöhnliche Zehnerin“ betrachtet.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Spielerinnen sich im offensiven Ansatz des neuen Bundestrainers eher wiederfinden als in der pragmatischen Ausrichtung unter Horst Hrubesch. Der frühere Nachwuchscoach Wück orientiert sich nach eigenem Bekunden bis heute an den Leitlinien, die einst Hansi Flick als DFB-Sportdirektor übergreifend für alle Auswahlmannschaften entwarf. Schnell und direkt nach vorne soll es gehen. Gepaart mit guten Laufwegen und Passqualität kam beim 4:0 „ein Ausrufezeichen für uns selbst und für ganze viele da draußen“ (O-Ton Gwinn) gegen naive Niederländerinnen heraus, die ein möglicher EM-Viertelfinalgegner sein könnten. Jetzt geht es aber erst mal gegen die Österreicherinnen, die sich gar nicht für die EM qualifiziert haben.