Jonathan Anderson wechselt zu Dior | ABC-Z

Er wird es also wirklich: Jonathan Anderson ist zum neuen Chefdesigner von Dior ernannt worden. Der 41 Jahre alte Modemacher werde Kreativdirektor für die Damen-, Herren- und Haute-Couture-Kollektionen, teilte das Modehaus am Montag in Paris mit. Zum ersten Mal seit Christian Dior, der 1957 starb, werde damit ein Chefdesigner für alle Modekollektionen zuständig sein. Bisher teilten es sich die Designer auf: Maria Grazia Chiuri, deren Abschied am vergangenen Donnerstag verkündet wurde, war in den vergangenen neun Jahren für die Damenmode verantwortlich, und Kim Jones, der schon Ende Januar ging, sieben Jahre lang für die Herrenmode.
Die Dior-Geschäftsführerin Delphine Arnault teilte am Montag mit, sie habe Andersons Karriere „mit großem Interesse verfolgt“, seit er vor mehr als zehn Jahren zum LVMH-Konzern gekommen sei. Im Jahr 2013 war der größte Luxuskonzern der Welt bei der Modemarke JW Anderson eingestiegen und hatte den Modemacher zugleich als Chefdesigner der Marke Loewe engagiert, die 1996 ganz vom LVMH-Konzern übernommen worden war. Anderson ließ am Montag mitteilen, die reiche Geschichte des Hauses Dior habe ihn schon immer inspiriert. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit den legendären Ateliers, um das nächste Kapitel dieser unglaublichen Geschichte zu schreiben. Ich möchte Delphine Arnault und Bernard Arnault meinen aufrichtigen Dank für ihr Vertrauen und ihre Loyalität über die Jahre hinweg aussprechen.“
Mit 27 Jahren wurde er Kreativdirektor bei Loewe
Eine Modekarriere war dem Sohn eines professionellen Rugby-Spielers und einer Lehrerin nicht vorgezeichnet. Jonathan William Anderson wuchs im nordirischen Städtchen Magherafelt auf. Mit 18 Jahren ging er nach New York, um an der Juilliard School Schauspiel zu studieren, aber er interessierte sich mehr fürs Kostümdesign. Nach einem Job im Kaufhaus Brown Thomas in Dublin studierte er am London College of Fashion und machte dort 2005 seinen Abschluss. 2008 gründete er seine eigene Marke und wurde mit erst 27 Jahren Loewe-Kreativdirektor. „Wir mussten alles neu ordnen, die Vergangenheit wie die Gegenwart“, sagte er dem F.A.Z.-Magazin 2016 über seine frühe Zeit bei der LVMH-Marke.
Es hat sich gelohnt. Das spanische Lederwarenhaus war mit den Designern Narciso Rodriguez (seit 1997), José Enrique Oña Selfa (seit 2002) und Stuart Vevers (seit 2007) unter seinen Möglichkeiten geblieben. Jonathan Anderson entwickelte nicht nur das Accessoire-Geschäft weiter, sondern machte Loewe mit spektakulären Entwürfen auch zu einer der begehrtesten Schauen des Pariser Prêt-à-porter. Die Umsätze entwickelten sich in seiner Zeit prächtig: Bis zum Jahr 2023 stiegen sie auf fast eine Milliarde Euro. Auch bei Dior wird nun erwartet, dass in Zeiten des stagnierenden Luxusgeschäfts ein frischer Wind die Flaute vertreibt.
Das große Stühlerücken in der Modeszene ist somit vorerst abgeschlossen. Neue Designer gibt es nun bei Chanel, Bottega Veneta, Gucci, Balenciaga, Jil Sander, Versace und Gaultier. Auch für Loewe hat man schon Neue gefunden: Jack McCollough und Lazaro Hernandez sind als Designer aus ihrem Label Proenza Schouler ausgestiegen und treten nun die Nachfolge von Jonathan Anderson an. Nur eine Stelle ist noch nicht besetzt – bei Fendi. Da die freigesetzte Dior-Designerin Maria Grazia Chiuri aus Rom kommt und schon in den Neunzigerjahren bei der römischen Marke als Accessoire-Designerin arbeitete, wäre sie die naheliegende Lösung. Nach anstrengenden neun Jahren als erste Frau in der künstlerischen Leitung bei Dior wäre es aber auch durchaus möglich, dass sie sich mit einer Entscheidung Zeit lässt.