Stil

Mode und Außenpolitik: Welches Outfit passt wo? – Stil | ABC-Z

Für sie: Der ganz normale Wahnsinn

Reiselooks sind bekanntlich eine schwierige Angelegenheit. Man kann in Berlin ja nicht den Vibe von Rom erspüren, schon gar nicht das Wetter, weswegen man sich bei Ankunft in Italien immer ein bisschen so fühlt wie eine Küchenschabe, egal wie viel Mühe man sich gegeben hat. Aber das ist Italien, Land der gut Angezogenen. Und man selbst ist ein Mensch, der aus Budgetgründen statt Gepäckstück mit Outfit-Optionen bei Easyjet nur noch die Würde abgibt. Hier hingegen ist die Situation eine andere: Wir sehen eine Frau, die mit Regierungsmaschine reist. In Bahrain.

(Foto: Alex Brandon/Reuters)

Der Lockenstabform ihrer Haare zufolge stehen ihr an Bord alle Mittel zur Verfügung, einen würdevollen Auftritt im Gastland möglich zu machen. Aber die Dame heißt Kristi Noem, und sie ist nicht an Würde interessiert, wie wir seit ihrem Posing vor Häftlingen in einem Gefängnis in El Salvador wissen. Die US-Ministerin für Heimatschutz hat ihrer Autobiografie zufolge außerdem einen Hundewelpen erschossen, tut mit hässlichen Military-Caps so, als könne sie Helikopter fliegen, und trägt Make-up mit einem Spachtel auf. Man könnte also auf die Idee kommen, dass man es gar nicht mit einer Frau, sondern einem von künstlicher Intelligenz erschaffenen Game-Bösewicht zu tun hat. So ist es ein Glück, dass sie hier die klassische Reiseuniform der mittelalten Touristin trägt, also ein „lässiges“ Leinen-T-Shirt, unironische Mom-Sneakers und Jeans in der modischen Form vom vergangenen Jahr. So erinnert sie uns daran, dass sie auch nur ein Mensch ist. Unabsichtlich, aber immerhin.

Für ihn: Schnörkellos um die Welt

Als neuer Außenminister in brisanten Zeiten ruhen derzeit nicht nur diplomatische Hoffnungen auf Johann Wadephul. Als erster CDU-Mann seit 60 Jahren ist er auch in der einmaligen Lage, den Job stilistisch ein wenig neu zu definieren. Das Auswärtige Amt bietet seinen Chefs schließlich die Main-Stage der deutschen Politik: Statt grimmig an der Regierungsbank zu lümmeln, klettert der Außenminister den ganzen Tag Flugzeugtreppen rauf und runter, verhandelt mit Schurkenstaaten und darf als einziger Spitzenpolitiker im Dienst straffrei coole Sonnenbrillen tragen. So werden die Landebahnen der Welt im doppelten Sinn zu Runways – und belohnen die Amtsinhabenden oft schon aufgrund gefühltem Swag mit großer Beliebtheit.

(Foto: Thomas Imo/Imago)

Wadephuls Vorgänger haben dieses Poser-Potenzial mit beiden Händen ausgeschöpft: Heiko Maas gab im maßgeschneiderten Slim-Fit den GQ-Minister, während Annalena Baerbock sich mit professionell kuratierten Looks quasi ab Tag eins für ihren schicken neuen UN-Job in New York empfahl. Der CDU-Mann Wadephul setzt bei seiner ersten Nahostreise dagegen auf Smart Casual: Dunkelblaues Woll-Sakko, kleinkariertes Button-down-Hemd, dazu Chinos und Lederschuhe. So kann man als netter Chef freitags ins Büro kommen – so kann man aber auch direkt nach der Landung mit Angehörigen von Hamas-Geiseln im Stuhlkreis sitzen, ohne abgehoben zu wirken. Den Gürtel könnte man noch auf die Farbe der Schuhe abstimmen, den Kragen zupft ihm beim nächsten Mal vielleicht ein Hintersasse aus dem Sakko; alles in allem sagt dieses Outfit aber völlig zu Recht: Es gibt für diesen Mann derzeit Wichtigeres, als sich mit Style zu beschäftigen.

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