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Sandro Wagner beim FC Augsburg: Neue Farbe für die graue Maus – Sport | ABC-Z

Ab sofort haben die Verantwortlichen des FC Augsburg eine Aufgabe, mit der sie bislang eher wenig Erfahrung haben. An einem der beschaulichen Standorte der FußballBundesliga soll jetzt erst einmal wieder jene Ruhe einkehren, für die sie gewöhnlicherweise nicht groß sorgen müssen. Sandro Wagner möchte sich schließlich zunächst auf den Abschluss seiner Aufgabe als Assistent von Bundestrainer Julian Nagelsmann bei der deutschen Nationalmannschaft konzentrieren, für die in der kommenden Woche das Final Four der Nations League ansteht.

Erst in rund einem Monat zum Trainingsauftakt vor Beginn der nächsten Saison ist geplant, den neuen Trainer vorzustellen. Schon jetzt lässt sich erahnen, dass diese Pressekonferenz die am besten besuchte in der Geschichte des FC Augsburg werden dürfte. Wagner, 37, hat mit seinem selbst- und sendungsbewussten Auftreten schließlich schon als Spieler das Publikum fasziniert und polarisiert.

Am Dienstag hatten sich der Klub und Wagner nach mehrtägigen und ausgiebigen Gesprächsrunden auf die Zusammenarbeit geeinigt. Am Mittwoch sollte der Trainer seine Unterschrift unter einen Vertrag bis zum 30. Juni 2028 setzen. Nach seinem Abschied beim DFB soll er im Hintergrund die Planung mit dem FCA vorantreiben, auch was den Kader angeht. In Augsburg müssen sie nach der Trennung vom bisherigen Trainer Jess Thorup noch eine Nachfolgelösung für den Posten des Sportdirektors finden, nachdem jüngst auch Marinko Jurendic gehen musste. Imre Szabics bleibt Assistent, wer noch dazu kommt, ist offen.

Allein die Nachricht von Wagners bevorstehendem Engagements als Cheftrainer hatte für mehr Aufsehen gesorgt, als sie es beim FCA gewohnt sind. Schließlich gilt er fünf Jahre nach dem Ende seiner Profilaufbahn als heiße Aktie auf dem deutschen Trainermarkt, obwohl er als Chefcoach bisher nur auf die Erfahrung von zwei Jahren in Unterhaching zurückblicken kann. Die Spielvereinigung hatte er 2021 in der Regionalliga übernommen und 2023 nach dem Aufstieg in die dritte Liga gen DFB verlassen. In der Börsensprache würde man bei der Aktie Wagner dennoch von einem hohen Emissionspreis sprechen. Die Erwartungen sind jedenfalls sehr groß. Das gilt besonders auch für Wagners Erwartungen an sich selbst.

Wagner sieht die Möglichkeit, als Cheftrainer beim FC Augsburg viel bewegen zu können

Beim FC Augsburg haben sie in den Unterredungen festgestellt, dass ihre Vorstellungen und die von Wagner sehr gut zusammenpassen. Einen attraktiven und mutigen Spielstil wünschen sie sich in Augsburg ebenso wie eine forcierte Integration von Nachwuchskräften in den Profikader. Diese beiden inhaltlichen Kernziele neben dem übergeordneten Basisziel Klassenverbleib hätten Thorup und Jurendic zuletzt nicht genug verfolgt, so sehen sie das beim FCA.

Stattdessen hatte die Mannschaft ihre zwischenzeitliche Erfolgsphase von elf Ligaspielen ohne Niederlage samt 683 Minuten ohne Gegentor vor allem durch defensive Stabilität erreicht. Das Spiel nach vorn allerdings lahmte. Im letzten Saisonviertel erfolgte wie schon im Vorjahr ein Einbruch, durch den auch die mögliche Qualifikation für den Europapokal erneut verpasst wurde. Trotzdem wurde nach Punkten das drittbeste Ergebnis in ihren 14 Bundesligajahren erreicht.

Doch beim FCA wünschen sie sich zunehmend Ausreißer nach oben in der Tabelle. Seit 2011 spielen sie schon ununterbrochen in der Bundesliga. Für ihre 15. Saison bringt Wagner nun seine klaren Ideen mit, die in Augsburg die Überzeugung geweckt haben, dass der frühere Angreifer sportlich und inhaltlich der richtige Mann sein soll, um den FCA von einer grauen in eine bunte Maus zu verwandeln.

Welche Überzeugungen ihn antreiben, hat Wagner schon früh erkennen lassen

Umgekehrt soll Wagner von den Strukturen des Vereins ebenso überzeugt sein wie von Talenten im Kader wie Mert Kömür und Noahkai Banks. Wagner sieht die Möglichkeit, als Cheftrainer beim FCA viel bewegen zu können. Die Augsburger haben ihre Wunschlösung gefunden und Wagner seinen Wunscheinstieg bei einem etablierten Mittelklasseklub der Bundesliga. Wie gut sich die jeweils ambitionierten Ansätze der Vereinsführung mit Geschäftsführer Michael Ströll an der Spitze und von Wagner im Alltag umsetzen lassen, wenn es vielleicht auch mal ruckelt, ist eine der spannenden Fragen beim ab sofort spannendsten Trainerprojekt der Bundesliga. Ganz nebenbei muss der vierfache Vater Wagner auch noch bis Januar 2026 im DFB-Trainerlehrgang die Pro-Lizenz erwerben.

Welche Überzeugungen ihn antreiben, hat er schon früh erkennen lassen. Ein souveräner Trainer kommuniziere mit seinen Spielern, höre ihre Meinungen an und lasse diese in seine Entscheidungen einfließen. Eine gute Menschenführung sei für ihn „der Schlüssel, um ein guter Trainer zu sein“. Zudem brauche man einen „vollen Werkzeugkasten“ durch Input aus verschiedenen Bereichen, von der Psychologie über die Trainings- bis hin zur Ernährungswissenschaft. Fußballerisch sei ihm „eine hohe Aktivität bei eigenem Ballbesitz wichtig. Ich will offensiven, aggressiven Fußball spielen lassen und in erster Linie meinen Stil durchdrücken.“ Wichtig sei dabei auch, „meine Idee an die vorhandenen Spieler anzupassen, nicht umgekehrt“.

Gesagt hat Wagner all das in einem Kicker-Interview im November 2020, nachdem er gerade als Stürmertrainer der DFB-Nachwuchsteams angefangen hatte. Damals wusste er auch schon, dass er sich in der Bundesliga nicht als Co-Trainer sieht. „Ich möchte von Anfang an Cheftrainer sein“, sagte er. In Augsburg wird er das nun – und viele Blicke werden sich auf ihn richten.

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