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Daniel Altmaier: Überraschende Erfolge bei den French Open in Paris – Sport | ABC-Z

Manche Spieler mögen schnelle Böden, andere inspiriert der Duft von frisch gemähtem, stoppelkurzem Rasen. Und dann gibt es die passionierten Sandplatzschlitterer, eine Gruppe, zu der keinesfalls Daniil Medwedew gehört. Den landestypischen krümeligen Untergrund, auf dem die Franzosen ihr Grand-Slam-Turnier ausrichten, findet der Russe an windigen Tagen unerträglich, wie er vor Jahren einmal klagte: „Spätestens nach dem dritten Ballwechsel“ habe man „den Mund voller Sand“.

Für den deutschen Davis-Cup-Spieler Daniel Altmaier, 26, hingegen entfaltet der rote Ziegelmehluntergrund alle paar Jahre eine Wirkung wie ein Zauberteppich, der in ihn durchs Turnier trägt. Vor fünf Jahren schon, 2020, war dies zu beobachten, als Altmaier, damals Qualifikant, reihenweise Gegner mit massenhaft Erfahrung schlug. Die Reise endete damals nach einem Sieg über den Italiener Matteo Berrettini erst im Achtelfinale, bei seiner Grand-Slam-Premiere wohlgemerkt.

Drei Jahre vergingen, dann rang Altmaier, wieder überraschend, in Paris in fünfstündiger Spieldauer den Südtiroler Jannik Sinner nieder, der damals auf rasantem Weg an die Weltspitze war.

Effiziente einhändige Rückhand: Daniel Altmaier versteht es, sein Spiel zu variieren. (Foto: Frank Molter/dpa)

Am Montag hat sich das mysteriöse Treiben wiederholt. Diesmal erwischte es den US-Amerikaner Taylor Fritz, Nummer vier des Rankings und Finalist in Flushing Meadows bei den US Open im vergangenen Jahr, 7:5, 3:6, 6:3 und 6:1 lautete das Resultat zugunsten von Altmaier. Nun hält sich Fritz’ Wertschätzung des französischen Ziegelmehls zwar ähnlich in Grenzen wie bei Medwedew, und er gab zu, dass er beim Rutschen auf dem Sand bisweilen die Balance und das Timing verlor. Und zuletzt war Fritz auch von Verletzungen geplagt. Aber die Frage ist, warum Altmaier, 66. der Weltrangliste, der im vergangenen Jahr eine für ihn enttäuschende Saison erlebt hatte, die Kraft seines Schlagrepertoires turnusmäßig ausgerechnet in Paris offenbart. Die kurze Antwort, die er dem Publikum noch auf dem Platz gab, lautet: „Ich liebe Paris, das ist auf ewig mein Lieblingsturnier.“ Allerdings präzisierte er später, dass das nur die Hälfte der Erklärung ist.

Siege auf einem speziellen Untergrund, an einem Ort mit besonderer Atmosphäre, können eine selbstverstärkende Kraft entwickeln. Und am Montag spielte Altmaier gegen Fritz auf einem zauberhaften Platz, dem Court Simonne-Mathieu, der, angrenzend an die Anlage von Roland Garros, inmitten der Blumen des Botanischen Gartens steht. „Paris ist besonders, weil ich hier schon mal Erfolge gehabt habe. Man kommt dann mit einer anderen Emotion hierher. Diese Emotion bei einem Grand Slam zu haben, wird für mich langfristig sehr positiv sein“, sagte er. Richtig ist auch, dass ihm das Sandplatztennis liegt. Aber der Sieg, und das ist die lange Antwort, war das Ergebnis systematischer Planung und vor allem harter Trainingsarbeit. „So, wie ich gespielt habe, habe ich ihm ein schwieriges Match aufgezwungen“, führte Altmaier aus: „Ich habe ihm das Leben schwer gemacht.“

Er sieht im Tennis keine Magie, sondern im Gegenteil ein Strategiespiel, „wie Schach“. Und er hat nicht nur eine Taktik parat. Er variiert das Tempo, er variiert die Schläge. „Selbst wenn man mich passiv sieht, ist das eine Taktik von mir“, sagt er. Altmaier zieht die einhändige Rückhand durch, spielt die Vorhand mal kurz, mal cross, um den Gegner dort zu treffen „wo es wehtut“, wie er sagt: „Vor allem bei Top-Leuten, die eher ein stabiles Spiel haben, kann man das in gewisser Art und Weise kaputt machen.“ Von Alexander Zverev stammt das Kompliment, Altmaier verstehe es, gute Leute schlecht Tennis spielen zu lassen. Das ist durchaus eine komplexe Strategie, eine Kunst der Destruktion – wie im Fußball der Catenaccio.

„Im Fußball weiß jeder, welcher Pass gespielt wird“, sagt Altmaier

Ohnehin nutzt Altmaier, geboren in Kempen am Niederrhein, wenn er über seine Arbeit als Tennisprofi spricht, ein eher technisches Vokabular mit Begriffen wie „Strategie“, „Prozess“, „Struktur“ und „nächsten Ebenen“. Er arbeitet seit Jahren mit argentinischen Trainingsexperten, spricht fließend Spanisch und hat für diese Saison ein neues Team zusammengestellt: Zwei Coaches, der ehemalige Weltklassespieler Alberto Mancini und der Uruguayer Martin Cuevas, kümmern sich um die Taktik, er hat einen Fitnesstrainer engagiert, demnächst kommt ein Physiotherapeut dazu, wie er sagt: „Jeder Posten ist belegt.“

Außerdem nutzt er, womöglich mehr als andere Kollegen, Datenanalysen. Meist mit dem Ziel, die Schwächen des Gegners zu finden. „Im Fußball weiß jeder, welcher Pass gespielt wird“, sagt er. Im Vergleich dazu habe Tennis noch einiges aufzuholen; aber es sei hilfreich zu wissen, dass ein Kontrahent beim Breakpoint in 80 Prozent der Fälle in eine bestimmte Ecke aufschlage: „Man hat durch die Daten mehr Informationen. Und Informationen sind heutzutage Gold.“

In der zweiten Runde der French Open wird Altmaier auf den Tschechen Vit Kopriva treffen, die Nummer 86. Aber der Weltranglistenplatz eines Gegners sei ihm egal: „Ich gehe meinen Weg, das ist für mich das Allerwichtigste.“ Bis zum Jahresende will er sich so weit nach vorn arbeiten, dass er in Australien zu den gesetzten Spielern gehört, „dafür muss ich in den Top 32 stehen“. Einen Favoriten mal nicht auf Sand, sondern auf einem Hartplatz zu stürzen: Das wäre für Daniel Altmaier der nächste Schritt.

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