Ist Fertigessen mit viel Protein gesünder? Studie zeigt großen Haken | ABC-Z

Berlin. Schnell, aber gesund: Das versprechen proteinreiche Fertigprodukte. Aber stimmt das? Eine Studie aus Deutschland bringt nun Gewissheit.
Ein Griff ins Kühlregal, und schon landen High-Protein-Joghurts, Eiweiß-Bowls oder Fitnessriegel im Einkaufswagen. Immer mehr Fertigprodukte versprechen: viel Eiweiß, wenig Kohlenhydrate – und trotzdem vollen Genuss. Doch sind proteinreiche Lebensmittel wirklich gesünder als Fertigprodukte ohne Eiweißzusatz? Und können sie sogar beim Abnehmen helfen? Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel bingen bei diesen Fragen Licht ins Dunkel.
Die Untersuchung der Kieler Wissenschaftler zeigt: Eiweißreichere Fertiggerichte wirken sich – verglichen mit den normalen Varianten – in der Tat anders im Körper aus. Die Studienteilnehmenden aßen weniger, wenn Produkte mehr Proteine enthielten. Außerdem stieg ihr Grundumsatz an, denn der Körper verbraucht bei der Verdauung von Eiweißen mehr Energie.
Einen Einfluss hatte zudem die oftmals andere Konsistenz der Protein-Produkte, wodurch die Teilnehmenden langsamer aßen. „Das gibt dem Körper mehr Zeit, Sättigungssignale zu senden“, erklärt Professorin Anja Bosy-Westphal der Uni Kiel in einer Pressemitteilung. Sprich: Es braucht weniger Essen, um sich satt zu fühlen.
Protein-Produkte schneiden besser ab – doch es gibt einen Haken
Unter dem Strich nahmen die Test-Esserinnen und -Esser, die sich von Eiweißgerichten ernährten, rund 200 Kilokalorien (kcal) weniger auf als beim Verzehr normaler Fertigprodukte. Der Grundumsatz war im Gegenzug um fast 130 kcal höher.
Sind High-Protein-Fertiggerichte damit eine praktische Möglichkeit, um sich ohne großen Verzicht gesund zu ernähren? Mitnichten, sagen die Kieler Forschenden. Die Ernährungswissenschaftlerin Bosy-Westphal erklärt: „Hochverarbeitete Lebensmittel haben Eigenschaften, die auch bei Anreicherung mit zusätzlichem Eiweiß weiterhin eine zu hohe Energieaufnahme fördern – und damit das Risiko für Übergewicht steigern.“
Trotz mehr Eiweiß: Fertigprodukt bleibt Fertigprodukt und damit weniger gesund.
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Durchschnittlich aßen die Teilnehmenden 18 Prozent mehr Kalorien, als ihr Körper eigentlich verbrauchte, errechneten die Forschenden. Das ist zwar weniger als der Überschuss bei den normalen Fertigprodukten (32 Prozent), aber eben immer noch zu viel.
Fertigprodukte sind das Problem: „Man isst mehr als man braucht“
Die Protein-Varianten sind somit zwar weniger ungesund als die nicht angereicherten, ein Überessen verhindern sie allerdings nicht. Bei genauerem Blick weisen die augenscheinlich gesünderen Alternativen immer noch typische Eigenschaften von hochverarbeiteten Lebensmitteln auf: eine hohe Dichte an Kalorien pro Gramm, Schmackhaftigkeit sowie ihre Konsistenz, die schnelles Essen ohne viel Kauen ermöglicht. „Diese Kombination macht es schwer, rechtzeitig mit dem Essen aufzuhören“, so Anja Bosy-Westphal.
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Die positiven Effekte von Eiweißen auf die Ernährung gehen dadurch verloren. Auch ein mit Proteinen angereicherter Pudding „lässt sich schnell essen und schmeckt genauso gut wie ein normaler. Also isst man auch davon mehr als man braucht“, erklärt Dr. Franziska Hägele, die ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Relevant für eine gesunde Ernährung ist somit nicht die Menge an Eiweiß im Lebensmittel, sondern seine Art. Auch Anja Bosy-Westpfahl rät von den Fertigprodukten ab: „Die Menschen sollten sich nicht von Etiketten wie ‚High Protein‘ täuschen lassen. Denn auch eine proteinangereicherte Fertigpizza bleibt am Ende eben doch eine Kalorienbombe.“
Lebensmittel mit extra Proteinen: Wer braucht das wirklich?
Die Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde, beruht auf der Untersuchung von 21 Teilnehmenden:
- Die jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren wurden in sogenannten Stoffwechselräumen untersucht.
- In diesen Räumen kann die aufgenommene und verbrauchte Energie exakt gemessen werden.
- Die Teilnehmenden aßen jeweils über mehrere Tage hinweg Produkte mit extra angereichertem Protein oder die normale Variante.
- Beide Diäten bestanden dabei aus hochverarbeiteten Lebensmitteln und hatten den gleichen Energiegehalt pro Portion.
- Gegessen werden durfte so viel wie man wollte und konnte (ad libitum).
Es handelte sich um eine Crossover-Studie, das heißt die Teilnehmenden nahmen nacheinander an beiden Diätphasen teil.
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Die Sorge über eine zu geringe Eiweißaufnahme ist laut der Fachleute häufig unbegründet. „Die meisten Menschen in Deutschland essen mehr als genug Protein“, sagt Anja Bosy-Westphal. Nur bei älteren Menschen mit chronischen Erkrankungen sowie von Appetitmangel, Untergewicht oder Schluckstörung Betroffenen könnten High-Protein-Produkte eine sinnvolle Ergänzung sein. Generell decken aber bereits natürliche Lebensmittel den Bedarf, darunter
- Hülsenfrüchte,
- Quark und Joghurt oder
- Fisch.
Auch sollte man sich beim Essen Zeit lassen, denn längeres Kauen sorgt für ein schnelleres Sättigungsgefühl.