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St. Ottilien: Neuauflage des berühmten Befreiungskonzerts von 1945 – Starnberg | ABC-Z

Am 27. Mai jährt sich im Umfeld des Ammersees ein historisch bedeutendes Ereignis: 80 Jahre zuvor fand im Kloster St. Ottilien ein inzwischen legendäres Konzert statt. Verschleppte und versklavte Juden feierten damit ihre Befreiung und das Ende von Krieg und Nazi-Herrschaft. Damals waren rund 600 Patienten im Klosterhospital – zuvor ein Wehrmachtslazarett –  untergebracht. Die verzweifelten, zum Teil schwer kranken Überlebenden des Holocaust erlebten, wie Musiker aus Konzentrationslagern ein Programm aus Klassikern und jüdischen Volkslieder vortrugen.

Auf den Tag genau 80 Jahre später findet im Rahmen einer Gedenkfeier eine Neuauflage dieses Liberation Concert statt. Am identischen Schauplatz, auf der Wiese vor der Seminarkirche St. Michael, werden in einer Matinée wieder die Stücke von Albinoni, Bizet, Grieg, Gershwin und Bruch erklingen; außerdem das Stück „Liberation“ von Eliav Kohl, das der Israeli 2021 als Artist in Residence in St. Ottilien komponierte. Wie damals wird das Set von acht Musikern interpretiert. Diesmal sind es Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters, die erstklassige Solisten begleiten.

Zum Auftakt wird der vielfach ausgezeichnete Film- und Fernsehschauspieler Heino Ferch Szenen aus einem bewegenden Zeitzeugenbericht vortragen: In „Von den Befreiern vergessen“ schildert Robert L. Hilliard seine Erlebnisse in St. Ottilien, wo er 1945 als Soldat der US-Besatzungstruppe stationiert war. Mit Briefen machte der Journalist die Öffentlichkeit auf die prekäre Lage und Hungersnot im Hospital aufmerksam. Aufgrund seiner Initiative trafen schließlich 1500 Pakete mit Nahrung, Kleidern und Medizin in St. Ottilien ein. Der hochdekorierte Kriegsheld arbeitet in den USA als Rundfunk-, Bühnen- und Fernsehautor sowie als Kommunikationswissenschaftler. Hilliard, der im Juni 100 Jahre alt wird, gilt als Fachmann für deutsche Nachkriegsgeschichte und Rechtsextremismus in den USA; er vergleicht Donald Trump mit Adolf Hitler.

Heino Ferch lebt in Stegen – aber auch die meisten musikalischen Akteure wohnen am Ammersee oder haben einen Bezug zur Region. Das gilt besonders für die Sopranistin Teresa Boning, die jetzt in Herrsching lebt. Schon ihre Eltern waren in St. Ottilien beschäftigt – die Mutter im Klosterladen, der Vater als Lehrer. Sie selbst besuchte dort das Rhabanus-Maurus-Gymnasium, wo sie ersten Gesangsunterricht erhielt und das Abitur ablegte. Danach studierte sie am Salzburger Mozarteum und promovierte als Musikwissenschaftlerin mit einer Arbeit über den Einsatz von Gesang in der Psychotherapie.

Der Eintritt zur Gedenkfeier ist frei

Maximilian Hornung ist in Augsburg aufgewachsen und kennt den Ammersee von Kindheit an als Ausflugsziel. Der Cellist wurde unter anderem zweimal mit dem Echo-Klassikpreis ausgezeichnet. Die Pianistin Alexandra Troussova ist in der Region durch die Gastspiele mit ihrem Bruder, dem Geiger Kirill Troussov,  bei den Ammerseerenaden bestens bekannt. Heuer hat sie die künstlerische Leitung des Klassikfestivals übernommen, das von den Schondorfern Doris Pospischil und Hans-Joachim Scholz ins Leben gerufen wurde. Seit 2018 gehört ein Liberation Concert zum Programm der jährlich im Herbst veranstalteten Ammerseerenade: Heuer soll es am 20. September in St. Ottilien stattfinden.

Die Gedenkfeier am 27. Mai beginnt um 10.30 Uhr, der Eintritt ist frei.  Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, beabsichtigt teilzunehmen. Bei Regen findet das Konzert in der Kirche St. Michael statt. Anschließend ist ein Spaziergang zum jüdischen Klosterfriedhof vorgesehen, wo der große Chor des Gymnasiums St. Ottilien singt. Zum Abschluss bläst der Solo-Hornist Bar Zemach (West-Eastern Divan Orchestra Berlin) auf dem Schofar, einem urtümlichen Widderhorn, das eine zentrale Rolle im jüdischen Glauben einnimmt.

Das ursprüngliche Liberation Concert hat seinen Zweck, Trost und Heilung nach finstersten Zeiten zu vermitteln, nicht verfehlt. So sollte sich auch das Benediktinerkloster als Symbol des Neuaufbruchs und der Hoffnung für die Gepeinigten und Verfolgten erweisen. Im DP-Lager (für Displaced Persons, also im Krieg Verschleppte) kamen nach Einrichtung einer Geburtenstation  418 sogenannte St. Ottilien-Babys von Januar 1946 bis Mai 1948 zur Welt.

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