NHL plant zusätzliches Turnier in Konkurrenz zur WM | ABC-Z

Wenn die Spiele der kanadischen Nationalmannschaft bei dieser Eishockey-WM vorbei sind, beginnt für Sidney Crosby der eigentliche Stress. Was den Sport angeht, haben der 37-Jährige und sein Team bislang kaum Probleme, der Rekordweltmeister hatte das Viertelfinale nach fünf seiner sieben Gruppenspiele erreicht. Aber nach der Schlusssirene beginnt der lange Weg durch die Interviewzone, dort warten Dutzende Reporter auf Crosby.
So einen Spieler von Weltklasse-Niveau sieht man halt nicht bei jeder WM. Denn parallel laufen stets die Play-offs der nordamerikanischen Profiliga NHL. Nur wer dort ausgeschieden ist, hat Zeit für die WM. Und selbst dann gönnen sich die meisten Stars lieber eine Pause, anstatt nach Europa zu fliegen und ein Turnier zu spielen, das aber in der Heimat kaum jemand interessiert.
Im Februar war das anders, da veranstaltete die NHL in Montreal und Boston ihr eigenes Länderturnier – das sogenannte „4 Nations Face-Off“ mit Kanada, den Vereinigten Staaten, Schweden und Finnland. Es war ein Riesenerfolg mit vollen Hallen und Millionen vor den Bildschirmen. Und von 2028 an wird es so etwas regelmäßig geben, dann sogar noch größer. Künftig soll der „World Cup of Hockey“ mit acht Teams alle vier Jahre stattfinden – damit es inklusive Olympia jeden zweiten Winter ein Länderturnier für die besten Eishockeyspieler gibt.
Zum Start des „4 Nations Face-Off“ verkündeten die NHL und die Spielergewerkschaft NHLPA die Pläne. Da konnten die Worte kaum größer sein: „Ein internationaler Best-on-best-Wettbewerb ist unseren Spielern sehr wichtig. Ihre Länder auf dem Eis zu vertreten, liegt ihnen im Blut – und die Eishockeyfans lieben es“, sagte NHL-Chef Gary Bettman. „Es ist eine der größten Ehren für jeden Spieler, auf der Weltbühne im Trikot seines Heimatlandes spielen zu dürfen“, ergänzte Gewerkschaftsboss Marty Walsh.
Die WM hat die NHL noch nie interessiert
Nur: Gibt es das nicht bereits, mit der jährlichen WM des Weltverbandes IIHF? Das Turnier hat die NHL noch nie interessiert. Generell war sich die Topliga stets selbst genug und stellte ihre Spieler zuletzt nicht einmal für Olympia ab. Nun das Umdenken: Auf Initiative der Spieler gab es die Freigabe für die Winterspiele 2026 und 2030 sowie die neuen Turniere. Die gefallen der NHL deutlich besser als die WM: Wenn sie sie selbst veranstaltet, bleiben die Einnahmen bei ihr.
Bei der IIHF geht deswegen die Angst um. Durch den „World Cup of Hockey“ könnte die WM selbst in ihrem Kernmarkt Europa massiv an Bedeutung und Wert verlieren. Nachfrage bei IIHF-Präsident Luc Tardif, ob das jährliche Turnier überhaupt Zukunft hat: „Bis 2034 ist alles klar“, sagt Tardif im Gespräch mit der F.A.Z., als er dieser Tage im dänischen Herning vorbeikam, „bis dahin geht der Vertrag mit unserem Marketingpartner.“ Gemeint ist die Agentur Infront.
Aber danach? Das ist unklar, was für die IIHF ein Problem werden kann. Sie braucht jedes Jahr eine Männer-WM, um ihren Betrieb zu finanzieren: die Verwaltung, die Förderprogramme sowie die Weltmeisterschaften bei den Frauen und in der Jugend.
Probleme gibt es aber schon vor 2034. Bis dahin soll es bereits zwei „World Cups of Hockey“ geben. Und was die IIHF besonders stört: Die NHL will Teile des Turniers im Februar in Europa veranstalten. „Wir respektieren die Play-offs der NHL und gehen mit unserer WM nie nach Nordamerika. Aber die NHL will nun drei Monate vor unserer WM in Europa spielen. Da vermissen wir den Respekt“, sagt Tardif.
Denn wer soll sich im Mai für ein Turnier interessieren, wenn es schon im Februar ein besseres mit allen Stars gab? Einsteigen kann die IIHF nicht ohne Weiteres in den World Cup: „Wir können nicht in ein Konkurrenzturnier kurz vor unserer WM involviert sein, das würde unseren Marketingvertrag verletzten“, sagt Tardif.
„Wir müssen unseren Spielplan und unsere Logistik anpassen“
Also will er den Termin verschieben, mit einem World Cup im September könnte er leben – aber das will die NHL nicht. Die Lösung: Die Liga soll zahlen. An die IIHF, damit die ihre erwarteten Mindereinnahmen kompensieren und Infront ruhigstellen kann. An die Ausrichter der nächsten Weltmeisterschaften, vor allem die in Frankreich im Mai 2028, die von einem World Cup ein paar Wochen zuvor betroffen wären. Auch die teilnehmenden Nationen und die europäischen Ligen wollen etwas haben, gerade die aus Tschechien, der Schweiz und Deutschland.
Drei Länder, die die NHL gerne bei ihrem Turnier dabei hätte, aber die nicht genügend NHL-Spieler haben. Um einen vollen Kader zu stellen, sind sie auf Personal aus Europas Ligen angewiesen. Also müssten die kurz vor den Play-offs zwei bis drei Wochen pausieren, vier bis sechs Spieltage am Wochenende würden wegfallen und müssten in die Woche gequetscht werden. Am Wochenende verdienen die Ligen aber rund 30 Prozent mehr.
„Wir sind durchaus offen für einen World Cup, aber wir müssen unseren Spielplan und unsere Logistik anpassen. Durch die zusätzlichen Spiele an Wochentagen hätten wir Einbußen, und deshalb brauchen wir eine Kompensation“, sagt Gernot Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey Liga, der F.A.Z. Eine Zahl nennt er nicht, aber sie wäre sicherlich siebenstellig. Dem Vernehmen nach hätten IIHF, die WM-Ausrichter, Teilnehmer-Verbände und Europas Ligen gerne insgesamt rund 20 Millionen Euro von der NHL, damit sie einem World Cup im Februar zustimmen.
Dieser Tage wird am Rande der WM verhandelt. NHL-Vertreter sind nach Stockholm gereist. Dass sie den Februartermin durchdrücken, gilt als sicher. Die Frage ist nur, wie viel sie dafür zahlen. Wie es von 2035 an mit der jährlichen WM weitergeht, ist eine andere Frage. Beantworten kann sie aktuell niemand.