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Sparkassen fordern: „Endlich das Land digitalisieren“ | ABC-Z

Nach fünf Jahren ohne Wirtschaftswachstum in Deutschland fordern die Sparkassen als größte europäische Bankengruppe: Deutschland muss wieder in Schwung kommen, seinen Wohlstand erhalten und neu erarbeiten. Oder wie es Ulrich Reuter, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Nürnberg direkter sagte: „Wir müssen den Fuß von der Bremse kriegen.“ Dabei setzt Reuter große Hoffnungen in den ersten Digitalisierungsbundesminister Karsten Wildberger.

Digitalminister Karsten Wildberger in seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag am 16. Mai 2025EPA

Am Mittwoch und Donnerstag findet diesmal in Nürnberg der „Sparkassen-Tag“ statt, eine riesige Veranstaltung mit 3000 Teilnehmern, darunter Vorstandsmitglieder der 343 Sparkassen sowie Bürgermeister und Landräte. Traditionsgemäß suchen die kommunal getragenen Sparkassen auf dem Treffen, das alle drei Jahre durchgeführt wird, auch den Schulterschluss mit der Bundesregierung – doch Bundeskanzler Friedrich Merz und Finanzminister Lars Klingbeil mussten beide wegen unterschiedlicher Auslandsreisen absagen – Merz muss ins Baltikum zur Bundeswehr-Brigade, Klingbeil zum G7-Treffen der Finanzminister nach Kanada reisen. Umso wichtiger ist den Sparkassen, dass Merz’ wichtigster Mitarbeiter, Kanzleramtsminister Thorsten Frei und eben Wildberger Reden auf dem Sparkassentag halten werden. „Uns verbindet sehr viel in der Motivation, unser Land endlich digital voranzubringen“, sagt Reuter.

Tatsächlich geht es den Sparkassen wirtschaftlich gut, im Jahr 2024 verdienten alle 343 Institute vor Steuern 7,3 Milliarden Euro und damit zwei Milliarden Euro mehr als die Deutsche Bank und fast doppelt so viel wie die Commerzbank . Anders als die beiden börsennotierten Großbanken verfügen Sparkassen meist über wenig Auslandsgeschäft, das überlassen sie meist ihren Spitzeninstituten, den Landesbanken. Deshalb haben sie vielleicht ein größeres Interesse an den Zuständen in Deutschland. Und pochen auf einen mindestens auf fünf Jahre ausgelegten Zukunftsplan.

Unabhängiger werden von den USA

Ein zentrales Element darin: Die digitale Erneuerung Deutschlands und Europas vorantreiben – auch um unabhängiger zu werden von US-Diensten, seien es Kreditkartenfirmen wie Visa und Mastercard oder Cloud-Dienste wie Google, Amazon und Microsoft, die Deutsche Bank und Commerzbank zur Speicherung ihrer Daten nutzen. Die Sparkassen dagegen haben nach einigen Fusionen unter Rechenzentren mit der Finanz-Informatik (FI) den größten IT-Dienstleister Europas aufgebaut. Reuter will nun den digitalen Zahlungsdienst Wero mit anderen Banken in Europa für grenzüberschreitende Überweisungen in wenigen Minuten von Konto zu Konto etablieren. Und er bietet Kommunen digitale Kooperationen an, denn es sei nicht hinnehmbar, dass zwei Drittel der Verwaltungsleistungen in Deutschland heute nicht online angeboten würden.

Ulrich Reuter
Ulrich Reuterdpa

Anknüpfungspunkte gebe es viele, schließlich hätten die Sparkassen nach den Finanzämtern vermutlich die meisten registrierten Onlinenutzer hierzulande. Es müsse in der öffentlichen Verwaltung mehr vom Kunden gedacht werden. Die kommunale Selbstverwaltung sei zu achten, aber etwa in Landratsämtern müssten die Netze für kommunale und bundesweite Leistungen vereinheitlicht werden, empfahl Reuter, der selbst von 2002 an achtzehn Jahre Landrat im bayerischen Kreis Aschaffenburg war.

Ein gutes Bespiel für Kooperationen zwischen Sparkassen und öffentlicher Verwaltung sei der Kulturpass der früheren Ampelbundesregierung. Ihn konnten im Jahr 2024 alle damals 18 Jahre alt werdenden Jugendlichen in Deutschland erhalten – verbunden mit 100 Euro. Dafür mussten sie sich allerdings registrieren mithilfe ihres digitalen Personalausweises und den damit verknüpften Passwörtern. Diese aber sind vielen Leuten nicht bekannt. Die Sparkassen konnten unbürokratisch helfen: Wer bei ihnen als Onlinekunde registriert ist und sich legitimieren konnte, bekam Zugriff. Immerhin 47 Prozent der Antragsteller gelangten so an die 100 Euro.

Die Sparkassen sprechen auch Unbequemes aus: Die demographische Situation sei „alarmierend“. Schon jetzt fehlten im Handwerk 113.000 Fachkräfte. Dem Arbeitsmarkt gingen jedes Jahr netto 400.000 Erwerbstätige verloren, da mehr Menschen in den Ruhestand träten, als ins Berufsleben einstiegen. „Es ist schon rechnerisch völlig unmöglich, gleichzeitig die Beiträge und die Leistungen“ der gesetzlichen Rentenversicherung auch nur „stabil zu halten“, heißt es. Nicht ganz uneigennützig sprechen sich die Sparkassen für mehr staatlich geförderte private Altersvorsorge aus, etwa über Wertpapierdepots für Kinder, wie sie ihre Fondsgesellschaft Deka anbieten könnte. Und sie würden auch gern die vermögenswirksamen Leistungen und die Baufördermittel erhöht sehen.

Während in Deutschland laut Mikrozensus die Teilzeitquote so hoch ist wie nie, verlangen die Sparkassen von den Beschäftigen, mehr zu arbeiten – ob wöchentlich oder bezogen auf das gesamte Berufsleben. „Andere“ werden durch höhere Steuern auf Kapital die Rückzahlung der Sonderkredite, die in Berlin „Sondervermögen“ genannt werden, ermöglichen müssen, lautet eine weitere Position der Sparkassen. „Alle werden in Zukunft etwas mehr beitragen müssen“, sagt Reuter. Und spricht damit wohl unbequeme Wahrheiten aus, die viele Politiker gern verschweigen.

Staatliche Sonderkredite helfen nur begrenzt

Skepsis schwingt indes bei Reuter mit, wenn er von den in Berlin gern „Sondervermögen“ genannten staatlichen Stimuluspaketen spricht, etwa für Investitionen in die Verteidigung und gegen den Klimawandel. Diese staatlichen „Sonderkredite können bestenfalls ein Viertel des zusätzlichen Investitionsbedarfs decken“, sagte Reuter mit Verweis auf die im Draghi-Bericht ermittelten Summen und fügte hinzu: „Mindestens drei Viertel muss von Privaten kommen.“ Die Sparkassen seien dazu bereit: „Allein die 343 deutschen Sparkassen vergeben in vier Jahren so viele neue Kredite, wie die öffentliche Hand über den Sonderkredit „Infrastruktur und Klimaschutz“ in zwölf Jahren zusätzlich investieren will – rund 500 Milliarden Euro“, sagte Reuter.

Damit die Sparkassen auch dann lieferfähig seien, wenn die Unternehmen mehr Investitionskredite nachfragten, wünscht sich der Verbandspräsident aufsichtsrechtliche Erleichterungen für Kreditinstitute. Das Bankensystem sei stabil genug, um die Eigenkapitalmindestanforderungen zu senken, zum Beispiel um 1,3 Prozentpunkte bei den Kapitalquoten. „Dann würden allein bei den deutschen Sparkassen neue Kreditspielräume von rund 100 Milliarden Euro entstehen“, machte Reuter den Effekt deutlich.

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