Kathrin Birkeneder und Andreas Pernpeintner geben erstes gemeinsames Konzert – Dachau | ABC-Z

Wer die Alte Schule in Lauterbach kennt, weiß, dass sie mit ihrer einladenden Atmosphäre und ihrem ausgeklügelten Programm längst zu einer Art Wohnzimmer für Kulturfans geworden ist – und dabei immer wieder für Überraschungen gut ist. Mag sein, dass Sängerin Kathrin Birkeneder und Pianist Andreas Pernpeintner sich genau deshalb diesen besonderen Ort für ihren ersten gemeinsamen Auftritt ausgesucht haben. Die stimmgewaltige Kathrin Birkeneder ist in der Region mit vielen Gruppen unterwegs. Andreas Pernpeintner „holzt“ (O-Ton Pernpeintner) in der Rockformation Boxhead mindestens ebenso gewaltig auf der Hammond-Orgel rum.
Was liegt also näher, als endlich mal gemeinsam aufzutreten. Am Samstagabend war es im ausverkauften Saal der Alten Schule so weit. Die Idee sei „unter einem Lindenbaum“ entstanden, erzählte Birkeneder, die sich mit Pernpeintner die Moderation geteilt hatte. Doch keine Sorge: Von Franz Schuberts „Lindenbaum“ war an diesem Abend nichts zu hören; das Duo hatte für seine Premiere vielmehr Blues, Jazz, Rockiges und ein paar hinreißende Dauerbrenner ausgewählt. Und schaffte es locker, sein Publikum immer wieder zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Was in erster Linie am Können der beiden und an ihrem unprätentiösen, freundschaftlich-respektvollen und zugleich amüsanten Auftreten lag. Wobei immer wieder durchschimmerte, dass hier keine Neulinge, sondern zwei starke Persönlichkeiten am Werk waren, die zu einer faszinierenden Übereinstimmung in Gesang und Klavierspiel gefunden haben.
„Eine Klischeenummer muss sein“, sagt Pernpeintner
„A Change is gonna come“ in der Nora-Jones-Version war der durchaus mehrdeutig zu verstehende Auftakt. Wer mochte, konnte das als deutlichen Hinweis auf die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen sehen – oder sich zurücklehnen und einfach nur genießen, wie sich Stimme und Klavierspiel aufeinander einstimmten, sich miteinander verbanden und wieder zu spannungsgeladenen Soli voneinander lösten. So mutierte „Fly me to the moon“ vom kitschgetränkten Sinatra-Oldie zu einer aufregenden Nummer, stimmlicher und pianistischer Höhenflug inklusive. „Georgia on my Mind“ geriet zur tiefgründigen und ganz und gar nicht süßlichen Liebeserklärung – nicht nur an Frauen namens Georgia oder den namensgleichen US-amerikanischen Bundesstaat.
Mal kurz in die unendlichen Weiten der Töne beamen ließ Pernpeintner seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit seinem Intro zu Elton Johns „Goodbye yellow Brick Road“ – und berichtete, der Superstar habe die Version einer amerikanischen Singer-Songwriterin seiner eigenen bevorzugt. Hätte Sir Elton aber das suggestiv singende und spielende Duo in der Alten Schule gehört, hätte er alle anderen Versionen vergessen und wäre förmlich über den alten gelben Steinweg geschwebt.
„Eine Klischeenummer muss sein“, sagte Pernpeintner – und das war das oberromantische, alle Hirnsynapsen auf Gefühl schaltende „Summertime“ aus George Gershwins Oper „Porgy and Bess“. Mit Paul Simons „Bridge over troubled Water“ setzte das Duo noch einen drauf – und konnte sich ein inneres Grinsen ob der vielen erwartungsfrohen Ahs und Ohs aus dem Publikum nicht verkneifen.
Sängerin und Pianist sorgten mit ihrer Stückauswahl dafür, dass der Abend nicht zum Bällebad der romantischen Gefühle wurde. Kraftvoll, beinahe trotzig und wütend war Kathrin Birkeneders „A natural woman“, einer der bekanntesten Songs von Aretha Franklin, bei dem der damalige US-Präsident Barack Obama geweint haben soll. Im Alten Schulhaus war jedoch niemandem zum Weinen zumute, dafür gingen viel zu viel Power und eine gute Portion Humor von den beiden aus. Letztere machte sich auch in manchem Arrangement bemerkbar, so beispielsweise im The Who-Song „Love, reign o’er me“, den Pernpeintner mit Tönen aus Claude Debussy’s „Clair de Lune“ aufgepeppt hatte.
Was bleibt nach zwei Song-Urgesteinen, nämlich „Amazing Grace“ und „Oh Happy Day“ sowie zwei Zugaben: die Gewissheit, dass sich zwei Musiker gesucht und gefunden haben und dass – um eine Plattitüde zu verwenden – Kunst immer noch von Können kommt. Was aber auch bleibt, ist das Erlebnis toller Musik mit einem nicht wirklich in Worte zu fassenden Einverständnis, wie sie gesungen und gespielt werden soll – und ein sich vor Begeisterung fast überschlagendes Publikum.