Vegane Wurst und sozialdemokratische Werte | ABC-Z

Vor einigen Wochen erreichte die F.A.S. die Einladung zu einem Frühjahrsempfang. Gastgeber: der Thinktank D 64. Er steht der SPD nahe. Der Geschäftsführer bemerkte in seiner Mail zutreffend, dass an dieser Stelle der Zeitung nicht nur Politiker und ihre Forderungen eine Rolle spielten, sondern auch die Symbolik von Essen im politischen Betrieb. So wies er auf das „exzellente (und deftige) vegetarisch-vegane Grillbuffet“ hin, mit dem der Empfang aufwarte. Und dies nicht in einem schicken Lokal oder Festsaal, sondern in der Berliner Stadtmission. Das zeige, dass D 64 sich stetig weiter entwickle, aber verortet bleibe in sozialdemokratischen Werten.
Das warf Fragen auf. Etwa ob das Grillbuffet wirklich exzellent ist. Oder was diejenigen, die in sozialdemokratischen Werten verortet sind, eigentlich gerade über die SPD denken. Und schließlich, was so ein Thinktank überhaupt macht.
Die Wurst steht stellvertretend für die SPD
Montagabend, 19 Uhr, in der Stadtmission. Im Hof stehen junge Leute in weiten Hosen, hellen Hemden, Pullis, trinken Bier und Limo aus der Flasche. Wer durchs Fenster ins Haus schaut, liest an der Wand ein Zitat aus Psalm 37: „Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn; er wird’s wohl machen.“ So vertrauensvoll legen die Gäste hier ihr Schicksal nicht in Lars Klingbeils Hand. Warum auch? D 64 will ja gerade Einfluss nehmen. Der Thinktank zählt Kampagnen gegen die Vorratsdatenspeicherung und die Chatkontrolle zu seinen Erfolgen. Ein weiteres Highlight war, dass der Koalitionsvertrag der Ampel das D 64-Konzept der Login-Falle enthielt. „Es wurde nur leider nicht umgesetzt“, bilanziert die Ko-Vorsitzende auf der Bühne. Und nun?

Mal sehen, die Regierung ist ja noch ganz frisch. Einer Podiumsdiskussion (vier Frauen, kein Mann) schließt sich ein gemeinschaftliches Zusammenstapeln der Stühle im Saal und dann endlich das Grillen an. Das Buffet kommt vom Gästehaus, das die Stadtmission hier auch betreibt: Nudelsalat, Kichererbsensalat, Hummus, Spitzpaprika, Gemüsespieße, Kartoffeln, Halloumi, Grillwurst. Ja, vegane Wurst, sie besteht vor allem aus Erbsenprotein. Kann das schmecken? Die Frage ist größer, als sie scheint. Die Wurst steht stellvertretend für die SPD, die seit jeher in der Pose des Familienvaters am Grill Politik macht. Sie will modern sein, doch traditionsverbunden, also durchaus mal elektrisch statt mit Kohle grillen, aber dazu ein Bier, wie es sich gehört. Für die Frauen kann auch mal Aubergine mit drauf. Aber irgendwas stimmt mit der Glut nicht . . .
Die Grillwurst schmeckt nach Gewürzen an Erbse. Was nicht schlecht ist. Noch besser sind aber die Spieße. Die Gäste, wohl progressiver als der durchschnittliche SPD-Wähler, greifen zu. Einer trägt eine Jeansjacke, hinten drauf steht „I Have Seen The Future“. Er sieht eigentlich ganz zufrieden aus.